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© AFP

CIA: Doppelagent Al Balawi: Der Täuscher

Er galt der CIA als wertvolle Quelle. Dann richtete er seine Waffe gegen die eigenen Leute: Al Balawi, der Sprengstoffattentäter, war ein Al-Qaida-Mann.

Seine Verbindungen zu Al Qaida ließen den Mann so wertvoll für die CIA erscheinen. Doch sie machten ihn zugleich zu einer tödlichen Bedrohung für die amerikanischen Agenten. Im Idealfall hätte der Jordanier dem US-Geheimdienst den Weg zur Ermordung Ayman Al-Zawahiris weisen sollen, der Nummer zwei des Terrornetzwerks im Grenzgebiet zwischen Afghanistan und Pakistan. Stattdessen brachte er Mord und Totschlag in die Reihen der CIA. Der Jordanier trug einen Sprengstoffgürtel unter der Kleidung, als er sich an Silvester zum Treffen mit Amerikas Agenten im Osten Afghanistans nahe Khost aufmachte.

Er war ein Doppelagent.

Der vermeintliche Überläufer riss sieben CIA-Experten und seinen jordanischen Führungsoffizier mit in den Tod. Es ist ein schwerer Rückschlag für Amerikas Feindaufklärung an der derzeit wohl wichtigsten Front im Kampf gegen den Terror. Die betroffene CIA-Station auf der Militärbasis Chapman bei Khost spielte eine Schlüsselrolle beim Einsatz der unbemannten Drohnen, die auf ihrem Flug über die Rückzugsgebiete von Al Qaida und Taliban in den Stammesgebieten auf der pakistanischen Seite Echtzeitbilder liefern und auch zu Luftangriffen auf Führungsfiguren des Terrornetzwerks eingesetzt werden.

Rein zahlenmäßig ist es der höchste Verlust an CIA-Agenten durch einen einzigen Angriff seit dem Anschlag auf die US-Botschaft in Beirut 1983. Zugleich wurde die jahrzehntelange Aufbauarbeit eines Teams von Islam-Experten und Spezialisten für die Grenzregion Afghanistan-Pakistan ausgelöscht. Die „Namen unserer Gefallenen“, wie der Dienst das formuliert, werden traditionell nicht veröffentlicht. US-Medien schreiben, es sei auch eine Mutter von drei Kindern dabei.

Die Informationen, die nach einer Woche allmählich an die Öffentlichkeit sickern, klingen wie eine der Geschichten aus der Welt der Spionageromane von John le Carré – und dort enden sie immer tragisch. In dieser Welt sind die Waffen zweischneidig. Das gilt auch für Menschen, die die Geheimdienste als Waffen gegeneinander einzusetzen versuchen. Man weiß nie, gegen welche Seite sie sich am Ende richten. Man will die Gegenseite infiltrieren – und wird von ihr infiltriert.

Der 36-jährige Jordanier war unter mindestens drei verschiedenen Identitäten bekannt. Als Arzt in Jordanien benutzte er den Namen Humam Khalil Mohammed. Im Internet verbreitete er als Abu Dujana al Khorasani Hass-Episteln gegen den Westen und speziell die USA. „Wenn ein Gotteskrieger einen US-Soldaten auf einem Panzer tötet, haben die Anhänger des Dschihad zehntausende Amerikaner getötet durch die Massenverbreitung dieser Nachricht“, schrieb er dort kürzlich. „Er gehörte zu den fünf wichtigsten Stimmen der Dschihadisten“ im Internet, sagte Jarret Brachman, ein US-Experte für islamistische Foren und Buchautor, der „New York Times“.

Auf der anderen Seite, bei den islamischen Extremisten, firmierte er offenbar als Humam Khalil Abu Mulal Al Balawi. Der TV-Kanal Al Dschasira meldete als Erster, ein Mann namens Al Balawi habe den Anschlag verübt – unter Berufung auf ein Bekennerschreiben Al Qaidas. Beim jordanischen Geheimdienst galt der Mann als eine so wichtige und wertvolle Quelle, dass eine genauere Körperkontrolle unterblieb, als sein jordanischer Führungsoffizier, Ali bin Zeid, ihn am vergangenen Mittwoch auf die US-Militärbasis Chapman brachte. Auch für Amerikas Geheimdienstler war er kein Unbekannter. „Wir hatten schon früher mit ihm zusammengearbeitet“, sagt ein Antiterrorspezialist der „Washington Post“. In jüngerer Zeit habe er wertvolle Informationen geliefert, die zu Operationen gegen Extremisten im Grenzgebiet führten. Jordanien hatte den Arzt als Agenten während einer Gefängnisstrafe rekrutiert, die er für seine islamistische Propaganda erhalten hatte. Er stammt aus Zarqa, derselben jordanischen Stadt wie Abu Musab al Zarqawi, der 2006 ermordete Führer der Al Qaida im Irak. Al Balawi habe damals hilfreiche Hinweise geliefert.

Doch wer kann schon ganz sicher sein, dass die Darstellungen, die nun nach außen sickern, der Wahrheit entsprechen? Vielleicht gehören auch sie zu den Täuschungsmanövern der Dienste. Jordanien und die USA haben wenig Interesse, dass das Ausmaß ihrer Kooperation im Kampf gegen islamische Extremisten bekannt wird. Denn die genießen in weiten Teilen der jordanischen Bevölkerung durchaus Sympathien. Bin Zeid, der jordanische Führungsoffizier, erhielt freilich nun ein Staatsbegräbnis in Amman, zu dem auch König Abdullah II. kam – die beiden sind Vettern. Die Aufdeckung dieser Verbindung hat es den USA vermutlich erleichtert, nun selbst mehr Informationen preiszugeben.

Anfangs hatte es geheißen, der Attentäter sei ein ortsansässiger Mann, der sich als Informant andienen wollte und in afghanischer Armeeuniform, die vermutlich gestohlen war, Zutritt zur Militärbasis erhielt. Den Sprengstoffanschlag hatte er angeblich auf das Fitnesscenter verübt, wo sich zufällig CIA-Personal aufgehalten habe. War das gezielte Irreführung? Oder eine nachvollziehbare Verwechslung im Chaos direkt nach der Explosion, auch wegen der Uniform des jordanischen Führungsoffiziers unter den Leichen?

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