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Norbert Lammert

© dpa

Geplanter Hauptausschuss: Bundestag wird zum Provisorium

Wegen der langen Regierungsbildung voraussichtlich bis Dezember will der Bundestag mit einer Übergangslösung seine Arbeitsfähigkeit sichern. Statt der für die Facharbeit wichtigen Parlamentsausschüsse soll es einen provisorischen Hauptausschuss geben.

Von Matthias Meisner

Ein neu geschaffener Mega-Ausschuss soll während der langwierigen Koalitionsverhandlungen die Funktionsfähigkeit des Bundestags in der Übergangsphase sicherstellen. Dieser bislang beispiellose Hauptausschuss solle in der Parlamentssitzung am 28. November eingesetzt werden, kündigte Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU) am Mittwoch nach einem Treffen mit den Parlamentarischen Geschäftsführern aller Fraktionen an. Ob dies einvernehmlich mit den Stimmen aller vier Fraktionen geschehen werde, werde sich erst in den nächsten Tagen herausstellen. Vor allem die Linke hat Bedenken.

Das Sondergremium soll nach den Vorstellungen von Union und SPD anstelle der üblichen Ausschüsse Gesetzentwürfe und Anträge beraten, über die der Bundestag nicht direkt entscheiden will. Auch aufgelaufene Petitionen sollen bearbeitet werden. Nach den Worten des Parlamentarischen Geschäftsführers der Unions-Fraktion, Michael Grosse-Brömer, werden von dem Gremium auch etwaige Beschlüsse des Euro-Rettungsmechanismus ESM vorbereitet.

Der Ausschuss wird laut Lammert 40 bis 42 Abgeordnete verschiedener Fachgebiete umfassen. Hinzu komme eine etwa gleichgroße Zahl an Stellvertretern. Hintergrund ist, dass die regulären Ausschüsse etwa zu Verteidigung, Auswärtigem oder Europa üblicherweise erst nach der Regierungsbildung eingesetzt werden, um sie nach den Zuschnitten der Ministerien auszurichten. Der Hauptausschuss werde seine Arbeit einstellen, wenn die Fachausschüsse sich konstituiert hätten, sagte Lammert. Dies werde vermutlich in der ersten Sitzungswoche im Januar der Fall sein. Bereits am 19. Dezember solle zwei Tage nach der geplanten Kanzlerinnen-Wahl Anzahl und Größe der Ausschüsse festgelegt werden. Dieser Weg sei vertretbar und zumutbar.

Die Linke kritisierte jedoch, eine solches Hilfskonstrukt mache eine fachliche Behandlung von Entwürfen und Initiativen in der ganzen Breite nicht möglich. "Union und SPD amputieren das Parlament", beklagte die Parlamentarische Geschäftsführerin Petra Sitte. Alle im Grundgesetz vorgesehenen Ausschüsse müssten daher eingesetzt werden, um den Schwebezustand zu beenden. "Der vorgeschlagene Hauptausschuss bildet lediglich noch einmal die Plenardebatte im Bonsaiformat ab. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Halina Wawzyniak, Rechtsexpertin ihrer Fraktion, schrieb in ihrem Blog, der Hauptausschuss sei in ihren Augen grundgesetzwidrig, er verstoße gegen die vorgesehene Gleichheit der Abgeordneten. Der vorgesehene Hauptausschuss schaffe ein Zwei-Klassen-System von Abgeordneten.

Die Grünen halten einen Hauptausschuss zumindest für eine begrenzte Zeit für vertretbar. Er dürfe aber nicht überfrachtet werden. Der Grünen-Politiker Volker Beck, früherer Parlamentsgeschäftsführer seiner Partei, erklärte im Kurznachrichtendienst Twitter dennoch, ein Hauptausschuss habe "was von Notparlament". Er fragte: "Haben wir eine Staatskrise?" Unions-Parlamentsgeschäftsführer Grosse-Brömer wies diese Kritik als "Unsinn" zurück. Zwischen Wahl und Regierungsbildung hätte man dann in den letzten Jahrzehnten "jedes Mal eine Staatskrise" gehabt, so der CDU-Politiker. (mit rtr)

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