zum Hauptinhalt
320627_0_034fd35c.jpg

© dpa

Zypern: Angst vor der Wiedervereinigung

Streit um Zypern: Viele türkische Bewohner wollen eine endgültige Teilung der Insel

Altay Onuray hat sein Hotel auf einem schönen Fleckchen Erde gebaut. Der Garten erstreckt sich bis ans glitzernde Meer außerhalb der zyprischen Hafenstadt Kyrenia, die bei den Türken Girne heißt. Es ist ruhig und friedlich, keine Spur von Massentourismus. Ein Paradies, könnte man meinen. Doch die Idylle täuscht. Onuray hat Angst.

Sein schönes Fleckchen Erde gehörte bis zum Jahr 1974 einem Griechen, der damals vor den anrückenden türkischen Interventionstruppen floh. Auch der heute 70-jährige türkische Zyprer Altay Onuray ist ein Flüchtling. Er kam nach Kyrenia, nachdem er von den Griechen aus seiner Heimat in Kophinou im Süden der Insel vertrieben worden war. Sein jetziges Land erhielt er von den türkisch-zyprischen Behörden als Entschädigung für einen im griechischen Inselsüden verlorenen Besitz.

Einer Wiedervereinigung des griechischen Inselteils mit seinen 700 000 Einwohnern mit der türkischen Minderheit von etwa 200 000 Menschen steht Onuray deshalb skeptisch gegenüber. Zu viel Blut sei geflossen im Krieg zwischen den Volksgruppen in den Jahren vor 1974. „Wie einen Zigarettenstummel“ habe die griechische Mehrheit die türkische Minderheit damals zerquetscht, sagt er. „Und die Welt hatte kein Mitleid.“

Mit Sorge betrachtet Onuray deshalb die Bemühungen um eine Wiedervereinigung. An diesem Sonntag wird UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zu Gesprächen in Zypern erwartet. Der Besuch hat Spekulationen über einen Durchbruch in den Verhandlungen zwischen Griechen und Türken auf der Insel angeheizt.

In ihren seit September 2008 laufenden Verhandlungen haben der griechisch-zyprische Präsident Dimitris Christofias und der türkisch-zyprische Volksgruppenchef Mehmet Ali Talat zuletzt offenbar Fortschritte erzielt. Nach seinem jüngsten Treffen mit Christofias, bei dem es um die Machtverteilung zwischen Griechen und Türken in einem vereinten Bundesstaat Zypern ging, sprach Talat von einer „wirklich ernsthaften Annäherung“.

Christofias und Talat stehen vor einem Berg von Problemen. Zypern ist seit einem griechischen Putsch und der anschließenden türkischen Militärintervention im Sommer 1974 geteilt. Der türkische Sektor erklärte sich 1983 zu einem unabhängigen Staat, wird aber nur von der Türkei anerkannt. Der letzte Einigungsversuch scheiterte vor sechs Jahren, als die griechischen Zyprer einen von den Inseltürken angenommenen UN-Friedensplan ablehnten, anschließend aber trotzdem – ohne die Inseltürken – in die EU aufgenommen wurden. Die Türkei weigert sich bis heute, den griechischen Inselteil anzuerkennen, was ihre problembeladene EU-Kandidatur noch weiter belastet.

Ankara hat deshalb ein Interesse an einer Einigung, und Talat ist aus türkischer Sicht der richtige Mann dafür. Der Volksgruppenführer, der wie Christofias aus Kyrenia stammt, ist ein überzeugter EU-Anhänger. Doch die Zeit drängt. Am 18. April wählen die türkischen Zyprer einen neuen Chef, und laut Umfragen liegt Talat weit abgeschlagen hinter seinem nationalistischen Gegenkandidaten Dervis Eroglu, einem Anhänger der „Zwei-Staaten-Lösung“, einer endgültigen Teilung der Insel. Auch deshalb ist der Besuch von Ban Ki Moon ein wichtiges Signal.

Als wäre alles nicht schon schwierig genug, hat der Fall eines britischen Ehepaares namens Linda und David Orams dem Zypernkonflikt noch eine weitere Komplikation beschert. Wie andere Ausländer auch hatten sich die Orams im türkischen Teil Zyperns ein Häuschen gekauft – auf einem ehemals griechischen Grundstück. Dessen ursprünglicher Besitzer konnte aufgrund einer EU-Richtlinie bei der britischen Justiz durchsetzen, dass die Orams entweder ihr Haus auf Zypern abreißen müssen oder mit ihrem Besitz in Großbritannien haften. Die Orams haben inzwischen ihr Haus in Zypern geräumt.

Im türkischen Teil Zyperns schlug kürzlich die Nachricht von der Entscheidung im Fall Orams ein wie eine Bombe, denn das Urteil könnte direkte Folgen für die Verhandlungen von Talat und Christofias haben. In den Gesprächen ist die ungelöste Eigentumsfrage eines der Haupthindernisse – die Orams-Entscheidung könnte nun bedeuten, dass die griechische Seite auch ohne Verhandlungen mittels ihrer EU-Mitgliedschaft ihre Position durchsetzen kann. Auf vielen Grundstücken der fast 170 000 Griechen, die 1974 vor den türkischen Truppen flohen, wohnen heute türkische Zyprer, Ausländer oder Siedler vom türkischen Festland. Umgekehrt flohen 40 000 türkische Zyprer wie Altay Onuray vor den Griechen in den türkischen Sektor.

Aus der Sicht Onurays wäre es deshalb gut, wenn es bei der Teilung bliebe. Er will auf keinen Fall in seine alte Heimat im griechischen Südsektor zurück. „Wir wissen aus ihrer Presse und ihrem Fernsehen, was sie für uns übrig haben, und das ist nichts als Hass.“ Die Präsenz der mehreren zehntausend türkischen Soldaten auf der Insel, die von den Griechen als widerrechtliche Besatzung betrachtet wird, ist aus Onurays Sicht eine Art Lebensversicherung. „Wenn die türkische Armee hier abzieht und die Griechen es wieder versuchen, dann glaube ich nicht, dass uns irgendeine andere Macht retten kann“. sagt er. „Schon gar nicht die EU.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false