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Landesamt für Verfassungsschutz in Erfurt

© Martin Schutt/dpa

Update

Innenpolitiker der GroKo zu Rot-Rot-Grün: Wird Thüringen ohne V-Leute "brandgefährlich"?

Rot-Rot-Grün in Thüringen will V-Leute des Verfassungsschutzes nur im Einzelfall einsetzen. Aus der GroKo gibt's daran Kritik - für Linke und Grüne unverständlich.

Von Matthias Meisner

Die Pläne der rot-rot-grünen Landesregierung in Thüringen, die Verbindungsleute des Verfassungsschutzes fast alle "abzuschalten", stoßen bei den zuständigen Fachleuten der großen Koalition im Bund auf Vorbehalte. Sowohl der innenpolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Burkhard Lischka, als auch sein Unionskollege Stephan Mayer kritisieren das innenpolitische Kapitel des Koalitionsvertrages in diesem Punkt.

Lischka sagte dem Tagesspiegel: "Im Hinblick auf den Einsatz von V-Leuten ist offensichtlich, dass es Reformen nicht nur auf bundes-, sondern auch auf landespolitischer Ebene geben muss. Und klar ist auch, dass gerade in diesem hochsensiblen Bereich das Motto gelten muss: ,Weniger ist manchmal mehr'."

Der SPD-Politiker fügte hinzu: "Allerdings sehe ich eine, bis auf wenige Ausnahmen begrenzte, komplette Abschaltung von V-Leuten kritisch. Häufig findet man zu extremistischen Gruppierungen nur Zugang mit Hilfe eben solcher V-Personen. Darauf sollten wir nicht verzichten, denn gewaltbereiter Extremismus muss beobachtet und erkannt werden, damit man ihn wirkungsvoll bekämpfen kann.“

Stephan Mayer (CSU) ist innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag
Stephan Mayer (CSU) ist innenpolitischer Sprecher der Unionsfraktion im Bundestag

© Bernd von Jutrczenka/dpa

Deutlich schärfer formulierte der CSU-Innenpolitiker Mayer seine Kritik. "Brandgefährlich ist der grundsätzliche Verzicht auf den Einsatz von V-Leuten, ohne den in vielen Bereichen verfassungsfeindlicher Bestrebungen keine sinnvolle Aufklärung zu leisten ist", sagte er dem Tagesspiegel. "Es ist schleierhaft, wie Thüringen mit einer solchen Haltung im Verfassungsschutzverbund gegenüber dem Bund und den anderen Ländern noch auf Augenhöhe auftreten möchte."

Mayer ergänzte: "Der explizite Verzicht auf dringend benötigte Ermittlungsinstrumente wie der Zugriff auf verschlüsselte Kommunikation von Straftätern und Terroristen oder die Diskreditierung der polizeilichen Arbeit im Bereich der zunehmenden illegalen Migration als ,racial profiling' zeigen ebenfalls: der Schutz der Bürgerinnen und Bürger in Thüringen ist zukünftig nicht mehr in guten Händen."

Burkhard Lischka ist innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion
Burkhard Lischka ist innenpolitischer Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion

© Soeren Stache/dpa

Lischka: Volksrepublik Thüringen wird nicht ausgerufen

Lischka, dessen Partei in Thüringen gemeinsam mit Linken und Grünen regieren will, äußerte sich grundsätzlich positiv zu den Erfurter Vereinbarungen. "Die ,Volksrepublik Thüringen' wird durch den Koalitionsvertrag ganz sicher nicht ausgerufen", erklärte er. "Die im rot-rot-grünen Koalitionsvertrag getroffenen Vereinbarungen stellen stattdessen moderate, aber notwendige Veränderungen – auch im Bereich der Innenpolitik – dar. Es wird vor allem deutlich, dass Thüringen seiner besonderen Verantwortung im Kontext der NSU-Mordserie gerecht werden will, indem die Empfehlungen des Untersuchungsausschusses ,Rechtsterrorismus und Behördenhandeln' umgesetzt werden."

Der SPD-Innenpolitiker meinte weiter: "Es ist besonders positiv zu bewerten, dass es im Bereich der Polizeiarbeit unter anderem eine stärkere Sensibilisierung hinsichtlich rechter, menschenverachtender Straftaten geben wird. Auch die explizite Stärkung des Datenschutzes im Rahmen des Polizeiaufgabengesetzes ist ausdrücklich zu begrüßen. Gerade vor dem Hintergrund einer zunehmenden Skepsis gegenüber den Sicherheitsbehörden ist es richtig und wichtig, die Bürgernähe und -freundlichkeit der Polizei zu stärken."

Linke verzichtet auf Abschaffung des Verfassungsschutzes

Als Konsequenz aus dem Versagen der Thüringer Ermittlungsbehörden bei der Suche nach dem aus Jena stammenden rechten Terrortrio NSU soll nach den Plänen von Rot-Rot-Grün der Verfassungsschutz erneut reformiert werden. V-Leute dürfen nur noch in Einzelfällen eingesetzt werden. Die Linksfraktion Thüringen reagierte auf Twitter auf die Einwände der GroKo-Innenpolitiker. Sie schrieb: "Offenbar kennen die ,Experten' die V-Mann-Skandale in Thüringen nicht."

Grüne: V-Leute in der rechten Szene eher ein Risiko

Irene Mihalic, Innenpolitikerin der Grünen-Bundestagsfraktion, widersprach Lischka und Mayer. "In Thüringen haben sich die V-Leute in der rechten Szene gerade im Zusammenhang mit den Ermittlungen zum NSU-Terror eher als Risiko für die innere Sicherheit entpuppt", sagte Mihalic dem Tagesspiegel. "Von daher sind eher diejenigen in der Beweispflicht, die im Bereich Rechtsextremismus trotzdem weiter auf V-Leute setzen. Sie müssen begründen, warum sie sich weiterhin auf dieses sicherheitspolitische Glatteis begeben wollen."

Die Linke, die in Thüringen mit Bodo Ramelow den ersten Ministerpräsidenten ihrer Partei stellen will, hat bei ihren Verhandlungen mit SPD und Grünen etliche Zugeständnisse gemacht. Sie ließ unter anderem ihr ursprüngliches Ziel fallen, den Verfassungsschutz ganz abzuschaffen. Die Wahl von Ramelow im Erfurter Landtag ist für den 5. Dezember geplant.

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