zum Hauptinhalt

Gesetzentwurf gegen Kinderpornografie: Medienrechtler: „,Bloßstellende Bilder' ist kein juristischer Begriff“

Der Gesetzentwurf, mit dem Bundesjustizminister Heiko Maas gegen Kinderpornografie vorgehen will, stößt auf erheblichen Widerspruch - aus ganz verschiedenen Gründen. Medienrechtler Thomas Hoeren beklagt sich vor allem über unklare Begrifflichkeiten.

Von Matthias Schlegel

Im Gesetzentwurf von Justizminister Maas soll auch das Anfertigen und Verbreiten von „bloßstellenden Bildaufnahmen“ unter Strafe gestellt werden. Ist das angemessen?

Nein, aus meiner Sicht sind diese Formulierungen im Gesetzentwurf auch verfassungswidrig. Was sind „bloßstellende Bildaufnahmen“? Da ist eine Abgrenzung zu legalen Bildaufnahmen überhaupt nicht möglich. „Bloßstellen“ ist überhaupt kein juristischer Begriff. Oder was heißt „Aufnahmen in peinlichen Situationen“? Das führt in der Konsequenz zu einem solchen Anpassungsdruck, der verfassungsmäßig nicht geboten sein kann. Jeder Bildjournalist, jeder Fotograf wird sich künftig fragen, was er eigentlich noch ablichten kann. Das halte ich für ein riesiges Problem in einer demokratischen Gesellschaft.

Ist die Absicht, das Verbreiten entwürdigender Bilder im Internet einzudämmen, nicht grundsätzlich richtig und vielleicht nur die Umsetzung unangemessen?

Die Frage ist doch, ob sich ein Pädophiler tatsächlich von einem solchen verschärften Gesetz abschrecken lässt. Da haben meine Wissenschaftlerkollegen, die sich mit dem Thema Kinderpornografie beschäftigen, grundsätzliche Zweifel. Ich glaube nicht, dass sich da viel verändert – außer dass eine Gesellschaft aus Angst vor Kriminalisierung Dinge unterlässt, die normalerweise unter Meinungsfreiheit fallen.

Aber wenn man dem Problem nicht auf diese Weise beikommt, heißt das nicht, dass wir den neuen Medien hilflos ausgeliefert sind?

Nein, das ist dann noch einmal ein ganz anderes Thema. Wenn es um neue Medien geht, muss man über Erziehungsauftrag, über die Sensibilisierung von Kindern, über Medienkompetenz und so weiter reden. Das Strafrecht ist die schlechteste Waffe.

Was wäre also ein sinnvollerer Weg?

Notwendig ist, umfassend gesellschaftlich darüber nachzudenken: Was sind das für Menschen, die solche Fotos machen? Gibt es tatsächlich ein gesamtgesellschaftliches Problem, gegen das man etwas tun muss? Und man muss dabei multifunktional denken. Das Strafrecht zu verschärfen ist immer das einfachste, aber das ist Symbolpolitik. Man kann über Erhöhung von Strafen nachdenken. Das Strafrecht ist ja eigentlich nicht dazu da, zur Anwendung zu kommen, sondern abzuschrecken. Aber stärkere Kriminalisierung löst das Problem nicht.

Thomas Hoeren (52) ist Dekan der Rechtswissenschaftlichen Fakultät der Universität Münster und Direktor des Instituts für Informations-, Telekommunikations- und Medienrecht (ITM).

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false