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Mohammed Deif gilt vor allem als Aushängeschild der Hamas. Ob er als Kommandeur der Kassam-Brigaden fungiert, wird von Experten bezweifelt.

© AFP

Update

Israel wollte Terrorist gezielt töten: Mohammed Deif - das Phantom

Bei einem israelischen Luftangriff auf ein Haus in Gaza sind die Ehefrau und der Sohn von Mohammed Deif ums Leben gekommen. Israel bestätigte den Versuch der gezielten Tötung des Mannes, der als Drahtzieher der Hamas gilt. Israel veröffentlichte nur ein einziges Foto von ihm.

Nach dem Scheitern von Waffenruhe-Verhandlungen in Kairo ist der Gaza-Krieg wieder voll entflammt. Militante Palästinenser feuerten rund 70 Raketen auf Israel, die israelische Armee griff Dutzende von Zielen im Gazastreifen an. Israel bestätigte am Mittwoch auch den Versuch einer gezielten Tötung des Militärchefs der im Gazastreifen herrschenden Hamas. Nach Angaben der Hamas kamen bei dem Luftangriff auf ein Haus in Gaza am Dienstagabend die Ehefrau und der kleine Sohn von Mohammed Deif ums Leben. Zunächst war von einer getöteten Tochter die Rede gewesen. Die palästinensischen Rettungsdienste bestätigten zwei Todesopfer, eine Frau und ein zweijähriges Kind, und sprachen von 45 Verletzten. Israelische Medien berichteten am Mittwoch, die Identität eines dritten Toten bei dem Angriff auf Deif sei noch unklar. Bei einem weiteren Luftangriff wurden acht Mitglieder einer palästinensischen Familie getötet.

Deif war jahrelang Anführer der Kassam-Brigaden

Mohammed Deif ist Israels meistgesuchter Mann - und ein Phantom. Fünfmal sollen das israelische Militär und der Geheimdienst versucht haben, ihn umzubringen. 2006 soll er bei einem Angriff so schwer verletzt worden sein, dass er gelähmt blieb. Ob er bei den jüngsten Militärschlägen in der Nacht zum Mittwoch getroffen wurde, war zunächst unklar. Trotz seiner Prominenz gibt es bis heute kaum Informationen über Deif. Israel wirft ihm vor, er dirigiere den Gaza-Krieg aus dem Untergrund. Zuletzt hatte sich Deif Ende Juli mit einer verrauschten Ton-Aufnahme an die Öffentlichkeit gewandt. „Die Zionisten werden keine Sicherheit haben, bis das palästinensische Volk in Frieden lebt“, sagt der Mann auf dem Tonband mit scheppernder Stimme. Einen Waffenstillstand werde es so lange nicht geben, „bis die Belagerung von Gaza aufgehoben ist und die Grenzen offen sind“. Deif war jahrelang Anführer der Kassam-Brigaden, einer militärischen Untergrundorganisation, die als der bewaffnete Arm der Hamas gilt. Er soll für zahlreiche Anschläge verantwortlich sein: Laut israelischem Militär plante Deif Attentate nicht nur, sondern war auch selbst am Bombenbau beteiligt. Die Armee gab ihm deshalb einen Spitznamen: „Der Ingenieur“. Für seine Aktionen war Deif in den höchsten terroristischen Kreisen ausgebildet worden. Jahja Ajasch, der in den 1990er Jahren knapp ein Dutzend Bomben für Attacken auf Israel baute, hatte Deif das Handwerk gelehrt. Ajasch war Elektroingenieur und wie kein anderer mit der Materie vertraut. Er wurde 1996 vom israelischen Geheimdienst getötet. Kurz zuvor hatte sich sein Zögling Deif den Kassam-Brigaden angeschlossen.

Seit den Neunzigerjahren wird er von Israel gejagt

Seitdem wird Deif von Israel gejagt. Als der Friedensprozess um die Jahrtausendwende für kurze Zeit in Gang kam, forderte Israel die Festnahme und Auslieferung des Terroristen. Die PLO willigte ein, nahm Deif fest und stellte ihn unter Hausarrest. Doch ein knappes Jahr später, im April 2001, wurde Deif freigelassen. Ein Jahr später übernahm er die Leitung der Kassam-Brigaden, nachdem der damalige Kommandant Saleh Schahada bei einem Bombardement der israelischen Armee umgekommen war. Nun war Deif ihr neues Top-Ziel. Ein einziges Foto haben die israelischen Behörden von ihm veröffentlicht. Es zeigt einen jungen Mann mit schmalem Gesicht und Schnauzbart. Wann und wo Deif geboren ist, wie er aufwuchs und wie es ihm geht - darum ranken sich bis heute nur Gerüchte. Israelische Sicherheitskreise vermuten, dass Deif seit 2012 wieder die Kassam-Brigaden befehligt. Wahrscheinlicher ist allerdings, dass er nur noch als Aushängeschild der Hamas fungiert. „Ich vermute, dass er eher ein Symbol ist als ein aktiver Kommandeur“, sagte der Friedensaktivist Gerschon Baskin der Online-Zeitung „Times of Israel“. Baskin hatte 2011 beim Austausch des Soldaten Gilad Schalit zwischen der Hamas und Israel vermittelt. Deif sei der Geist, der Mythos der Hamas, sagt Baskin. Die Hamas-Kämpfer sehen zu ihm auf - ein Aufruf des „Ingenieurs“ könnte ihren Kampfgeist stärken.

Beide Seiten machen sich für Ende der Feuerpause verantwortlich

Eine Feuerpause zwischen Israel und den militanten Palästinensern war am Dienstag zusammengebrochen. Beide Seiten machen sich gegenseitig dafür verantwortlich. Die Regierung in Jerusalem zog aus Protest gegen neue Raketenangriffe ihre Verhandlungsdelegation aus Kairo ab. Dort sollte sechs Wochen nach Beginn des Gaza-Kriegs eine dauerhafte Waffenruhe ausgehandelt werden.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon verurteilte den Bruch der von Ägypten vermittelten Waffenruhe aufs Schärfste. Ban sei sehr enttäuscht über die Wiederaufnahme der Feindseligkeiten. Er erinnerte nach Angaben der Vereinten Nationen vom Dienstag in New York beide Seiten an ihre Verantwortung, die Lage nicht eskalieren zu lassen. Ban rief Israel und die Palästinenser auf, sich umgehend auf eine dauerhafte Feuerpause zu verständigen.

Hamas nimmt Flughafen von Tel Aviv ins Visier

Nach dem Zusammenbruch der Feuerpause im Gaza-Konflikt nahm die Hamas den internationalen Flughafen von Tel Aviv ins Visier. Als Antwort auf Angriffe aus Israel sei Ben-Gurion für Mittwoch als Ziel ausgewählt worden, erklärte ein Hamas-Kommandeur. Internationale Fluggesellschaften sollten den Flughafen meiden. Den israelischen Behörden zufolge ging der Betrieb dort zunächst ohne Störung weiter. (dpa/rtr)

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