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Abwehrhaltung. Angela Merkel wollte lieber schweigen.

© Daniel Bockwoldt/dpa

Gericht zur Böhmermann-Affäre: Merkel muss angeben, ob sie Schmähgedicht kannte

Die Kanzlerin hat in der Böhmermann-Affäre zu Unrecht geschwiegen, urteilt das Oberverwaltungsgericht auf Antrag des Tagesspiegels.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hat Informationen zu ihrem Umgang mit der Böhmermann-Affäre zu Unrecht geheim gehalten. Auf einen Eilantrag des Tagesspiegels hat das Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg entschieden, das Kanzleramt müsse Angaben dazu machen, ob Merkel das „Schmähgedicht“ über den türkischen Staatspräsidenten Erdogan selbst gesehen hat, bevor sie es öffentlich als „bewusst verletzend“ kritisierte (Az.: 6 S 9.17). Nach dem rechtskräftigen Beschluss muss auch darüber informiert werden, welche weiteren Dokumente die Kanzlerin eingeholt hat, bevor sie ihr Statement abgab.

Bei dem TV-Auftritt im März 2016 hatte sich der Entertainer über Erdogans Empfindlichkeit gegenüber Satire lustig gemacht und dabei symbolisch die Grenzen der Meinungsfreiheit in Deutschland ausgelotet. Ein von Erdogan angestrengtes Strafverfahren wurde eingestellt, zivilrechtlich dauert der Streit um das „Schmähgedicht“ an. Der Straftatbestand der Beleidigung ausländischer Staatsoberhäupter wurde nach der Auseinandersetzung abgeschafft.

Mutmaßlich hatte Merkel das Gedicht gerügt, um Erdogan von einem Strafantrag abzubringen. Böhmermann und sein Anwalt Christian Schertz warfen der Kanzlerin daraufhin eine Kompetenzüberschreitung vor, die „umso schwerer wiegt, als dass sie von der türkischen Regierung als Ermutigung aufgefasst werden konnte, rechtlich gegen Herrn Böhmermann vorzugehen“. Zudem wurde bekannt, dass die Bundesregierung den Auftritt in einem internen Kurzgutachten ebenfalls als strafbar bewertete. Merkel muss nach dem OVG-Beschluss nun auch darüber Auskunft geben, ob sie das Gutachten kannte.

Transparenz schadet hier nicht dem Regierungshandeln

Das Kanzleramt hatte die Informationen unter Berufung auf den unausforschbaren „Kernbereich der Exekutive“ verweigert. Merkel werde in ihrem Handeln eingeschränkt, wenn sie im Nachhinein über die Grundlagen ihrer Entscheidungen öffentlich Auskunft geben müsse, hieß es.

Den OVG-Richtern genügte dies jedoch nicht. Das Regierungshandeln in dem Fall sei abgeschlossen. Das Kanzleramt habe nicht ausreichend dargelegt, weshalb eine künftige Willensbildung durch die Herstellung von Transparenz gefährdet sei. Aus der Sammlung von Vorfeldinformationen könnten noch keine Schlüsse auf den Entscheidungsprozess selbst gezogen werden. Die Sache sei auch eilbedürftig, da die Informationen in engem Zusammenhang mit der Diskussion um den Tatbestand der „Majestätsbeleidigung“ stünden, der zum 1. Januar 2018 aus dem Gesetzbuch gestrichen wird.

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