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Shimon Peres trifft hier Ende Januar 2001 den damaligen Palästinenserführer Jassir Arafat.

© dpa

Interview mit Historiker Wolffsohn: "Peres personifizierte die Ethik des Kompromisses"

Nahostexperte Michael Wolffsohn spricht über das politische Vermächtnis des verstorbenen israelischen Ex-Präsidenten Shimon Peres und seine Bedeutung für das Verhältnis zu Deutschland.

Was bedeutet Shimon Peres‘ Tod für Israel?

Das Ende der Epoche von David Ben-Gurion, des legendären und wirklich bedeutenden Staatsgründers Israels. Shimon Peres war Schüler, Mitarbeiter und Vollender des „Alten“.

Welchen Stellenwert hatte für Peres die Aussöhnung mit den Palästinensern?

Den höchsten. Dieses Werk bleibt allerdings unvollendet, weil die Gesellschaften der beiden Konfliktparteien extremer wurden. Sie denken nur von heute auf morgen. Peres dachte in geschichtlichen Zeitabschnitten. Das heißt: Zeitweilige Tiefschläge dürfen nicht die Tagesordnung bestimmen.

Gibt es mit Blick auf den Nahen Osten so etwas wie ein politisches Vermächtnis?
Ja: Wenn jede Seite nur ihr Recht sieht oder das, was sie dafür hält, sind Konflikte dauerhaft programmiert. Peres personifizierte die Ethik des Kompromisses. Jedoch: Wie fast alle in der Welt dachte er zu wenig an föderative Strukturen. Die richtige Formel heißt: Frieden durch Föderalismus

Michael Wolffsohn lehrte von 1981 bis 2012 an der Universität der Bundeswehr München Neuere Geschichte.
Michael Wolffsohn lehrte von 1981 bis 2012 an der Universität der Bundeswehr München Neuere Geschichte.

© Doris Spiekermann-Klaas

Wie groß ist Peres‘ Bedeutung für die deutsch-israelischen Beziehungen?

Nach und mit Ben-Gurion war er der Brückenbauer schlechthin. Kongenial in Deutschland waren beziehungsweise sind nur Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel.

Was hat Sie persönlich an Peres besonders beeindruckt?
Erstens war er nicht nur für einen Politiker ungewöhnlich, sprich: erfreulich gebildet. Zweitens hat Peres gezeigt, dass auch vermeintliche Dauerverlierer kämpfen und siegen sowie Menschen und Politik prägen können. Drittens dachte er über den Tag hinaus und konnte sich, viertens, mit einstigen Gegnern - sogar seinen Feinden - versöhnen.

Michael Wolffsohn (69) ist Historiker, Publizist und Nahost-Experte. Er lehrte von 1981 bis 2012 an der Universität der Bundeswehr München Neuere Geschichte.

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