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US-Präsident Obama, Angela Merkel und die anderen Staats- und Regierungschefs der führenden sieben Industriestaaten (G7) beraten am Montag über die Ukraine-Krise.

© dpa

G7 in Den Haag: Auf einer Linie - und ohne Russland

Die Staats- und Regierungschefs der sieben größten Industrienationen haben in Den Haag den G-8-Gipfel mit Russland abgesagt. Putin müsse für die Krim bezahlen, so Obama. Doch Moskau gibt sich unbeeindruckt vom Ausschluss aus der Gruppe der G8.

Die internationale Gemeinschaft sucht in der Krim-Krise den Schulterschluss. US-Präsident Barack Obama und die anderen Staats- und Regierungschefs der sieben führenden Industriestaaten (G7) berieten am Montag in Den Haag über eine Antwort auf die russische Annexion der ukraonischen Halbinsel Krim. Sie kamen überein, Russland vorerst nicht mehr zu Gipfeltreffen im Rahmen der G8 einzuladen. Die für Anfang Juni geplante Zusammenkunft in Sotschi findet mithin nicht statt, stattdessen soll es einen G7-Gipfel in Brüssel geben.

Ein vollwertiges Mitglied im Kreis der führenden Industrienationen war Russland eigentlich nie. Der Zirkel, 1975 auf Initiative Helmut Schmidts und Giscard d‘Estaings ins Leben gerufen, debattierte ursprünglich über Wirtschafts- und Währungsfragen. Erst später ging es auch um internationale Themen – aber Russland war den westlichen Regierungschefs wegen seines mangelnden wirtschaftlichen Gewichts und seiner anderen Wertebasis stets suspekt.

Nun ist Moskau vorerst gar nicht mehr dabei. Schon zum Treffen der G7-Länder in Den Haag hatten Deutschland, die USA, Frankreich, Italien, Kanada, Japan und Großbritannien Russland nicht eingeladen – zum ersten Mal seit 1998. Statt über eine weitere Zusammenarbeit zu reden, geht es nun um eine Verschärfung der Strafmaßnahmen. Mit „koordinierten sektoralen Sanktionen“ drohten die G7-Staaten in einer Erklärung. Dies werde „zunehmend bedeutsame Folgen für die russische Wirtschaft“ haben. Bislang haben die EU und die USA lediglich einzelne Russen etwa mit Einreiseverboten und Kontosperren belegt.

Obama: Russland muss für sein bisheriges Handeln bezahlen

Zuvor hatte Obama gesagt: „Wir sind einig darin, dass Russland für sein bisheriges Handeln bezahlen muss.“ Zunehmende Sanktionen hätten „erhebliche Folgen“ für die russische Wirtschaft. Der Ukraine sicherte er nach der russischen Annexion ihrer Halbinsel Krim Unterstützung von Europa und Amerika zu. Bundeskanzlerin Angela Merkel sagte, das politische Umfeld für das G8-Format sei derzeit nicht gegeben. „Im Augenblick gibt es G8 nicht – weder als konkreten Gipfel noch als Format.“ Zu den G7 gehören Deutschland, die USA, Frankreich, Großbritannien, Italien, Japan und Kanada. 1998 hatte die G7 Russland aufgenommen.

Um die Gangart gegenüber Russlands Präsident Wladimir Putin zu verschärfen, reichte den Regierungschefs eine Stunde. „Unsere Gruppe kam wegen gemeinsamer Überzeugungen und gemeinsamer Verantwortlichkeiten zusammen“, teilten sie mit. „Die Aktionen Russlands in den letzten Wochen sind damit nicht vereinbar.“ Weitere G8-Treffen solle es erst wieder geben, wenn Russland seinen Kurs geändert habe. Damit platzt auch das für Putin prestigeträchtige Treffen in der Olympiastadt Sotschi. Die G7-Staaten fürchten, dass Russland die Lage in der Ukraine weiter destabilisiert und etwa Truppen in den Osten der Ukraine schickt.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow reagierte demonstrativ gelassen. „Die G8 ist ein informeller Club, da gibt es keine Mitgliedsausweise, da kann keiner jemanden herauswerfen“, erklärte er. „Wir sehen kein großes Problem, wenn sich die G8 nicht versammelt - man kann mal ein oder eineinhalb Jahre warten und schauen, wie man ohne dieses Format auskommt.“Und: „Jetzt werden alle wichtigen Fragen in der G20 diskutiert“ – also in der Gruppe der 20 wichtigsten Industrie- und Schwellenländer. Lawrow traf sich indes in Den Haag auch mit seinem ukrainischen Kollegen Andrej Deschtschyzja zu einem Gespräch. Es war das ranghöchste Gespräch zwischen beiden Seiten seit Beginn der Krise. Zum Inhalt des Gesprächs äußerte sich Lawrow nicht.

Der Kreml schaffte derweil auf der Krim weiter Fakten. Russland hat nun vollständig die Hoheit über die Halbinsel inne. Die Ukraine ordnete daraufhin den Abzug ihrer Streitkräfte an. Die Truppen würden ins Kernland verlegt, sagte Übergangspräsident Alexander Turtschinow. Am Morgen hatten russische Soldaten mithilfe von schwerem Militärgerät und Kampfhubschraubern einen der letzten ukrainischen Stützpunkte auf der Krim eingenommen. 60 bis 80 ukrainische Soldaten wurden dabei festgenommen. der ukrainische Armeesprecher Wladislaw Selesnjow mit. Zuvor hatte Russland die Ukrainer zum Abzug aufgefordert.

Differenzen innerhalb der Bundesregierung

Am Montag wurde auf der Krim der Russische Rubel zusätzlich zur ukrainischen Währung Griwna eingeführt. Nun werden Gehälter, Sozialleistungen und Steuern in Rubel gezahlt. Als erstes russisches Regierungsmitglied traf Verteidigungsminister Sergej Schoigu auf der Krim ein. Der moskautreue Vizeregierungschef der Krim, Rustam Temirgalijew, warf der Ukraine vor, nur etwa die Hälfte der vereinbarten Strommenge zu liefern. Mit Spannung wird nun der G7-Gipfel in den Niederlanden erwartet.

Obama besuchte in Amsterdam zunächst das Reichsmuseum, danach wollte er nach Den Haag weiterreisen. Dort sollte der US-Präsident zunächst mit Chinas Staats- und Parteichef Xi Jinping zusammentreffen. Die Staats- und Regierungschefs - neben Obama Frankreichs Präsident François Hollande, Bundeskanzlerin Angela Merkel sowie die Ministerpräsidenten von Kanada, Großbritannien, Japan und Italien - werden Russland voraussichtlich davor warnen, die Lage in der Ukraine weiter zu destabilisieren und etwa Truppen in den Osten der Ukraine zu schicken. Zudem dürften sie bestätigen, dass die G8-Gruppe unter Einschluss Russlands bis auf weiteres nicht mehr besteht. Russland ist zum ersten Mal seit seinem Beitritt zu der Runde 1998 nicht eingeladen.

Innerhalb der Bundesregierung ist es unterdessen zum ersten Mal zu Differenzen über den richtigen Umgang mit der russischen Herausforderung gekommen. Vizekanzler Sigmar Gabriel (SPD) kritisierte Äußerungen von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU) zur Militärpräsenz an der Nato-Ostgrenze und warf ihr vor, vom Kurs von Bundeskanzlerin Merkel abzuweichen. Die Ministerin hatte erklärt, die Bündnispartner müssten nun an den Außengrenzen der Nato „Präsenz“ zeigen. Dies sei „eine Debatte, die nicht ansteht“, sagte Gabriel. In einer Situation, in der es „erste zaghafte Schritte“ der Deeskalation gebe, müsse der Eindruck vermieden werden, „dass man mit militärischen Optionen auch nur gedanklich spielt“. Gabriel verwies darauf, dass Merkel „mit größter Präzision“ einen Einsatz von Militär ausgeschlossen habe. Auch Grüne und FDP kritisierten Leyens Satz als Beitrag zur Eskalation. (mit AFP/dpa)

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