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Italienische NS-Opfer: Symbolisch entschädigt

Normalerweise ist der alljährliche deutsch-italienische Regierungsgipfel eine unspektakuläre Routineangelegenheit. Dieses Mal gedachten Steinmeier und Frattini der italienischen NS-Opfer.

Rom - Der Gipfel am Dienstag in Triest war anders als sonst. Zwei italienische Gerichtsentscheidungen in diesem Jahr haben die Beziehungen beider Länder verändert. Im Oktober hat die Cassazione, der italienische „Bundesgerichtshof“, die Bundesrepublik Deutschland zu 800 000 Euro Schadenersatz für ein SS-Massaker in der Toskana verurteilt; bereits im Juni hatten dieselben Höchstrichter es für zulässig erklärt, dass nach Deutschland verschleppte Zwangsarbeiter auf Entschädigung klagen dürfen.

Berlin erklärt demgegenüber, alle italienischen Ansprüche seien spätestens 1961 finanziell abgegolten worden; außerdem seien die womöglich zehntausend italienischen Einzelklagen aufgrund der völkerrechtlichen „Staatenimmunität“ nicht zulässig. Um genau diese Frage definitiv zu klären, klagt Deutschland demnächst beim Internationalen Gerichtshof in Den Haag gegen Italien.

Das Problem: Das Urteil der Cassazione vom Oktober ist vollstreckbar; deutsches Staatseigentum in Italien könnte, zur Sicherung der Entschädigungsansprüche, sofort gepfändet werden. Das Urteil bringt aber auch Italien selbst in Nöte. Faschismusopfer aus Libyen, Albanien, Äthiopien können nun milliardenschwere Forderungen durchsetzen. Deshalb ist Rom durchaus mit der deutschen Klage einverstanden.

Der Prozess kann Jahre dauern; die Entschädigungsansprüche hingegen können nicht warten, weil die Klagenden alle hochbetagt sind. Um abseits der juristischen Seite den Opfern wenigstens eine moralisch-menschliche Achtung zu erweisen, haben sich die beiden Außenminister, Frank-Walter Steinmeier und Franco Frattini, am Dienstag auf eine symbolische Geste verständigt. Gemeinsam besuchten sie die „Risiera di San Sabba“, die Gedenkstätte für das einzige NS-Konzentrationslager auf italienischem Boden. Es liegt sechs Kilometer außerhalb von Triest; bisher hatte noch kein deutscher Spitzenpolitiker dort einen Kranz niedergelegt.

Steinmeier gedachte der „deutschen Schande“. Den Ermordeten und Verschleppten schulde man „Gedenken und Aufarbeitung, nicht Sprachlosigkeit und Verdrängung“. Die Minister kündigten eine gemeinsame Historikerkommission an, die sich „eingehend und offen mit der deutsch-italienischen Kriegsvergangenheit beschäftigen“ soll. Paul Kreiner

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