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Silvio Berlusconi.

© dpa

Italien: Berlusconi hilft minderjähriger "Freundin"

Italiens Premier verhilft einer 17-jährigen "Freundin" zur Flucht vor der Polizei und gibt das offen zu. Selbst Parteifreunde finden das nicht mehr gut.

Am 28. Mai passierte im Mailänder Polizeipräsidium etwas Seltsames. Die Beamten hatten eine 17-jährige Marokkanerin unter dem Verdacht des Diebstahls von 3000 Euro aufgegriffen. Das Verhör zog sich in die Länge; kurz nach Mitternacht aber endete es abrupt: Es kam ein Anruf aus Rom, „aus dem Amt des Regierungschefs“, wie es heißt; womöglich war Silvio Berlusconi persönlich in der Leitung. Der Anrufer jedenfalls riet den Polizisten, die junge Frau „sehr korrekt zu behandeln“, sie sei „die Nichte Mubaraks“, also des ägyptischen Staatschefs.

Und bevor die Staatsanwaltschaft die 17-Jährige in Gewahrsam nehmen konnte, tauchte in jener Nacht auch noch Nicole Minetti im Polizeipräsidium auf. Die attraktive 25-Jährige war Berlusconis persönliche Zahnpflegerin und hatte voriges Jahr – vom Ministerpräsidenten eigenhändig auf die Wahllisten gesetzt – einen Sitz im lombardischen Regionalparlament errungen. Minetti überzeugte die Staatsanwaltschaft davon, ihr die 17-jährige Marokkanerin als „eine ihr bekannte Person“ vertrauensvoll zu überlassen. Dann verschwanden die beiden in der Nacht.

Jetzt ist Nicole Minetti, zusammen mit dem schillernden Model-Manager Lele Mora und dem Chef eines Berlusconi- Senders, Emilio Fede, der „Förderung der Prostitution“ angeklagt. Und das kam so: Ruby, wie sich die seit Jahren von zu Hause ausgerissene Marokkanerin als Disco-Tänzerin und als kontaktreiche, offenbar aufstrebende Edel-„Begleitdame“ nennt, hatte bei ihren Verhören von den ausschweifenden Festen in Berlusconis Mailänder Privatvilla erzählt, zu denen Mora und Fede sie gebracht haben sollen: viele junge Frauen, hübsche Showgirls aus Fernsehen und Politik, erotische Gruppenspiele, reiche Geschenke, „5000 Euro pro Treffen“. Bestimmt war einiges an Prahlerei dabei, aber insgesamt treffen sich Rubys Schilderungen mit dem, was bereits vergangenes Jahr über Berlusconis Vorlieben bekannt geworden ist.

Doch diesmal fährt Berlusconi seine Dementi-Maschine gar nicht mehr auf. Er gibt zu, sich für die Freilassung Rubys eingesetzt zu haben: „Ich bin ein Mann mit Herz; ich helfe denen, die es nötig haben.“ Aber woher wusste Berlusconi in jener Nacht, dass Ruby festgenommen worden war? Hatte sie seine direkte Telefonnummer, um übers Handy einen Notruf an die richtige Stelle zu senden? Oder ist Berlusconis „Netz der Protektion“, von dem italienische Zeitungen schreiben, so dicht, dass die Polizei bei entsprechenden Verhaftungen von sich aus den Ministerpräsidenten informiert? Und wieso verfiel „das Amt des Regierungschefs“ auf die dreiste Lüge, Ruby sei „eine Nichte Mubaraks“?

Es fällt auf, wie wenige Freunde sich in diesen Tagen für den Regierungschef in die Bresche werfen. Und Kulturminister Sandro Bondi fuhr gleich so schweres Geschütz gegen die Ermittler auf – „eine Bedrohung für die Fundamente unseres demokratischen Lebens“ –, dass es krass übertrieben wirkte.

Der Unterschied zu 2009 könnte nicht krasser sein: Da war Berlusconi nächtens bei einer Neapolitanerin namens Noemi aufgetaucht, um mit ihr – die ihn „Papi“ nennt – den 18. Geburtstag zu feiern. Kurze Zeit später flogen die nächtlichen Partys mit den Callgirls auf. Es kamen große Bestechungsskandale ans Tageslicht – doch Berlusconi mangelte es nie an Verteidigern. Seine Frau Veronica Lario, die wenig später die Scheidung einreichte („Ich kann nicht mit jemandem zusammenbleiben, der es mit Minderjährigen hat“) und es wagte, öffentlich mit der „schamlosen“ politischen Haremswirtschaft ihres Ehemanns abzurechnen, bekam die Rache des Herrn zu spüren: Berlusconis Presseimperium schlug zurück und veröffentlichte Nacktbilder von Lario aus der Zeit vor der Ehe des Paars.

Jetzt aber ist Berlusconi geschwächt: Das – im Wortsinn – neu aufgeflammte Müllchaos in Neapel, die Spaltung der Regierungspartei, die Ungewissheit darüber, wie lange die Koalition noch halten wird – all das hat zur Desorientierung in den eigenen Reihen geführt. Die nächtliche Beeinflussung der Polizei zur privaten Rettung einer minderjährigen Spezialfreundin – das konnte sich Berlusconi dieses Jahr offenbar nicht mehr leisten. Nicht nur Staatsanwälte, auch Parteifreunde reden inzwischen von Amtsmissbrauch.

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