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Der Tatort des Amoklaufs von München.

© AFP

Gewalt in Deutschland: Was gegen potenzielle Täter getan wird

Die Sicherheitslage in Deutschland ist angespannt. Bundeskriminalamt und Verfassungsschutz haben es mit verschiedenen Gefahren zu tun.

Von Frank Jansen

Die Sicherheitslage in Deutschland ist so angespannt wie selten zuvor seit der Wiedervereinigung. Polizei, Verfassungsschutz und Justiz sehen sich mit mehreren Gefahren konfrontiert: Dass islamistische Terroristen zuschlagen, wie mutmaßlich in Ansbach und Würzburg, oder es zumindest versuchen. Dass Rassisten weiterhin Flüchtlinge und deren Unterkünfte angreifen. Dass nationalistische Türken gewaltsam mit Kurden aneinandergeraten und Gegner Erdogans bedrohen. Hinzu kommen Flüchtlinge sowie schon länger in der Bundesrepublik lebende Migranten, die das Land mit sexistischen Krawallen wie in der Silvesternacht in Köln oder anderen Gewalttaten schockieren – wie etwa in Reutlingen.

Auch wenn jede einzelne Gruppe nur eine kleine Minderheit darstellt, ist die Wirkung ihrer Taten gewaltig. Und das gilt primär für den islamistischen Terror, weil jede Aktion, die ihm zugerechnet wird, in einem noch viel größeren, schrecklicheren Kontext steht: dem globalen Kampf von „Islamischem Staat“ und Al Qaida gegen den Westen und alle Ungläubigen.

Sorgen bereitet den Sicherheitsbehörden vor allem das kontinuierliche Wachstum des Spektrums radikalisierter, militanter Muslime. Das Bundeskriminalamt spricht inzwischen von 510 „Gefährdern“ aus Deutschland. Gemeint sind damit Personen, denen Terrorangriffe zugetraut werden müssen. Nicht alle Gefährder halten sich in der Bundesrepublik auf, viele sind in Syrien und im Irak beim IS. Aber auch dann sind sie für Deutschland gefährlich – als potenzielle Rückkehrer, die womöglich Kampferfahrung gesammelt haben und mit einem Terrorauftrag in die Heimat kommen. Bislang sind nach Erkenntnissen des BKA 840 Salafisten nach Syrien gereist, etwa ein Drittel ist wieder zurück.

Neben den 510 Gefährdern listet das BKA auch mehr als 360 „relevante Personen“ auf. Das sind Leute aus dem Umfeld militanter Islamisten, also potenzielle Unterstützer oder auch Mittäter bei terroristischen Aktionen. In der Regel ordnen Sicherheitskreise die relevanten Personen genauso wie die Gefährder der salafistischen Szene zu. Diese wächst rasant, der Verfassungsschutz spricht jetzt von 8900 Salafisten. Nicht alle sind auf Gewalt fokussiert, auf den Dschihad, aber fast alle Dschihadisten kommen aus der salafistischen Szene.

Einsame Wölfe als Gefahr

In den Statistiken von BKA und Verfassungsschutz fehlt allerdings eine Personengruppe, die kaum zu fassen ist und deshalb als besonders gefährlich gilt. Das sind die „einsamen Wölfe“, meist junge Einzelgänger, rasch radikalisiert über Internet oder persönliche Kontakte, vorher allerdings weitgehend unauffällig. Der Axt-Attentäter von Würzburg war so einer. Riaz Khan Ahmadzai kam 2015 als Flüchtling nach Deutschland, angeblich aus Afghanistan. In Nordbayern lebte Ahmadzai lange in einer Unterkunft für jugendliche Asylbewerber, die alleine in die Bundesrepublik eingereist waren. Dann nahm eine Familie den jungen Mann auf. Möglicherweise war seine Radikalisierung ein schleichender Prozess, jedenfalls scheint die Gewaltbereitschaft blitzartig hochgelodert zu sein, als Ahmadzai vom Tod eines Freundes in Afghanistan erfuhr. Ahmadzai fertigte ein Hassvideo an, in dem er sich „Soldat des Kalifats“ nannte. Mit Kalifat ist der „Islamische Staat“ gemeint.

Der Flüchtling schickte das Video zum IS, die Terrormiliz veröffentlichte es nach der Axt-Attacke, die mit dem Tod Ahmadzais endete. Die Bundesanwaltschaft hat die Ermittlungen übernommen wegen des Verdachts auf einen gezielten Angriff des IS gegen Deutschland.

Das BKA registriert zudem die von den Länderpolizeien gelieferten Hinweise auf Terrorverdacht bei Flüchtlingen. Demnach gibt es seit Anfang 2015 insgesamt 410 Fälle. Meistens handelt es sich allerdings um Angaben von Flüchtlingen über Flüchtlinge, die radikale Reden geschwungen oder Anlass für irgendeinen Streit gegeben haben. Nur in „rund 60“ Fällen seien von Bund und Ländern Ermittlungsverfahren eingeleitet worden, sagt das BKA.

Die Axt-Attacke war der erste vollendete islamistische Anschlag eines Asylbewerbers in Deutschland. Der Sprengstoffanschlag in Ansbach könnte nun der zweite vollendete Terrorangriff eines Flüchtlings gewesen sein.

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