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Wieder aufgetaucht: Hamed Abdel-Samad ist am Leben und wieder frei.

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Update

In Kairo verschwundener Publizist: Hamed Abdel-Samad ist wieder frei

Erleichterung bei seiner Familie und Freunden: Der am Sonntag in Kairo verschwundene deutsch-ägyptische Publizist Hamed Abdel-Samad ist aufgetaucht und befindet sich wieder im Kreis seiner Familie.

Das berichtete am Dienstagabend der marokkanische Aktivist Kacem El Ghazzali auf Facebook nach einem Telefonat mit dem Bruder Mahmud des Autors. Nach dessen Angaben wolle der Entführte in Kürze selbst über die Hintergründe seines mysteriösen Verschwindens berichten. Hamed Abdel-Samad war am Sonntagnachmittag auf dem Weg von seinem Hotel zur Kairoer Al-Azhar Park von Unbekannten in einem schwarzen Wagen verfolgt und dann von maskierten Männern verschleppt worden. Für 48 Stunden fehlte von ihm jede Spur, sein Handy war abgeschaltet.

Seit Jahren gehört der Politologe, der aus Ägypten stammt und deutscher Staatsbürger ist, zu den profiliertesten Kritikern des fundamentalistischen Islam und der Muslimbrüder. Erst vor vier Monaten hatte ihn der ägyptische Salafisten-Prediger Assem Abdel-Maged im Fernsehen für vogelfrei erklärt, nachdem Abdel-Samad den Islam in einem Vortrag am Nil als verspäteten religiösen Faschismus bezeichnet hatte. „Er hat den Propheten beleidigt. Und wer den Propheten beleidigt, muss getötet werden, selbst wenn er bereut“, lautete das blutrünstige Verdikt. Seither erhielt der Verfemte Morddrohungen per Internet, reiste damals umgehend aus Ägypten ab und hielt sich auch in Deutschland zunächst versteckt. Seine Familie in Ägypten würde ebenfalls wüst beschimpft und eingeschüchtert. Nach dem Sturz von Präsident Mohammed Mursi erließ die Justiz Haftbefehl gegen Assem Abdel-Maged, konnte ihn aber bisher nicht festnehmen.

Aus diesem Grund schloss die ägyptische Polizei bei ihren Ermittlungen zunächst eine Entführung durch islamistische Fanatiker nicht aus. Gleichzeitig jedoch verdichtete sich der Verdacht, dass das Verschwinden des Publizisten auf Streitigkeiten mit ägyptischen Geschäftspartnern des 41-Jährigen zurückgeht, die ihm offenbar eine hohe Summe Geld schulden. Das ägyptische Nachrichtenportal „youm7“ berichtete am Abend, die Kairoer Polizei ginge inzwischen von einem kriminellen Hintergrund aus.

Die Kairoer Polizei geht von einem kriminellen Hintergrund aus

Auch der Bruder des Entführten, Mahmud Abdel-Samad, hatte zuvor in verschiedenen Rundfunkinterviews Andeutungen in diese Richtung gemacht und erklärt, Hamed sei im November trotz der islamistischen Morddrohungen eigens nach Kairo zurückgekehrt, um 240.000 Euro einzutreiben, die er einheimischen Geschäftspartnern geliehen habe. Bei der Staatsanwaltschaft in Al-Chanka, einem Vorort nahe Kairo, läuft nach Angaben der Familie dazu bereits ein Ermittlungsverfahren.

Hamed Abdel-Samad, geboren 1972 in Ägypten, kam im Alter von 23 Jahren nach Deutschland, wo er zunächst in Augsburg Politologie studierte. Anschließend forschte er am Institut für Islamwissenschaften in Erfurt und am Institut für Jüdische Geschichte und Kultur der Universität München. In Deutschland bekannt wurde er durch die satirische TV-Serie „Entweder Broder - Die Deutschland-Safari“ an der Seite von Henryk M. Broder. Im Februar 2011 reiste Abdel-Samad während Arabischen Frühlings nach Kairo und hat sich seitdem auch als Kommentator über das post-revolutionäre Ägypten einen Namen gemacht.

In seinem 2009 erschienenen Buch „Mein Abschied vom Himmel. Aus dem Leben eines Muslims in Deutschland“ setzte er sich mit den inneren Widersprüchen und der Doppelbödigkeit muslimischer Gesellschaften auseinander. Ein Jahr später folgte das Buch „Der Untergang der islamischen Welt“, in dem er die Ideologie des politischen Islam scharf kritisiert und für eine moderne Interpretation der Religion wirbt. Die arabisch-islamischen Staaten würden ihr Gewaltmonopol verlieren, prognostizierte er damals, „was zu Unruhen bis hin zur Anarchie führen kann“.

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