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Interview mit Armin Laschet: „Die Menschen wollen keinen Wechsel der Politik“

Der Chef der CDU in Nordrhein-Westfalen über die schwierigen Verhandlungen mit der SPD und warum Volksentscheide oft die schwierigere Lösung sind.

Von
  • Robert Birnbaum
  • Antje Sirleschtov

Herr Laschet, drei Wochen Verhandlungen über einen Vertrag für die große Koalition und es wird über Mindestlohn und Steuererhöhungen gesprochen. Hat die SPD die Wahl gewonnen?

Natürlich nicht. Bis jetzt liegen noch nicht viele Ergebnisse vor und die, die es gibt, tragen die Handschrift der Union. Eines ist die Energiewende. Die Union hat im Wahlkampf versprochen, dass es dabei um bezahlbaren Strom für die Verbraucher und für die Industrie geht. Das Ziel ist erreicht. Auch im Bereich Europa ist klar: Es wird keine Vergemeinschaftung von Schulden geben. Die Union hat sich durchgesetzt.

Das hört sich manchmal ganz anders an.

Kein Wunder. Das Grundproblem dieser Koalition ist: Wir finden, wir haben bisher gut regiert, die Menschen vertrauen der Union und haben uns beinahe mit absoluter Mehrheit gewählt. Das war keine Entscheidung für einen Politikwechsel. Die SPD kommt aus der Opposition. Die will alles ändern und stellt mehr Forderungen. Und das ist ja auch legitim. Die SPD tut das manchmal sehr lautstark unter Hinweis auf ihre Basis und den Abstimmungsprozess, der dort im Dezember bevorsteht. Die Sozialdemokraten sollten dabei nicht vergessen: Auch wir haben eine Basis und wir müssen dieser Basis am Ende auch erklären, wie der Koalitionsvertrag mit dem Wahlergebnis übereinstimmt.

Wie groß ist Ihre Neigung, mit Rücksicht auf die SPD-Basis Zugeständnisse im Vertrag zu machen?

Es wird Zugeständnisse geben. Das ist klar. Wir wollen, dass Deutschland eine gute und stabile Regierung bekommt. Aber die Zugeständnisse dürfen nicht so groß sein, dass die Unionswähler ihre Stimmen zur Bundestagswahl nicht mehr vertreten finden. Eines ist klar: Die Menschen sind mit unserer Politik zufrieden und wollen, dass dies nicht gefährdet wird.

Was versprechen Sie Ihren Wählern?

Das Land steht gut da, weil wir in Deutschland und Europa wirtschaftspolitisch vieles richtig gemacht haben. Unser Ziel im Wahlkampf war, den Haushalt zu konsolidieren, ab 2015 keine neuen Schulden zu machen und die Steuern nicht zu erhöhen. Wir wollen mit dem Geld auskommen, das wir haben. Dazu muss man weiter an der Wettbewerbsfähigkeit arbeiten, etwa an den Strompreisen. Und wenn das Land 2017 so gut dasteht wie jetzt, wäre das schon ein großer Erfolg. Das zweite ist die Anerkennung von Kindererziehungszeiten durch eine Verbesserung der Rente für Mütter, die vor 1992 Kinder bekamen. Und das dritte Thema ist die Erneuerung der Infrastruktur. Wenn man in Leverkusen nicht mehr über den Rhein fahren kann, ist das kein Zustand für ein Industrieland unserer Größe. All das haben wir unseren Wählern versprochen und darauf können sie vertrauen.

Von großen Koalitionen erwartet man große Projekte. Wie sieht das große Projekt dieser Koalition aus?

Es geht nicht um große Projekte. Wenn wir die Wettbewerbsfähigkeit des Landes erhalten, Deutschland zukunftsfähig machen und die Energiewende erfolgreich umsetzen können, ist schon viel getan. Allein das Thema Energie ist von seiner Bedeutung noch gar nicht richtig erkannt. Das ist eine Mammutaufgabe, die in ganz Deutschland gelöst werden muss. Dazu braucht es einen neuen Konsens über den Energiemix weit über den Bundestag hinaus und das kann am besten eine große Koalition.

Zunächst hat die SPD jetzt erst mal beschlossen, in Zukunft auch mit der Linkspartei regieren zu wollen. Ist es legitim, noch während der Hochzeitsvorbereitungen anderen schöne Augen zu machen?

Das ist jedenfalls keine vertrauensbildende Maßnahme. Ich verstehe, so wie Peer Steinbrück, nicht, warum es diesen Parteitagsbeschluss ausgerechnet jetzt geben muss. Wir stehen in den Vorbereitungen für eine Regierung, die nächste Bundestagswahl ist 2017. Bis dahin hätte es schon noch Gelegenheiten gegeben. Und vielleicht sollte man vor so einer grundsätzlichen Öffnung erst einmal genauer hinsehen: Es gibt immer noch SPD-Innenminister, die die Linkspartei als verfassungsfeindlich beobachten lassen. Dieser Verdacht hätte erst einmal abgeräumt werden müssen, bevor man die Partei als Koalitionspartner im Bund anerkennt. Das sendet auch das Signal: Wir können auch anders.

Maut und Mindestlohn - das kleinere Übel?

Hält diese Koalition vier Jahre lang?

Das ist unser Ziel. Die Mehrheit im Bundestag für Rot-Rot-Grün ist so knapp, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass sich die SPD auf ein solches Abenteuer einlässt. Das würde die Partei zerreißen.

Am Tisch der Koalitionsverhandler sieht man nur fröhlich Gesichter. Ist das Fassade oder verstehen sich die Gegner von gestern besser?

Der Umgang mit den Kollegen ist gelöst, oft sogar sehr freundlich. Wir kennen uns ja aus vielen Jahren der Zusammenarbeit. Aber inhaltlich ist es oft sehr schwierig. Dennoch: Ich sehe keinen Grund, warum die große Koalition scheitern sollte.

Die SPD-Spitze besteht auf Einführung eines einheitlichen flächendeckenden Mindestlohnes von 8,50 Euro. Ist das für Sie eine Art Geiselhaft: Regieren nur mit Mindestlohn?

Alles, was man plant, muss vernünftig sein und darf Arbeitsplätze nicht gefährden.

Welche Zugeständnisse wird es an die SPD geben?

Ich würde das gar nicht Zugeständnis nennen. Auch die Union hat das Thema Mindestlohn lange auf der Agenda. Wir finden nur das Instrument nicht richtig. 8,50 Euro, flächendeckend, starr, ohne regionale Unterschiede in ganz Deutschland und vom Parlament beschlossen: Das alles zusammen ist ein Fehler. Politik soll sich nicht in Lohnfindung einmischen. Und gleicher Lohn in der Uckermark und der Münchner Innenstadt? Das hilft niemandem. Außerdem gibt es Tarifverträge mit Einstiegslöhnen unter 8,50 Euro. Die Gewerkschaften werden Gründe haben, so etwas abzuschließen. Sollen wir das alles einfach vom Tisch wischen? Das ist ein Problem, mit dem die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland steigen könnte. Das kann die Union schwer akzeptieren. Wir haben Verantwortung für die wirtschaftliche Entwicklung auch der neuen Bundesländer.

Was der SPD der Mindestlohn ist, ist der CSU ihre Maut. Was ist schwerer zu ertragen?

Die SPD trägt vor, was in ihrem Wahlprogramm stand. Darauf kann man sich einstellen. CDU und CSU hatten auch ein Wahlprogramm, ein gemeinsames sogar. Das Problem ist nun: Die CSU trägt Forderungen vor, die nicht im gemeinsamen Wahlprogramm von CDU und CSU stehen. Es ist legitim, solche Wünsche vorzutragen. Aber man darf dann auch nicht so tun, als stehe irgendwer in der Pflicht, die Wünsche umzusetzen. Wahlprogramme sind die Grundlage der Koalitionsverhandlungen.

Also keine Maut mit der CDU in Nordrhein-Westfalen?

Ich kenne derzeit kein Modell, das europatauglich wäre und vorliegt. Das Reden über eine Maut ist also wie Fahren im Nebel: Man sieht nicht, wohin es geht. Wenn die KfZ-Steuer gesenkt wird und jeder die Vignette kaufen muss, dann gibt es nur durch Ausländer Zusatzeinnahmen, die die Vignette kaufen. Bei 43 Millionen Autos à 100 Euro Vignette muss die KfZ-Steuer um 4,3 Milliarden Euro gesenkt werden. Nun werden aber nicht alle Inländer eine Vignette kaufen und die Ausländer machen nur 5 Prozent der Autos aus. Wenn nur jeder Dritte der Deutschen keine Vignette kauft, fehlen 1,2 Milliarden Euro in der Kasse des Finanzministers und die Maut wird zum Haushaltsrisiko. Und das ist nur ein Thema. Es gibt riesigen Streit um ökologische Lenkungswirkung und soziale Gerechtigkeitsfragen. Und selbst wenn alle Fragen zur Zufriedenheit beantwortet werden, bin ich als Nordrhein-Westfale immer noch dagegen. Denn eines ist klar: Unsere Nachbarländer Belgien, Niederlande und Luxemburg haben keine Maut. Sie werden sofort nachziehen und unsere Bürger werden dann drei Vignetten zahlen, um zur Küste zu kommen. Das lehnen wir ab.

Die Bayern denken auch über Volksabstimmungen auf Bundesebene nach.

Ich bin ein Anhänger der parlamentarischen Demokratie, in der immer die Möglichkeit besteht, in schwierigen Fragen Kompromisse zu schließen. Viele Probleme sind oft zu schwierig, um sie auf die Alternative von Ja und Nein zu reduzieren. Und wenn man den Menschen sagt, ihr dürft nicht über schwierige Sachen entscheiden, dann sagen sie zu Recht: Ihr wollt uns über Wichtiges nicht fragen. Die Bundesrepublik ist seit über 60 Jahren erfolgreich mit der repräsentativen Demokratie gefahren. Das sollten wir nicht ändern.

Noch ein Wort zum Doppelpass, bitte.

Ich war nie ein leidenschaftlicher Anhänger des Doppelpasses, aber er ist heute schon bei über 50 Prozent der Einbürgerungen die Regel, da jeder EU-Bürger ihn bekommt und Bürger aus arabischen Ländern, die oft nicht ausbürgern, ebenfalls. Aber: Wir werden in diesen Koalitionsverhandlungen sicher eine Lösung finden.

Zur Person
Als Chef der CDU in Nordrhein-Westfalen ist man nicht Irgendwer in der Union. Der Landesverband ist groß, wer ihn kontrolliert, ist mächtig. Armin Laschet hat oft und lange um dieses Amt gekämpft. Zuletzt hat er verloren gegen Norbert Röttgen, obwohl der aus Berlin zum innerparteilichen Kampf einflog. Röttgen hat dann das hohe Amt verspielt, Laschet es errungen. Er ist 52 Jahre alt.
Armin Laschet ist das, was man eine rheinische Natur nennt. Er stammt aus Aachen, ist tief verwurzelt im Katholizismus, aber dunkle Gedanken lässt er selten durchblicken. Laschet ist ein Politiker, der Politik mit einem Lachen machen kann.

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