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Kommentar: Horst Köhler hat einen Vorwand gesucht

Die Politik, die globale wie die nationale, läuft an ihm vorbei. Wo er reden müsste, schweigt er. Wo er schweigen sollte, redet er. Selbst sein Abgang hat etwas Lächerliches. Ein Kommentar zu Horst Köhlers Rücktritt.

Man greift sich fassungslos an den Kopf: Der Bundespräsident tritt wegen der Reaktionen auf missverständliche Äußerungen im Zusammenhang mit dem Afghanistaneinsatz der Bundeswehr zurück! Seine Kritiker unterstellten ihm, er befürworte einen grundgesetzwidrigen Einsatz der Bundeswehr, sagt er nun. Das sei ein Zeichen für fehlenden Respekt vor dem Amt und deshalb trete er ab. Sofort.

Diese Begründung ist, man kann es nicht anders sagen, lächerlich. Kein Politiker von Gewicht hat dem Staatsoberhaupt unterstellt, er wolle unsere Verfassung vergewaltigen. Er habe mal wieder, wie schon öfter, ungeschickt formuliert – ja, das war der Kern der Kritik. Aber einen solchen Vorwurf muss man aushalten. Wer davor in die Knie geht, ist entweder zu weich für das Amt oder er sucht einen Vorwand.

Letzteres ist der Fall. Horst Köhler hat gespürt, dass diese zweite Amtszeit glücklos werden wird. Erneut antreten kann er nicht, die Politik, die globale wie die nationale, läuft an ihm vorbei. Wo er reden müsste, schweigt er. Wo er schweigen sollte, redet er. Mitten in der Weltfinanzkrise und während des Ansturms auf den Euro hätte er kraft Amtes und kraft Erfahrung Wegweisung geben können. Hätte.

Köhlers Rücktritt zu diesem Zeitpunkt ist schlimmer als Oskar Lafontaines Fahnenflucht aus dem Amt des Finanzministers. Wie gut, dass das Grundgesetz dem Bundespräsidenten keine Macht gegeben hat. Nicht auszudenken, wir hätten neben der politischen Krise, die der Rücktritt zweifelsohne auslösen wird, auch noch eine Verfassungskrise.

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