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Unter Schutz. Desertierte Soldaten eines mächtigen Hauptmanns stehen auf der Seite der jugendlichen Demonstranten. Die Armee schickt Scharfschützen.

© Reuters

Tote bei Demonstrationen: Jemen am Rande des Bürgerkriegs

Mehr als 60 Menschen sind seit dem Wochenende umgekommen: In Jemens Hauptstadt Sanaa eskaliert der Machtkampf zwischen dem Regime des Präsidenten Ali Abdullah Saleh und der Opposition zum Bürgerkrieg.

Kampfflugzeuge jagen über die Dächer, Mörser-Granaten krachen in die Häuser, das Knattern von Maschinengewehren mischt sich mit den Sirenen der Krankenwagen. Scharfschützen feuern von Balkonen auf Menschen unten in den Straßen. In Jemens Hauptstadt Sanaa eskaliert der Machtkampf zwischen dem Regime des Präsidenten Ali Abdullah Saleh und der Opposition zu einem offenen Bürgerkrieg. Mehr als 60 Menschen sind seit dem Wochenende umgekommen. Mehr als 1000 wurden durch Schüsse oder Granatsplitter verletzt, während sich die Kämpfe in immer mehr Wohnviertel ausbreiten. Zehntausende Bewohner flüchteten am Dienstag in Panik aufs Land.

Gesandte der Vereinten Nationen und des Golf-Kooperationsrates (GCC) versuchten hektisch zu vermitteln. Saudi- Arabiens König Abdullah traf mit Jemens Präsident Saleh, der seit einem Attentat Anfang Juni in Riyad im Krankenhaus liegt, zu einem Krisengespräch zusammen. Denn nun droht der Machtkampf sich zu einem offenen militärischen Konflikt auszuweiten. Auf der einen Seite stehen die regimetreuen Republikanischen Garden und Anti-Terror-Spezialeinheiten, die das Rückgrat des Regimes bilden. Auf der anderen Seite die Soldaten der im März desertierten Ersten Division unter General Ali Mohsen al Ahmar. Am Dienstag lieferten sich beide Lager bereits den dritten Tag in Folge heftige Feuergefechte rund um den sogenannten Platz der Veränderung nahe der Universität, wo tausende Demonstranten der Jugendbewegung seit acht Monaten in Zelten campieren. Das Staatsfernsehen berichtete am späten Dienstagabend, es sei jetzt Waffenruhe vereinbart.

Am frühen Morgen waren nach Augenzeugenberichten drei Raketen in der Zeltstadt eingeschlagen und hatten zwei Bewohner getötet. Auch in anderen Städten wie Taiz, Ibb, Dhamar und Shabwa kam es zu Gewalt. Sanaas Flughafen wurde vorübergehend geschlossen, alle Maschinen nach Aden umgeleitet.

Die Kämpfe in Sanaa waren am Sonntag ausgebrochen, als Demonstranten versuchten, ihr Zeltlager weiter in Richtung des Präsidentenpalastes auszudehnen. Gardesoldaten des Regimes nahmen die Aktivisten unter Feuer. Soldaten des abtrünnigen Generals Ali Mohsen al Ahmar schritten zu ihrer Verteidigung ein. Am Montagabend gelang es den Regimegegnern dann, eine kleinere Kaserne der Republikanischen Garden zu besetzen und die Waffen zu erbeuten. Die Republikanischen Garden werden von Salehs Sohn Ahmed kommandiert. Salehs Neffe Yahya steht an der Spitze der von den USA trainierten Anti-Terror-Spezialkräfte. Noch vergangene Woche hatte er sich damit gebrüstet, er werde jedem das Genick brechen, der versuchen sollte, Präsident Saleh mit Gewalt zu stürzen. Saudische Diplomaten hatten zuvor erklärt, Saleh werde nicht in den Jemen zurückkehren und er werde „innerhalb einer Woche“ ein Abkommen über eine geordnete Machtübergabe unterschreiben. Der ausgefuchste Potentat stellt allerdings als Bedingung, dass sein Sohn Ahmed an der nächsten Regierung beteiligt wird, was für die Opposition völlig unannehmbar ist.

UN-Generalsekretär Ban Ki Moon zeigte sich „tief besorgt über die jüngste Eskalation“ und sprach von „exzessiver Gewalt der Sicherheitskräfte gegenüber unbewaffneten Demonstranten“. Auch die Vereinigten Staaten und Europa verurteilten die Bluttaten, forderten alle Seiten zu äußerster Zurückhaltung auf und verlangten von Präsident Saleh, die Macht umgehend abzutreten. Der 69-Jährige sieht sich einer Opposition gegenüber, zu der junge Demonstranten für mehr Demokratie gehören, islamistische Parteien, abtrünnige Soldaten und Kämpfer des mächtigen Ahmar-Stammesverbandes.

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