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Internet-Überwachung in Großbritannien: Die Briten, die Allesseher

Überwachungsskandal weitet sich aus: Nach der umstrittenen Datenüberwachung der USA wird nun eine deutlich umfangreichere Internetüberwachung des britischen Geheimdienstes aufgedeckt. Die Bundesjustizministerin spricht von einem „Albtraum à la Hollywood“.

Von Michael Schmidt

Erst „Prism“, jetzt „Tempora“: Zwei Wochen nach Bekanntwerden der umstrittenen US-Datenüberwachung hat der Informant Edward Snowden laut „Guardian“ eine noch weitaus größere Telefon- und Internetkontrolle durch den britischen Geheimdienst offengelegt. Durch das Anzapfen von Glasfaserkabeln habe der Dienst GCHQ (Government Communications Headquarters) weltweit Telefonate und E-Mails speichern und analysieren können, berichtet die britische Tageszeitung. GCHQ sei „schlimmer als die US(-Kollegen)“, wird Snowden zitiert. Seit Mai 2012 hätten 300 britische Spezialisten mit 250 Kollegen des US-Geheimdienstes NSA die GCHQ-Daten ausgewertet. Neben E-Mails, Einträgen im sozialen Netzwerk Facebook oder auch Telefongesprächen werden nach den Angaben für das britische Spionageprogramm „Tempora“ auch persönliche Informationen der Nutzer 30 Tage lang gespeichert. Snowdens Dokumente belegten, dass der britische Geheimdienst jeden Tag 600 Millionen Telefonverbindungen erfasse. Angeblich sollen 850 000 NSA-Mitarbeiter und beauftragte Spezialisten Zugang zu den britischen Überwachungsdaten haben. Nähere Erläuterungen zu dieser riesigen Personenzahl wurden nicht gegeben.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger zeigte sich entsetzt. „Treffen die Vorwürfe zu, wäre das eine Katastrophe. Die Vorwürfe gegen Großbritannien klingen nach einem Albtraum à la Hollywood“, sagte die FDP-Politikerin. „Die Aufklärung gehört sofort in die europäischen Institutionen.“

CDU-Politiker Wolfgang Bosbach nennt die Datenspeicherung "völlig inakzeptabel"

Der CDU-Politiker Wolfgang Bosbach hat angesichts der neuen Enthüllungen über Datenausspäh-Programme auch in Großbritannien Differenzierung angemahnt. Es sei ein fundamentaler Unterschied, ob Kommunikationsinhalte gespeichert würden, weil es den begründeten Verdacht einer Gefahr für die innere Sicherheit oder Hinweise auf die Verbreitung von Massenvernichtungswaffen gebe, oder ob Daten und Inhalte "einfach auf Verdacht" gespeichert werden, "nach dem Motto, wer weiß wofür wir sie einmal gebrauchen können“, sagte Bosbach dem Berliner "Tagesspiegel".

Eine solche Speicherung auf Verdacht nannte der CDU-Politiker "völlig inakzeptabel". Bosbach mahnte zudem dringend eine internationale Abstimmung beim Thema Datensicherheit an. „Die USA und Großbritannien haben ein anderes Verständnis von Datenschutz und Datensicherheit als wir“. Er sehe die Gefahr, dass die Bürger andernfalls das Vertrauen in den Staat verlieren.

Bei der Daten-Ausspähung auch Betriebsgeheimnisse inbegriffen

An einem besseren Datenschutz müssten seiner Meinung deswegen nach auch alle Internetfirmen "ein überragendes Interesse" haben. Der CDU-Politiker warnte zudem vor „gravierenden wirtschaftlichen Nachteilen für wissensbasierte Wirtschaften wie unsere“. Es gehe bei der Daten-Ausspähung ja nicht nur "um die Kommunikation von Mensch zu Mensch, sondern auch um Betriebsgeheimnisse und Forschungsergebnisse". Wie, fragte Bosbach, will der Westen China glaubhaft gegenübertreten, wenn er selbst massenhaft Kommunikationsdaten speichere.

Die US-Behörden haben unterdessen ein Strafverfahren gegen den in Hongkong untergetauchten Informanten Snowden eingeleitet. Wie US-Medien berichteten, werden Snowden Geheimnisverrat und Diebstahl von Regierungseigentum vorgeworfen. Der 30-Jährige hatte vor seinen Enthüllungen als IT-Spezialist im Auftrag der NSA gearbeitet und zahllose Dateien kopiert. (mit dpa)

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