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Giftgas-Anschlag: Deutschland lieferte Syrien Chemikalien

Laut Ausfuhrgenehmigungen hat Deutschland zwischen 2002 und 2006 Chemikalien an Syrien geliefert. Stoffe, die auch für die Giftgasproduktion benutzt werden.

Von
  • Hans Monath
  • Michael Schmidt

Berlin - Deutschland hat Syrien zwischen 2002 und 2006 Chemikalien geliefert, die auch für die Produktion des Giftgases Sarin genutzt werden können. Dies geht aus einer Antwort des Bundeswirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der Linksfraktion hervor, die am Mittwoch bekannt wurde. Danach wurden zunächst von der rot-grünen Bundesregierung und später in den Zeiten der großen Koalition Ausfuhrgenehmigungen für sensible Chemikalien erteilt. Grundlage war die sogenannte „Dual-Use“-Verordnung der EU, wonach der Export der Substanzen nicht generell verboten ist, weil sie auch zivil genutzt werden können. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums, erklärte Syrien damals auf plausible Weise, die Chemikalien sollten zivil genutzt werden. Außenminister Guido Westerwelle (FDP) kündigte eine Prüfung der Berichte an. „Wir werden dem sehr genau nachgehen“, sagte er.

In der Antwort des Wirtschaftsministeriums werden unter anderem mehr als 90 Tonnen Fluorwasserstoff und zwölf Tonnen Ammoniumhydrogendifluorid aufgeführt. „Man kann beide Chemikalien als Basischemikalien für die Chemische Industrie und andere Prozesse verwenden und damit für zivile Zwecke verwenden, man kann sie aber eben auch zur Kampfstoffproduktion, also militärisch einsetzen“, sagte Christoph A. Schalley, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Chemie und Biochemie der Freien Universität Berlin, dem Tagesspiegel. „Es ist eine Abwägungsfrage, ob man beim Export in ein Land wie Syrien darauf vertrauen will, dass die Güter für zivile Anwendungen eingesetzt werden oder nicht“, fügte er hinzu. Ammoniumhydrogendifluorid sei eine Chemikalie, die zum Ätzen von Glas und in der Erdölindustrie genutzt und aus der Fluorwasserstoff hergestellt werden könne – und Fluorwasserstoff sei eine Chemikalie, die unter anderem eine Rolle in der Farbstoffindustrie und bei der Benzinherstellung, aber auch bei der Sarinproduktion spiele. Deshalb sind die Substanzen genehmigungspflichtig. Der Export ist jedoch nicht verboten, da sie auch in der Industrie, etwa bei der Herstellung von Zahnpasta, verwendet werden.

Das Wirtschaftsministerium erklärte, die Genehmigungen seien erfolgt „nach sorgfältiger Prüfung aller eventuellen Risiken“. Es sei aber „falsch, hier einen Zusammenhang mit einer missbräuchlichen Nutzung im Zusammenhang mit Chemiewaffen herstellen zu wollen.“

Der stellvertretende Linkspartei-Vorsitzende, Jan van Aken, erhob schwere Vorwürfe gegen die damaligen Verantwortlichen in den jeweiligen Bundesregierungen. Geliefert worden sei „in ein Land, von dem damals schon alle Welt wusste, dass es ein riesiges Chemiewaffen-Programm betreibt“, sagte er: „Damit könnte sich Deutschland auch an den Toten des Sarin-Angriffes von Damaskus am 21. August mitschuldig gemacht haben.“

Die Bundesregierung zieht aus dem Bericht der UN-Inspektoren über den Einsatz den Schluss, dass das Assad-Regime hinter dem Verbrechen steht. Die Indizien deuteten „klar darauf hin“, erklärte Westerwelle am Mittwoch.

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