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Erkundung: Gorleben - Anweisung von oben

Wie die Regierung Kohl die alleinige Erkundung von Gorleben durchsetzte: Am Donnerstag sagte Professor Helmut Röthemeyer als Zeuge vor dem Gorleben-Untersuchungsausschuss aus.

Die Freiheit der Wissenschaft hat Grenzen. Das gilt auf jeden Fall dann, wenn ein Forscher für eine wissenschaftliche Bundesbehörde arbeitet. Dies hat Professor Helmut Röthemeyer spätestens im Jahr 1983 festgestellt. Wie und in welchem Umfang das damals zuständige Innenministerium und das Kanzleramt auf den Zwischenbericht über die mögliche Eignung des Salzstocks in Gorleben als Endlager für Atommüll Einfluss genommen haben, darüber streitet seit zwei Monaten ein Untersuchungsausschuss. Denn auf der Basis dieses Berichts hat die Regierung Kohl 1983 beschlossen, ein Endlagerbergwerk zu errichten und den Salzstock untertägig zu erkunden.

Am Donnerstag sagte Röthemeyer als Zeuge vor dem Gorleben-Untersuchungsausschuss aus. Sein Fazit: Die Regierung habe keinen Einfluss auf „sicherheitsrelevante fachliche Einschätzungen“ genommen. Aber die Empfehlung, angesichts der „Erkundungsrisiken“ noch weitere Standorte zumindest über Tage zu erkunden, musste Röthemeyer streichen. Gegen den Willen des Innenministeriums, damals die Fachaufsichtsbehörde der Physikalisch-Technischen Bundesanstalt (PTB), konnte sich Röthemeyer damit nicht durchsetzen. Der heute 71-jährige Kernphysiker bezeichnete die Frage nach alternativen Standorten jedoch als „entsorgungspolitische Entscheidung“. Er habe schon in einem Fachgespräch am 11. Mai 1983, zu der uneingeladen auch Vertreter des Innen- und des Forschungsministeriums wie des Kanzleramts erschienen waren, erkannt, dass er sich dagegen nicht stellen könne. Das Gespräch bezeichnete Röthemeyer am Donnerstag als „hart“. Er und seine Mitarbeiter hätten den Wunsch des Innenministeriums, den Hinweis auf alternative Standorte aus dem Text zu streichen, als „Weisung verstanden“, auch wenn später Juristen argumentiert hätten, es sei keine Weisung gewesen.

Die Einschätzung der besagten Juristen, aber offenbar auch von Röthemeyers Chef Professor Dieter Kind, der damals der PTB vorstand, hat sich dann auch in einer Antwort auf eine Kleine Anfrage der Grünen niedergeschlagen. Dort wird rundweg geleugnet, dass es eine Weisung gegeben habe. Auch Kind bestritt stets, dass es eine solche Vorgabe gegeben habe. Allerdings ging bei Röthemeyer wenige Tage nach dem Gespräch vom Mai 1983 auch noch ein Telex aus dem Forschungsministerium ein, in dem erneut die Streichung der Passage verlangt wurde. Zudem wurde vorgeschlagen, die „hypothetischen Annahmen“ bezüglich möglicher Risiken durch Wasserzuflüsse in den Salzstock „aus dem Zentrum der Betrachtung zu rücken“. „Das haben wir aber nicht getan“, sagte Röthemeyer.

Auf die Frage der Opposition, ob es ein Erkundungskonzept für Gorleben gegeben habe, und ob es möglich sei, eine sinnvolle Erkundung zu machen, wenn nur ein Teil der Salz- und damit Nutzungsrechte zur Verfügung steht, antwortete Röthemeyer nicht. Er sagte lediglich, dass sich die PTB mehr Unterstützung aus dem Innenministerium erhofft hätte: „Die Salzrechte müssen wir erwerben.“ Und wenn die Eigentümer ihre Rechte nicht gegen Geld aufgeben, dann müsse das „Parlament die Voraussetzungen schaffen, dass wir die Salzrechte bekommen können“. Wenn also der Bundestag im Atomrecht keine Enteignungsmöglichkeiten schafft, dann dürfte die weitere Erkundung in Gorleben, die Röthemeyer unterstützt, ziemlich schwierig werden.

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