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Heiko Maas, Bundesjustizminister.

© Paul Zinken/dpa

Gesetze und Informationsfreiheit: Maas mischte bei Sterbehilfe mit

Das Justizministerium prüfte die umstrittene Entwürfe aus dem Bundestag – hält die Ergebnisse aber geheim.

Obwohl sich die Bundesregierung bei dem Thema zurückhalten wollte, hat sie bei der Vorbereitung der im Bundestag diskutierten und verfassungsrechtlich umstrittenen Entwürfe zur Sterbehilfe offenbar eine maßgebliche Rolle gespielt. Das Justizministerium von Minister Heiko Maas (SPD) bestätigte, es habe insbesondere im Jahr 2014 eine „Einschätzung“ zu Vorentwürfen und Eckpunkten sowie zu Fragen einzelner Abgeordneter abgegeben. Worin diese im Einzelnen bestanden hat, will das Ministerium geheim halten. „Die Abgeordneten sollen bei diesem Thema allein ihrem Gewissen verpflichtet sein“, teilte eine Sprecherin mit.

Anders als die meisten Entwürfe im Bundestag stammen die zur Sterbehilfe nicht von der Regierung, sondern von den Abgeordneten selbst. Der Fraktionszwang wird für die Abstimmung aufgehoben. Mit der Neuregelung soll klargestellt werden, ob und inwieweit Ärzte todkranken Patienten das Sterben erleichtern dürfen.

Die amtliche Einschätzung dürfte auch Punkte abhandeln, die in einem vergangene Woche bekannt gewordenen Gutachten der Wissenschaftlichen Dienste des Bundestags stark kritisiert worden sind. Beanstandet wurden die fraktionsübergreifenden Entwürfe der Abgeordnetengruppen um Michael Brand(CDU), Peter Hintze (CDU) und Renate Künast (Grüne). Die Juristen kritisierten die fehlende Klarheit der Regelungen sowie Übergriffe in Landeskompetenzen. Demnach besteht das Risiko, dass ein Gesetz in Karlsruhe später als verfassungswidrig gekippt werden könnte.

Die SPD-Abgeordneten Kerstin Griese und Eva Högl, die zur Brand-Gruppe gehören, erklärten, sie hätten ihren Entwurf im Juni des Jahres kurz vor Veröffentlichung dem Ministerium „mit der Bitte um Prüfung“ zugeleitet. Grundsätzliche Bedenken hätten nicht bestanden.

Der Tagesspiegel hatte bereits vor Wochen nach den Einzelheiten der Vorarbeiten des Ministeriums gefragt und deshalb eine Auskunftsklage vor dem Berliner Verwaltungsgericht erhoben (Az.:27 L 252.15). In dem Rechtsstreit ist das Ministerium der Auffassung, die erbetenen Informationen brächten „keinen Mehrwert für die parlamentarische Beratung“. Die Meinungsbildung der Abgeordneten hinge nicht von der juristischen Bewertung einzelner Eckpunkte und Vorfragen ab, „sondern von der zutiefst persönlichen Einstellung zum Thema“. Würde die Zuarbeit öffentlich bekannt, könne sich die Debatte nicht mehr allein am Gewissen der Abgeordneten orientieren. Die Einschätzung müsse deshalb „außen vor bleiben“.

Mit dieser Haltung setzt sich das Ministerium in Widerspruch zu einem Beschluss des Verwaltungsgerichts vom Januar. Damals hatten die Richter entschieden, das Verkehrsministerium müsse trotz laufender parlamentarischer Beratungen seine Berechnungen zur mittlerweile gestoppten Pkw-Maut vorlegen. Die Bekanntgabe entsprechender Informationen sei für die parlamentarische Beratung im Gesetzgebungsverfahren „nicht nur ungefährlich, sondern sogar hilfreich“. Denn die Informationen ermöglichten es den Mitgliedern des Bundestags, sich kompetenter als ohne sie eine Meinung zu bilden (Az.: VG 27 L 494.14).

Im Bundesjustizministerium hat man diesen Widerspruch erkannt. Im internen Schriftverkehr, der dem Tagesspiegel vorliegt, weist das Justiziariat darauf hin, der Maut-Beschluss des Gerichts lasse „nur wenig Spielraum“ für eine Verweigerung der Auskunft zur Sterbehilfe. „Der Sachverhalt (…) ist mit unserer Situation vergleichbar“.

Die Parlamentarier mit den größten Chancen im Bundestag um Michael Brand (CDU), Griese und Högl wollen die auf Wiederholung angelegte, geschäftsmäßige Hilfe beim Suizid unter Strafe stellen. Die Bundestagsjuristen sehen hier einen möglichen Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot. Es werde nicht klar, wie die geplante Unterscheidung zwischen einer verbotenen geschäftsmäßigen Suizidbeihilfe und einer erlaubten Sterbehilfe aus selbstlosen Motiven im Einzelfall getroffen werden könne.

Auch gegen den Entwurf einer Gruppe um Renate Künast und Petra Sitte (Linke), die nur die „gewerbsmäßige“, also kommerzielle Sterbehilfe bestrafen will, bestehen Bedenken. Denn Ärzte würden grundsätzlich „gewerbsmäßig“ handeln, auch wenn sie Patienten mit Sterbewünschen berieten. Kritisiert wird zudem das Vorhaben der Gruppe um Peter Hintze, mit der bundesrechtlich regulierten Zulassung ärztlicher Suizidbeihilfe die Sterbehilfe-Verbote im ärztlichen Standesrecht außer Kraft zu setzen. Solche Eingriffe seien Ländersache.

Griese und Högl erklärten, ihre Gruppe habe die Verfassungsmäßigkeit von Anfang an im Blick gehabt und sich intensiv von Verfassungsrechtlerinnen und Verfassungsrechtlern beraten lassen. „Einer etwaigen Prüfung durch das Bundesverfassungsgericht sehen wir deshalb gelassen entgegen.“

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