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Hamid Karsai: "Wahlbetrug gibt es überall"

Den strahlenden Sieger gab Hamid Karsai nicht, als er am Donnerstag erstmals seit den Wahlen in seinem hoch gesicherten Palast vor die Presse trat. Afghanistans Präsident weiß, dass er tatsächlich um sein politisches Überleben kämpft.

Karsai wies Vorwürfe zurück, seinen Sieg erschwindelt und bis zu 1,1 Millionen Stimmen gefälscht zu haben. Die Wahlen seien rechtmäßig gewesen. „Wenn es Betrug gab, dann war es gering – das passiert überall in der Welt“, sagte Karsai. Die Medien hätten von groß angelegtem Betrug berichtet, aber das stimme nicht, sagte er auf Englisch. Seine Worte galten wohl den USA und dem Westen, die ihm die absolute Mehrheit wegen Betrugs noch aberkennen und so eine Stichwahl erzwingen könnten.

Wie die britische Zeitung „Guardian“ berichtete, wird eine Stichwahl zwischen Karsai und seinem Rivalen Abdullah Abdullah immer wahrscheinlicher. Das Wahlduell sei in fünf Wochen möglich, zitierte die Zeitung einen westlichen Diplomaten. Eine Stichwahl ist in der internationalen Gemeinschaft jedoch umstritten. Viele befürchten eine neue Serie von blutigen Anschlägen. Am Donnerstag bewiesen die Taliban erneut, dass selbst die Hauptstadt Kabul nicht mehr sicher ist. Bei einem Selbstmordattentat auf einen Nato-Konvoi wurden sechs italienische Soldaten und mindestens zehn Afghanen getötet. 50 Menschen wurden verletzt. Vier Wochen nach dem Wahldesaster dauert die politische Ungewissheit in Afghanistan an. Zwar ließ sich Karsai nun mit 54 Prozent zum vorläufigen Sieger erklären. Aber falls die vom Westen dominierte Wahlbeschwerdekommission ihm so viele Stimmen aberkennt, dass er unter 50 Prozent fällt, muss er in ein Wahlduell mit Abdullah ziehen, der bei 28 Prozent liegt. Die EU-Wahlbeobachter glauben, dass 1,5 der 5,5 Millionen Wahlzettel gefälscht oder zumindest verdächtig sind. Davon seien 1,1 Millionen auf Karsai entfallen, weitere 300 000 auf Abdullah.

Die Behörden haben laut „Guardian“ bereits begonnen, neue Wahlpapiere zu drucken. Allerdings ist fraglich, ob eine Stichwahl glaubwürdiger wäre als die erste Wahl. Der hereinbrechende Winter und die schlechte Sicherheitslage würden Millionen Afghanen vom Wählen fernhalten. Mit einer Serie von Attacken hatten die Taliban versucht, bereits die Wahlen am 20. August zu torpedieren.

Doch es bleibt noch eine Option: Abdullah und Karsai könnten sich zusammentun. Die USA machen keinen Hehl daraus, dass sie mit Karsai unzufrieden sind und Abdullah in die Regierung holen wollen. Doch bisher sträuben sich die Rivalen gegen einen solchen Deal. Das Ringen hinter den Kulissen dürfte in den nächsten Tagen weitergehen.

Christine Möllhoff

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