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Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) besucht am Donnerstag die neue Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber in Freital bei Dresden.

© Marko Greitschus/dpa

Update

Anti-Asyl-Proteste in Sachsen: Tillich: Was in Freital geschieht, ist nicht akzeptabel

Die Anti-Asyl-Proteste in Freital gehen weiter. Flaschen fliegen gegen Unterstützer der Flüchtlinge. Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU) reagiert auf Kritik und macht sich selbst ein Bild von der Lage.

Von Matthias Meisner

In Freital bei Dresden ist am dritten Abend in Folge gegen die Unterbringung von Asylbewerbern in einem ehemaligen Hotel demonstriert worden. Am Mittwoch versammelten sich nach Polizeiangaben rund 160 Gegner der Erstaufnahmeeinrichtung an der Zufahrt zu dem Gebäude. Zugleich fanden sich etwa 80 Demonstranten überwiegend aus dem linken Spektrum an dem früheren Hotel ein, um Übergriffe auf die Flüchtlinge zu verhindern, wie sie erklärten. Während der Demonstration und unter Gejohle der Flüchtlingsheimgegner trafen 50 neue Asylbewerber ein, darunter mehrere Frauen mit kleinen Kindern.

Am späten Abend wurden Unterstützer der Flüchtlinge aus dem Kreis der Anti-Asyl-Demonstranten mit Flaschen beworfen. Eine Person sei dabei leicht verletzt worden, meldete Radio Dresden unter Berufung auf die Polizei. Die Polizei ermittelt jetzt gegen die Flaschenwerfer.

Der Polizeieinsatz dauert derzeit an. Die Polizei ist ab sofort rund um die Uhr vor dem Heim präsent, wie MDR Sachsen meldete.

Freital ist eine der Hochburgen der Anti-Asyl-Bewegung Pegida, ihr Ableger firmiert dort unter dem Namen Frigida. Schon bei der Gründung der selbst ernannten "Patrioten gegen die Islamisierung des Abendlandes" konnte deren Anführer Lutz Bachmann auf zahlreiche Unterstützer aus dem Ort bauen.

Allerdings gibt es inzwischen Auseinandersetzungen zwischen den Protestlern in Freital und Bachmann, der sich am Montagabend an dem Protest beteiligt hatte. Die Initiative "Freital wehrt sich. Nein zum Hotelheim" schrieb auf ihrer Facebook-Seite, Bachmann habe nichts mit der Freitaler Bewegung zu tun. "Die Initiativen in Freital sind auch völlig unabhängig von Pegida."

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Bachmann wiederum behauptete auf Facebook, "Verfassungsschutz-Schlapphüte der NPD" seien in Freital vor Ort, "garantiert geschickt, um sinnlos Stimmung zu machen und eine Eskalation zu provozieren". Sowohl Pegida auf der einen Seite als auch die "teils normalen Asyl-Befürworter" auf der anderen Seite sollten so diskreditiert werden. Am Montag hatte Bachmann die Unterstützer der Flüchtlinge in Freital "SAntifa-Staffel" genannt.

Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU), der sich tagelang nicht zu den Auseinandersetzungen um die Flüchtlinge geäußert hatte, kam am Donnerstagnachmittag zu einem "Arbeitsbesuch" nach Freital. Er wolle sich "von den zuständigen Stellen über die Situation vor Ort informieren lassen", teilte die Staatskanzlei mit. Sie verbreitete aus Anlass des Besuchs eine Erklärung von Tillich, in der es heißt: "Was hier in den letzten Tagen passiert, ist nicht akzeptabel. Einschüchterungen und Angriffe gegenüber Asylsuchenden, unseren Bürgermeistern, Landräten und engagierten Bürgern dürfen in Sachsen nicht um sich greifen. Dem müssen wir alle entgegentreten."

Es sei in Ordnung, über Zuwanderung und Asyl zu streiten, erklärte der CDU-Regierungschef weiter. "Das muss aber nach demokratischen Regeln geschehen. Ich sage ganz klar Nein zu Gewalt und zu Aufrufen dazu. Dem stellen wir uns entschieden entgegen." Er habe auch überhaupt kein Verständnis dafür, wenn ausgerechnet gegen die Menschen Stimmung gemacht werde, "die hier Schutz suchen und nicht selten alles verloren haben". Und weiter: "Wir haben die Verantwortung und die Pflicht, Menschen, die bei uns Schutz suchen, menschenwürdig und anständig zu behandeln. Dazu gehört auch eine entsprechende Unterkunft. Wir wissen, dass es eine große Herausforderung ist, vor der wir hier in der gesamten Bundesrepublik stehen, aber wir müssen uns dieser stellen." Bei seinem Besuch in dem früheren Hotel kam Tillich auch mit einer Flüchtlingsfamilie zusammen.

Flüchtlingsgegner protestieren mit einer deutsch-russischen Fahne vor einer Unterkunft von Asylbewerbern in Freital.
Flüchtlingsgegner protestieren mit einer deutsch-russischen Fahne vor einer Unterkunft von Asylbewerbern in Freital.

© Oliver Killig/dpa

Maas: In Deutschland darf kein Platz für Fremdenhass sein

Bundesjustizminister Heiko Maas nannte Gewaltaufrufe gegen Flüchtlinge "völlig inakzeptabel". Er erklärte in Berlin: "Die Flüchtlinge, die zu uns kommen, haben in ihrer Heimat alles verloren. Sie suchen Hilfe und Zuflucht.Sorgen und unbegründete Vorbehalte müssen im Dialog besprochen werden. Wer bei uns aber Stimmung gegen Ausländer macht und Fremdenhass schürt, dem müssen wir entschlossen entgegentreten." In Deutschland dürfe kein Platz für Fremdenfeindlichkeit sein.

Sachsens Ausländerbeauftragter Geert Mackenroth (CDU) warf den Organisatoren der Anti-Asyl-Proteste aggressive Stimmungsmache vor. "Manche Formulierungen der Rädelsführer enthalten zumindest zwischen den Zeilen Aufrufe zu Gewalt gegen Personen und Sachen", erklärte er.

Das frühere "Leonardo"-Hotel in Freital wird seit Montag als Ausweichquartier für die überfüllte zentrale Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz genutzt. Die dafür vorgesehenen 280 Plätze sind bereits zu mehr als zwei Dritteln belegt. Schon seit Wochen nutzt das Landratsamt das Haus als Unterkunft für rund 100 Asylbewerber.

Der Landrat des Kreises Sächsische Schweiz/Osterzgebirge, Michael Geisler (CDU), zweifelte in einem Interview mit der "Sächsischen Zeitung" an, dass die Asyl-Pläne des Freistaates Sachsen in Bezug auf Freital überlegt seien. Er bezog sich dabei auf die "sowieso aufgeheizte Stimmung in Freital, die Demonstrationen". Mit Blick auf das ehemalige "Leonardo"-Hotel sagte er: "Unter den aktuellen Bedingungen machen wir uns ernsthaft Gedanken, ob es nicht besser wäre, ganz aus dem Objekt rauszugehen." Angesichts des Wissens, dass sich in der sächsischen Asylpraxis nur wenig ändere, werde man bei der Unterbringung von Asylsuchenden in seinem Landkreis "wohl über Container reden und darüber, mal für zwei Wochen als Puffer eine Turnhalle zu belegen".

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Schon am Montagabend waren die ersten Flüchtlinge mit Protesten empfangen worden. Am Dienstag demonstrierten rund 80 Menschen gegen die Unterbringung. Etwa 200 Menschen stellten sich ihnen nach Angaben der Polizei entgegen. Im Anschluss wurden fünf Teilnehmer der Kundgebung zum Schutz der Flüchtlinge angegriffen. Ihr Auto sei auf der Rückfahrt nach Dresden zunächst von zwei Fahrzeugen verfolgt und bedrängt worden, sagte eine Sprecherin des Operativen Abwehrzentrums (OAZ). An einer Tankstelle habe ein Angreifer in der Nacht zum Mittwoch mit einem Baseballschläger auf die Frontscheibe des Wagens eingeschlagen. Dabei sei ein Insasse leicht verletzt worden.

Angriffe auf Asylbewerber in Sachsen nehmen zu

In Sachsen deutet sich für das laufende Jahr ein neuer Negativrekord bei den Angriffen gegen Flüchtlinge an. In den ersten fünf Monaten dieses Jahres ist es zu einer deutlichen Zunahme von politisch motivierten Straftaten gegen die Bewohner von Asylbewerberunterkünften gekommen. Das geht aus den aktuellen Antworten von Innenminister Markus Ulbig (CDU) auf parlamentarische Anfragen der Landtagsabgeordneten Kerstin Köditz (Linke) hervor, wie die "Sächsische Zeitung" berichtete.

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Allein von Jahresanfang bis Ende Mai 2015 verübten demnach rechtsmotivierte Täter an oder direkt in sächsischen Asylbewerberheimen 31 Straftaten – darunter Brand- und Sprengstoffanschläge, Hausfriedensbruch, Körperverletzung, Sachbeschädigung, Beleidigung und Volksverhetzung. Dazu kommen weitere aktuelle Übergriffe im Monat Juni. Die Zahl dieser Straftaten nimmt bereits seit einigen Jahren kontinuierlich zu. Gab es 2012 und 2013 noch acht beziehungsweise 15 derartiger Fälle, waren es im Vorjahr insgesamt schon 44. (mit dpa)

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