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Yasmin Fahimi

© Thilo Rückeis

Interview mit SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi: „Die Linkspartei fühlt sich wohl in der Fundamentalopposition“

Yasmin Fahimi über das Verhältnis der Sozialdemokraten zur Linkspartei, ihre Pläne als Generalsekretärin und Sigmar Gabriels Aufwandsentschädigung.

Von
  • Hans Monath
  • Antje Sirleschtov

Frau Fahimi, Sigmar Gabriel hat sich mit den Parteichefs der Linkspartei getroffen. Pflegen Sie auch den Gesprächskontakt?

Es ist doch meine Aufgabe als Generalsekretärin, Kontakte zu anderen Parteien zu pflegen. Mit Blick auf die Linke ist dieser Kontakt bisher aber nicht besonders intensiv.

Das heißt?

Ich hatte noch keine direkten Gespräche mit der Spitze der Linkspartei.

Nach dem Öffnungsbeschluss der SPD hatten viele erwartet, dass die Parteispitze nun mit Blick auf 2017 die Kontakte intensiviert. Warum tut sie das nicht?

Ganz einfach: Meine Partei befindet sich gerade mal sechs Monate in der Koalition. Die Regierungsarbeit steht jetzt im Vordergrund. Die SPD gibt in der Koalition den Takt vor, das ist gut. Wir wollen die SPD stark machen, bevor wir uns umsehen, wer für uns 2017 als Koalitionspartner infrage kommt.

Welche Bedeutung hatte das Treffen Gabriels mit der Linken-Spitze?

Die Aufmerksamkeit, die manche dem Treffen beigemessen haben, halte ich für übertrieben. Das war ein normales Gespräch unter Parteichefs.

Muss die SPD nicht früh damit beginnen, eine mögliche Koalition mit der Linkspartei 2017 auszuloten?

Wir müssen früh damit beginnen, die SPD bei der nächsten Bundestagswahl über 30 Prozent zu bringen. Unser Ziel ist es, die nächste Bundesregierung anzuführen. Meine Aufgabe ist es jetzt, die SPD sowohl organisatorisch wie thematisch aufzustellen.

Was denken die SPD-Mitglieder über ein ?

Der Öffnungsbeschluss, den wir vergangenes Jahr getroffen haben, war ein wichtiger Schritt. Seither ist eine Zusammenarbeit zwischen der SPD und der Linkspartei kein generelles Tabu mehr. Allerdings liegen noch immer Welten zwischen unseren politischen Vorstellungen, weshalb ich im Moment die Voraussetzungen für ein Bündnis mit der Linken nicht sehe.

Wäre Deutschland bereit zu einer solchen Koalition?

Es ist gar nicht die Frage, ob Deutschland dazu bereit wäre. Ich frage mich, ob die Linkspartei dazu bereit wäre. Ich kann nicht erkennen, dass Gysi & Co. einen eigenen Beitrag zu dem sozial-ökologischen Gesellschaftsprojekt von SPD und Grünen leisten wollen. Im Bund möchte die Linkspartei nicht gestalten, sondern fühlt sich wohl in der Fundamentalopposition.

Was spricht gegen eine Koalition mit der Linkspartei?

Die Partei ist in sich tief zerrissen, Reformkräfte und Betonsozialisten stehen sich unversöhnlich gegenüber. Blicken Sie nur auf die Außen- und Sicherheitspolitik: Da gefällt sich die Linkspartei in einer völlig unkritischen prorussischen Haltung in der Ukraine-Krise, die an Nibelungentreue erinnert. Ich finde, der Abstand zur SPD hat sich zuletzt eher vergrößert als verringert.

Der brandenburgische Landtagsabgeordnete Norbert Müller nannte Bundespräsident Joachim Gauck einen widerlichen Kriegshetzer. Ist es bezeichnend, dass er aus der Linkspartei kommt?

Die Äußerung ist unsäglich, vergiftet das politische Klima und nährt Zweifel, ob die Linkspartei bereit ist, Verantwortung für dieses Land zu übernehmen.

Reden wir über das Verhältnis von SPD und Linkspartei in den Ländern. Nach der Landtagswahl in Thüringen wird die SPD im Herbst wahrscheinlich vor der Wahl stehen, ob sie einer CDU-Ministerpräsidentin erneut die Mehrheit sichert oder erstmals einen Politiker der Linkspartei wählt. Darf die SPD der Juniorpartner von Bodo Ramelow werden?

In der SPD gibt es zu dieser Frage eine klare Beschlusslage: Die Landesverbände entscheiden in Eigenregie über mögliche Koalitionen.

Die Parteizentrale würde sich nicht einmischen, wenn sie Nachteile befürchtet?

Mit Blick auf Thüringen werde ich als Generalsekretärin kein Veto einlegen.

Frau Fahimi, Vizeparteichef Ralf Stegner ist in den Medien dauerpräsent – viel stärker als Sie. Er wollte ursprünglich Generalsekretär werden. Macht er jetzt Ihren Job mit einem anderen Titel?

Dieses Thema scheint die Medien brennend zu interessieren, kaum eine Frage wird mir von Berliner Journalisten häufiger gestellt.

Nervt Sie das Thema?

Ich kann Sie beruhigen: Ralf Stegner und ich verstehen uns gut, pflegen eine enge Zusammenarbeit und bringen die SPD gemeinsam nach vorne. Dabei behält natürlich jeder seinen eigenen Stil bei: Ich möchte nicht das Klischee bedienen, dass Generalsekretäre zwanghaft die Wadenbeißer der Nationen geben müssen. Ich möchte die Inhalte voranbringen, die mir wichtig sind.

Was haben Sie sich für die nächsten Monate vorgenommen?

Organisatorisch plane ich eine Nachbarschaftskampagne, um die SPD in der Fläche zu stärken. Zugleich beginnen wir eine Grundsatzdebatte über die gesellschaftlichen Herausforderungen der digitalen Revolution. Die Partei muss die gute Regierungsarbeit der SPD flankieren.

Wird demnächst mein Nachbar mit dem Programm der SPD vor der Tür stehen und mir einen Mitgliedsantrag hinhalten?

Wir haben in der Tat im letzten Bundestagswahlkampf sehr gute Erfahrungen damit gemacht, Menschen dort anzusprechen, wo sie leben. Der Tür-zu-Tür- Wahlkampf und der Mitgliederentscheid haben der SPD viel Schwung gegeben. Diesen Schwung nutzen wir jetzt: Wir gehen wieder stärker in die Kieze und fragen die Leute, wo sie der Schuh drückt. Unsere Gesellschaft hat sich stark verändert, ist vielfältiger geworden. Die Bedeutung von Vereinen hat abgenommen, stattdessen wächst das bürgerschaftliche Engagement, von der Elterninitiative bis zum Kieztreff. Auch wir verändern unsere Parteiarbeit und wollen noch vielfältiger werden.

Steht denn die SPD heute nicht mitten in der Gesellschaft?

Nichts ist so gut, dass man es nicht noch besser machen könnte. Nur wenn wir am Puls des Lebens sind, können wir moderne Politik für die Menschen machen. Erste Parteipflicht ist also: zuhören.

Wie soll das funktionieren, wird Sigmar Gabriel demnächst beim Elternabend auftauchen?

Genau darum geht es: Schon heute sitzen häufig Sozialdemokraten bei Elternabenden mit am Tisch. Ihre Erfahrungen wollen wir stärker nutzen. Das Willy-Brandt- Haus wird noch mehr Dienstleister für die Partei in den Ländern und Kommunen. Und wir geben Hilfe zur Selbsthilfe. Demnächst stellen wir Organisationsberater ab, die einzelnen SPD-Gliederungen zur Seite stehen, ihnen Tipps geben, wie sie ihre Veranstaltungen noch attraktiver machen und noch besser mit den Menschen ins Gespräch kommen können.

Stichwort digitale Gesellschaft – worum geht es da?

Im Augenblick erleben wir eine digitale Revolution, die unsere Gesellschaft fundamental verändert. Es geht längst nicht mehr nur um Internet und Smartphones. Die digitale Welt krempelt unser gesamtes Leben um. Damit verbindet sich eine ganze Reihe tiefgründiger Fragen, die wir diskutieren werden. Es geht um die Risiken, aber auch um die Chancen. Es geht um die persönliche Freiheit, um die Sicherheit unserer privaten Daten, auch um Arbeitsprozesse. Wir merken das doch bereits: Via Internet sind Arbeitnehmer rund um die Uhr erreichbar. Das schafft Flexibilität, kann aber auch dazu führen, dass wir niemals Feierabend haben.

Will die SPD ein Feierabend-Gesetz erlassen und Kindern verbieten, ab 18 Uhr zu twittern?

Wir wollen die Digitalisierung nicht aufhalten, sondern sie in die richtigen Bahnen lenken.

Was heißt das konkret?

Nehmen wir das Beispiel Arbeitszeit. In den nächsten 15 Monaten wollen wir erörtern, was passiert, wenn die Digitalisierung die Grenze zwischen Arbeit und Privatleben faktisch aufhebt. Da geht es um Arbeitnehmerrechte, um Datenschutz, um die Gesundheit der Beschäftigten. Als Politik müssen wir den Rahmen dafür schaffen, dass Arbeitnehmer und Arbeitgeber neue Formen der Arbeit aushandeln. Ein verlässlicher Feierabend ist ein Menschenrecht.

Frau Fahimi, im Gegensatz zur CDU bezahlt die SPD ihren Vorsitzenden für seine Arbeit zusätzlich zum Ministergehalt und der halben Abgeordnetendiät. Ist der Job des SPD-Chefs so viel schwieriger als der einer CDU-Vorsitzenden?

Es handelt sich um eine sehr niedrige Aufwandsentschädigung, die auch Vorgängern von Herrn Gabriel gezahlt wurde. Ich betrachte dies als eine interne Angelegenheit der SPD.

Warum verweigert die SPD der Öffentlichkeit die Auskunft?

Wir verweigern doch keine Auskunft, sondern weigern uns nur, uns an der künstlichen Empörung darüber zu beteiligen. Ich habe nicht den Eindruck, dass dieses Thema die Menschen umtreibt.

Yasmin Fahimi, 1967 geborene Tochter eines iranischen Vaters und einer deutschen Mutter, studierte an der Universität Hannover Chemie mit Diplomabschluss. Seit 1984 ist Fahimi SPD-Mitglied und engagierte sich zunächst bei den Jusos. In der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IGBCE) leitete sie zuletzt die Grundsatzabteilung. IGBCE-Chef Michael Vassiliadis ist ihr Lebensgefährte. Fahimi, die in der SPD auf Bundesebene bis dahin wenig hervorgetreten war, wurde im Januar auf einem Sonderparteitag der SPD zur Nachfolgerin von Andrea Nahles gewählt. Das Gespräch führten Hans Monath und Antje Sirleschtov.

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