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Deutschkurs: Jüngere Flüchtlinge sollen besser integriert werden.

© dpa

Flüchtlingspolitik: Schneller und intensiver

Bund und Länder einigen sich auf eine zügige Abschiebung abgelehnter Asylbewerber - und auf eine bessere Integration von Flüchtlingen mit Bleibeperspektive.

Bund und Länder wollen die Asylverfahren zügig beschleunigen und abgelehnte Asylbewerber künftig schneller abschieben. Darauf einigten sich Bundeskanzlerin Angela Merkel und die Ministerpräsidenten bei ihrem Treffen am Donnerstag in Berlin. Das betrifft derzeit vor allem Asylbewerber aus Balkanländern, deren Anerkennungsquote praktisch bei Null liegt. Dagegen soll für Flüchtlinge mit einer Bleibeperspektive die Integration in Gesellschaft und Arbeitsmarkt schneller und intensiver vorangehen. Zu dieser Gruppe gehören zurzeit vor allem Syrer, die dem Bürgerkrieg und den Verfolgungen in ihrem Land entflohen sind.

Für all diese Maßnahmen – Asylverfahren, schnellere Abschiebung und Integrationsbemühungen – soll das Personal bei Bund und Ländern aufgestockt werden. Zudem sollen die Anerkennungsverfahren in vier Entscheidungszentren gebündelt werden, um sie schneller abarbeiten zu können. Ziel ist es, abgelehnte Asylbewerber binnen drei Monaten wieder in ihre Heimatländer zurückzuführen.

Große Erwartungen

Die Länder hatten vor dem Gespräch mit Merkel große Erwartungen geweckt, was die künftige finanzielle Beteiligung des Bundes an den Kosten der Flüchtlinge betrifft. Doch will sich der Bund hier offenbar über die Zugeständnisse in der Vorwoche beim Flüchtlingsgipfel hinaus nicht festlegen. Die pauschale Bundeshilfe an Länder und Kommunen wird in diesem Jahr erhöht, indem die für 2016 zugesagten 500 Millionen Euro vorgezogen werden. Für dieses Jahr werden ebenfalls 500 Millionen Euro ausgezahlt. Der Bund hat nur erklärt, sich ab 2016 „strukturell, dauerhaft und dynamisch“ an den Flüchtlingskosten zu beteiligen. Übersetzt bedeutet das, dass aus dem Bundesetat bestimmte Maßnahmen – etwa beim Wohnungsbau oder bei der beruflichen Bildung von Flüchtlingen – langfristig und entsprechend der tatsächlichen Zahl der Flüchtlinge ganz oder teilweise finanziert werden. Konkretes soll Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) bis zum Herbst mit den Ländern vereinbaren. Brandenburgs Ministerpräsident Dietmar Woidke (SPD) fasste die Erwartung der Länderchefs so zusammen: Die zugesagte Summe von 500 Millionen Euro für 2016 sei deutlich zu wenig.

Sicher ist, dass der Bund die von ihm finanzierten Integrationskurse für Ausländer auch für Asylbewerber und Geduldete mit „guter Bleibeperspektive“ öffnen wird. Das gilt nicht zuletzt für jüngere Flüchtlinge. Bisher wurden sie nur anerkannten Asylbewerbern angeboten. Ob das Angebot einen Umfang von 600 Stunden Sprachunterricht haben wird, wie die Länder fordern, ist aber noch unklar. Den Ländern wird zudem ermöglicht, dass Arztbesuche von Flüchtlingen über die Krankenkassen abgerechnet werden können – also eine Gesundheitskarte ausgegeben werden kann. Die Leistungen sollen sich wie bisher im Rahmen des Asylbewerberleistungsgesetzes halten. Aktuell können Asylbewerber während des laufenden Verfahrens nur bei akuten Krankheiten ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen, brauchen dazu aber das Ja der Behörden. Dies wird von Flüchtlingshilfs- und Menschenrechtsorganisationen seit Langem kritisiert, weil so keine Vorsorge möglich ist und Erkrankungen schlimmer und teurer werden.

Merkel fordert faire Verteilung in der EU

Die Kanzlerin hatte vor dem Treffen mit den Ministerpräsidenten auf eine rasche Einigung der 28 EU-Staaten gedrungen, um die in Europa ankommenden Flüchtlinge fair zu verteilen. Es könne nicht sein, dass fünf EU-Staaten weiter drei Viertel aller Flüchtlinge aufnehmen würden, sagte sie am Donnerstag im Bundestag in einer Regierungserklärung zum bevorstehenden EU-Gipfel. „Deutschland ist weiterhin bereit, seinen Beitrag zu leisten. Aber wir machen auch unmissverständlich klar, dass alle Mitgliedstaaten das gemeinsame europäische Asylsystem gleichwertig umsetzen und anwenden müssen.“

Kritik an der europäischen Politik insgesamt kam auch von Amnesty International. Die deutsche Generalsekretärin Selmin Caliskan sagte, Europa biete derzeit nur etwa 5000 Plätze zur dauerhaften Aufnahme von Flüchtlingen an. „Auch mit gerade einmal einer halben Million Asylanträge im vergangenen Jahr bleibt Europa weit hinter seinen Möglichkeiten und Verpflichtungen zurück. Die europäische Untätigkeit angesichts der weltweiten Flüchtlingskrise ist tödlich.“ Vor einer der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts habe die EU bisher „kläglich versagt“. Nach aktuellen UN-Zahlen sind derzeit mindestens 60 Millionen Menschen weltweit auf der Flucht, mehr als je seit dem Zweiten Weltkrieg.

Die Amadeu-Antonio-Stiftung, die seit fast 13 Jahren Basisarbeit gegen Fremdenhass macht, mahnte am Tag des Flüchtlingsgipfels von Bund und Ländern auch die Kommunen zum Handeln. In einem Zehn-Punkte-Plan unter dem Titel „Deutschland muss eine Aufnahmegesellschaft werden“ fordert die Stiftung die Verantwortlichen in Städten und Gemeinden unter anderem auf, Netze zu knüpfen zwischen lokalen Unternehmen, Gewerkschaften, Flüchtlingsinitiativen und Wohnungsgesellschaften, die die Neuankömmlinge auffangen und das Klima vor Ort zu ihren Gunsten beeinflussen können. Außerdem sollten sie Flüchtlingen früh Teilhabemöglichkeiten schaffen und dabei auch sie selbst einbeziehen, indem sie nach deren Bedürfnissen fragen.

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