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Kinder in die Kita – doch wessen Eltern zum Beispiel kein Aufenthaltsrecht haben, hat die Chance nicht immer. Auch darüber soll der neue Beirat reden. Foto: Nigel Treblin/dapd

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Politik: Ein Amerikaner für Berlin

Wieder entsteht ein Integrationsgremium – Sachverstand liefert jetzt auch Ex-Botschafter Kornblum

Berlin - Religiöses und Integration verhandelt die Deutsche Islamkonferenz, nur Integration gibt es auf den Nationalen Integrationsgipfeln. Und nun gibt es auch Beratung. Am Montag trat der neue „Bundesbeirat für Integration“ zur konstituierenden Sitzung zusammen. Er soll die Beauftragte der Bundesregierung für Migration, Flüchtlinge und Integration, Staatsministerin Maria Böhmer (CDU), beraten und unterstützen, heißt es im Erlass zur Einrichtung des Gremiums. Mitglieder sind zu etwa einem Drittel Vertreter von bundesweit tätigen Organisationen der Migranten selbst, dazu Repräsentanten von Stiftungen, Sport, Gewerkschaften und Arbeitgebern, Wissenschaft und „bis zu sechs Vertreter/innen der Kirchen- und Religionsgemeinschaften“, so der Text.

Sie hätte den Beirat gern früher eingesetzt, sagte Böhmer, doch erst jetzt sei er durch Ausstattung und Geschäftsstelle arbeitsfähig. Wie er allerdings „der Bundesregierung Flügel verleihen“ soll, wie Ali Toprak sagte, der Vizevorsitzende der Alevitischen Gemeinde, und was die neue „Dialog- und Beratungsstruktur“ konkret bedeutet, von der Böhmer sprach, blieb am Montag unklar. Böhmer nannte fünf Themenfelder, die alle in Arbeitsschwerpunkte bereits bestehender Konferenzen und Gipfel fallen, etwa der Islamkonferenz oder des Nationalen Integrationsplans. Bisher sind zwei Plenarsitzungen pro Jahr geplant. Natürlich seien auch kurzfristige Stellungnahmen möglich, so Böhmer. Die Geschäftsordnung, die das Wie solcher Interventionen regeln müsste, gibt es aber noch nicht.

Kritische Bemerkungen kamen am Montag selbst aus den Reihen der schwarz-gelben Koalition. Der integrationspolitische Sprecher der FDP-Fraktion, Seran Törken, erinnerte daran, dass hier nach dem Integrationsgipfel und der Deutschen Islamkonferenz nun schon das dritte Dialog-Gremium auf Bundesebene entstehe. „Es wäre ein Fortschritt für Deutschland, wenn solche Gremien in Zukunft überflüssig würden.“ Nötig seien Taten, etwa die Modernisierung des Staatsangehörigkeitsrechts oder die Einführung des kommunalen Ausländerwahlrechts. Seine Kollegin von der Linken, Sevim Dagdelen, nannte Böhmer eine „Lügenbaronin“. Noch 2008 habe sie einen solchen Beirat abgelehnt. Die jetzige Struktur stelle aber sicher, so Dagdelen, dass er „eine macht- und wirkungslose Institution von Regierungsgnaden sein wird“; Kritik werde „ praktisch ausgeschlossen“.

Kenan Kolat, der Vorsitzende der Türkischen Gemeinde und Mitglied im Beirat, wiederholte seine Forderung nach einem Einwanderungsministerium. Noch immer werde Integrationspolitik im wesentlichen vom Innenministerium aus sicherheitspolitischer Perspektive gemacht. Nötig sei ein Haus, das etwas für die gesellschaftliche Teilhabe der Einwanderer tue.

Während sehr viele der Beiratsmitglieder, auch auf Migrantenseite, schon in andere Veranstaltungen des Integrationswesens eingebunden sind, hat Staatsministerin Böhmer auch einen Neuling ins Netz geholt, den früheren US-Botschafter und Wahlberliner John C. Kornblum. Er soll die Erfahrungen aus einem Einwanderungsland einbringen, das sich auch so sieht – schon mehr als 200 Jahre länger als Deutschland. Kornblum beschrieb die integrationspolitische Lage denn auch gleich in einer Weise, die Wasser auf die Mühlen derer sein dürfte, die mehr Teilhabe fordern.

Kornblum, der nach seinen Worten länger in Deutschland lebt „als ich zugeben möchte“, lobte zwar die Aufnahmeleistung des Landes nach 1945. Gekommen seien Flüchtlinge aus dem Osten, Arbeitsmigranten, Asylsuchende und Einwanderer aus der UdSSR. Folglich sei sehr viel mehr gut als schlecht gelaufen. Aber: „Es gibt Länder, wo man sich rascher als Teil der Gesellschaft fühlt als hier. Das ist in Deutschland auch nach Jahrzehnten noch schwierig.“ Ihn selbst störten diese Hürden kaum, aber er wisse, wie hoch sie für viele Einwanderer lägen. Kornblum riet zum zügigen Abbau – im eigenen Interesse: „Eine Gesellschaft, die aufnahmebereit ist, hat größere Chancen als eine, die Schranken aufbaut.“

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