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US-Geheimdienste: Iran ist Jahre von Atombombe entfernt

Wie gefährlich ist Iran? Ein Bericht von US-Geheimdiensten widerspricht überraschend der Regierungsposition, wonach Teheran mit Macht nach der Atombombe strebt. Hat Bush die atomare Gefahr absichtlich übertrieben?

Das iranische Atomprogramm ist nach einem gemeinsamen Bericht aller US-Geheimdienste offenbar weit weniger bedrohlich, als von der US-Regierung dargestellt. In ihrem "National Intelligence Estimate" kommen die 16 US-Geheimdienste zu dem Schluss, dass Teheran im Herbst 2003 als Reaktion auf den internationalen Druck sein Atomwaffenprogramm eingestellt habe. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass das Programm inzwischen wieder aufgenommen worden sei. Die US-Demokraten forderten ein Umdenken in der Iran-Politik. Die britische Regierung bezeichnete den internationalen Druck auf Teheran als weiterhin gerechtfertigt.

Irans Führung erscheine "weniger entschlossen, eine Atomwaffe zu entwickeln", als dies in den vergangenen zwei Jahren von der US-Regierung angenommen wurde, heißt es in dem Bericht. Weiterhin heißt es dort, dass Iran zumindest bis zum Jahr 2015 die technischen Möglichkeiten für den Bau einer Atombombe fehlen würden. Das Land werde bis dahin "technisch nicht in der Lage sein, genug Plutonium für den Bau herzustellen und aufzubereiten". Ein Ende des Atomstreits sei aber nur dann zu erreichen, wenn Iran von sich aus die politische Entscheidung treffe, "das Ziel einer eigenen Atomwaffe aufzugeben".

Teheran gab sein Atomprogramm 2003 auf

Den Stopp des iranischen Atomprogramms führen die US-Geheimdienste auf den internationalen Druck auf Iran zurück. "Wir urteilen mit hoher Gewissheit, dass der Stopp in erster Linie eine Reaktion auf wachsende internationale Aufmerksamkeit und Druck war." Dies lasse vermuten, dass Iran "verwundbarer auf Einfluss (von außen) ist als wir bislang vermuteten". Dies lege nahe, "dass Teherans Entscheidungen eher auf einer Kosten-Nutzen-Analyse beruhen als auf einem Streben nach der Waffe ohne Berücksichtigung der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Kosten".

US-Präsident George W. Bush und Vertreter seiner Regierung werfen Iran seit Jahren vor, ein verdecktes Programm zum Bau einer Atomwaffe zu verfolgen. Die US-Geheimdienstexperten schreiben hingegen: "Wir urteilen mit mäßiger Gewissheit, dass Iran mit Stand Mitte 2007 sein Atomwaffenprogramm nicht wieder aufgenommen hat." Einschränkend fügen sie hinzu: "Wir wissen nicht, ob er derzeit die Absicht hat, Atomwaffen zu entwickeln." Mit "hoher Gewissheit" sei aber davon auszugehen, dass Einheiten des iranischen Militärs noch bis 2003 "unter Führung der Regierung" an einem solchen Programm gearbeitet habe.

Demokraten fordern neue Iran-Politik

Bushs Nationaler Sicherheitsberater Stephen Hadley erklärte, der Bericht enthalte "einige positive Nachrichten". Er zeige, dass die internationale Gemeinschaft "Fortschritte" gemacht habe in dem Bemühen, Iran vom Bau einer Atombombe abzuhalten. Der Bericht gebe dabei "Anlass zur Hoffnung, dass das Problem diplomatisch gelöst werden kann". Die internationale Gemeinschaft müsse den Druck nun weiter erhöhen, bis Iran vollständig auf den Bau der Waffe verzichte. Hadley äußerte die Hoffnung, dass die UN-Vetomächte Russland und China sich unter dem Eindruck des Berichts nicht in ihren Vorbehalten gegen schärfere Sanktionen des UN-Sicherheitsrates gegen Teheran bestätigt sähen.

Auch London will den Druck auf Iran im Atomstreit aufrecht erhalten. Die Schlussfolgerungen des Berichts rechtfertigten die bisher getroffenen Maßnahmen der internationalen Gemeinschaft, sagte eine Sprecherin des britischen Außenministeriums. Die Sprecherin des US-Repräsentantenhaus, Nancy Pelosi, forderte dagegen eine Neubestimmung der Iran-Politik Washingtons. Ähnlich äußerte sich der demokratische Mehrheitsführer im Senat, Harry Reid.

In Berlin erklärte das Auswärtige Amt, Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) sei von Washington vorab über den Bericht informiert worden, der "eine Reihe interessanter Einzelheiten" enthalte. Steinmeier sehe sich in seiner Einschätzung bestätigt, "dass der von der internationalen Gemeinschaft gewählte doppelte Ansatz von Anreizen und Maßnahmen des UN-Sicherheitsrates richtig war". Der Minister wollte demnach noch am Montagabend mit seiner US-Kollegin Condoleezza Rice über den Bericht sprechen. (ho/AFP)

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