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Wer plant und baut die Autobahnen?

© dpa

Gewerkschaften und Mittelstand protestieren: "Keine schleichende Autobahn-Privatisierung"

Der DGB sieht die Möglichkeit der Privatisierung von Fernstraßen über öffentlich-private Partnerschaften kritisch. Das Baugewerbe will sie sogar grundgesetzlich ausschließen.

Der Widerstand gegen privat betriebene Autobahnen wächst. Am Mittwoch appellierten sowohl der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) als auch die mittelständische Bauwirtschaft an Bund und Länder, im Rahmen der geplanten Bundesfernstraßengesellschaft auszuschließen, dass Autobahnen privatisiert werden können. Auch die Dienstleistungsgewerkschaft Verdi stellt sich gegen die Pläne, die eine Zentralisierung der Fernstraßenverwaltung zum Ziel hat. An diesem Donnerstag kommen Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Ministerpräsidenten zusammen, um die dafür ins Auge gefassten Grundgesetzänderungen zu beraten. Ob es auch zu einem Beschluss kommt, ist allerdings unsicher – auch in den Ländern ist man mit dem vom Bund vorgelegten Gesetzespaket noch nicht einverstanden.

Der DGB-Bundesvorstand lehnt jede Grundgesetzänderung ab, die zu einer „auch mittelbaren“ Privatisierung öffentlicher Infrastruktur führen kann. Gemeint ist damit vor allem die Vergabe des Betriebs und der Nutzungsrechte von Fernstraßen an große Konsortien von Baukonzernen und Finanzinvestoren im Rahmen öffentlich-privater Partnerschaften (ÖPP). Diese Form der „funktionalen Privatisierung“ ist weiterhin möglich, auch wenn auf Druck der SPD die von Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) gewünschte Möglichkeit der Teilprivatisierung der neuen Gesellschaft ausgeschlossen worden ist. Grundsätzlich offen für ÖPP ist in der Bundesregierung neben Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU), der schon einige Autobahnprojekte in dieser Form auf den Weg gebracht hat, vor allem Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel (SPD). Würden sehr große Teilstrecken an ÖPP vergeben, würde das auf eine faktische Privatisierung des Großteils des Autobahnnetzes hinauslaufen. Die Finanzierung der Fernstraßen auch über eine Pkw-Maut und damit eine vollständige Nutzerfinanzierung lehnt der DGB ab, weil sie die Autofahrer und den Wirtschaftsstandort zusätzlich belaste.

Im Verein mit dem Rechnungshof

Wie zuletzt der Bundesrechnungshof hält der Gewerkschaftsbund ÖPP-Projekte für wirtschaftlich zweifelhaft. Sie hätten sich „als für die Allgemeinheit teuer erwiesen“ und stellten eine „schleichende Kapitalprivatisierung öffentlicher Infrastruktur dar“, weil sie in der Regel auf Jahrzehnte hinaus vergeben werden. ÖPP seien nur dann akzeptabel, wenn sie vorher auf ihre Wirtschaftlichkeit hin untersucht würden. Hinter ÖPP-Projekten stehen in der Regel höhere Renditeerwartungen von Privatfirmen und Finanzinvestoren im Vergleich zu Projekten, die der Staat konventionell vergibt. Zudem kann sich der Staat in aller Regel günstiger verschulden als Private, was deren Finanzierung teurer macht. Eine Studie der Universität Leipzig zu Privatisierungen in der Wasserversorgung hat gerade ergeben, dass ÖPP nicht zu Effizienzgewinnen geführt haben, allerdings auch nicht zu höheren Preisen.

Der mittelständisch geprägte Zentralverband Deutsches Baugewerbe (ZDB) befürchtet durch die Bund-Länder-Pläne eine „Privatisierung der Bundesautobahnen durch die Hintertür“. Verbandschef Hans-Hartwig Loewenstein fordert daher, auch die Möglichkeit einer funktionalen Privatisierung etwa über ÖPP im Grundgesetz auszuschließen. „Ansonsten drohen französische Verhältnisse“, sagte Loewenstein am Mittwoch. Die Erfahrungen im Nachbarland zeigten, „dass solche Renditemodelle übersteigende Belastungen zu Lasten der Autobahnnutzer gehen und zu gravierenden Marktkonzentrationen sowie zur Ausschaltung von Transparenz und Wettbewerb führen können.“ Ähnlich bewertet Bundesrechnungshofpräsident Kay Scheller die französischen Erfahrungen.

Neuer Grundgesetzartikel

In einem Gutachten für den ZDB schlagen die Juristen Georg Hermes und Holger Weiß sowie der Verkehrswissenschaftler Thorsten Beckers vor, in den Grundgesetzartikel 90 einen Satz einzufügen, nach dem die „unmittelbare und mittelbare Beteiligung Privater“ an der Fernstraßengesellschaft ausgeschlossen ist. Die Bauwirtschaft ist hinsichtlich der funktionalen Privatisierung allerdings gespalten. Neben dem ZDB lehnt auch die Bundesvereinigung mittelständischer Bauunternehmer ÖPP ab, dagegen werden sie unterstützt vom Hauptverband der Deutschen Bauindustrie, dem die Großunternehmen angehören.

Die Gewerkschaft Verdi geht noch über die DGB-Position hinaus. In einer Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Bundesregierung lehnt die Gewerkschaft die Gründung der Bundesfernstraßengesellschaft als unnötig ab. Statt dessen wird vorgeschlagen, das bestehende System, in dem die Länder im Auftrag des Bundes die Fernstraßen planen, bauen, erhalten und betreiben, verbessert werden sollte. Damit übernimmt Verdi die Haltung der Verkehrsminister der Länder. Mit einer Zentralisierung der Fernstraßenverwaltung, noch dazu in einer privatrechtlich organisierten Gesellschaft, wie bisher vorgesehen, würden „bewährte Strukturen und die gemeinschaftliche föderale Verantwortung für die Verkehrsinfrastruktur abgeschafft“. Weiter heißt es: „Die Einheit des Straßennetzes der Länder aus Bundes-, Landes- und kommunalen Straßen würde gefährdet.“

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