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Politik: Journalist in Moskau angegriffen

Moskau - Es war tiefe Nacht in Moskau, als es bei dem Journalisten Sergei Aslanjan klingelte. Unbekannte baten ihn per Gegensprechanlage, herunter auf die Straße zu kommen, sie hätten ihm etwas Wichtiges mitzuteilen.

Moskau - Es war tiefe Nacht in Moskau, als es bei dem Journalisten Sergei Aslanjan klingelte. Unbekannte baten ihn per Gegensprechanlage, herunter auf die Straße zu kommen, sie hätten ihm etwas Wichtiges mitzuteilen. Das „Gespräch“ endete für den Journalisten mit einer Reihe von Messerstichen in Brust, Hals und Arme. Aslanjan, 46, liegt seit Dienstagmorgen auf der Intensivstation des Sklifassowski-Instituts, eine der besten, auf Unfallchirurgie spezialisierten Kliniken in Moskau. Die Ärzte geben ihm gute Überlebenschancen.

Aslanjan ist Fachjournalist für Autos und Motorsport, arbeitet derzeit als freier Mitarbeiter für russische Medien und schreibt hin und wieder auch für die deutsche Fachzeitschrift „Auto, Motor und Sport“. Zuvor war er zehn Jahre lang Redakteur bei dem kritischen Radiosender Echo Moskwy.

Die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen unbekannt und geht davon aus, dass der Überfall mit Aslanjans journalistischer Tätigkeit in Zusammenhang steht. Auch russische Medien vermuteten als Motiv eine Abrechnung. Aslanjan, ein ethnischer Armenier, war am 14. Mai bei dem staatlichen Hörfunksender Majak Gast einer Sendung, in der es um Autos ging, kam dort jedoch überraschend vom Thema ab, kritisierte einen reichen Russen und mokierte sich dabei auch über den Propheten Mohammed. Zwar rief der Moderator ihn zur Ordnung. Nach der Sendung erhielt Aslanjan jedoch eine Flut von E-Mails und SMS mit Drohungen und Beleidigungen. Die Öffentlichkeit der Teilrepublik Tatarstan, deren Bevölkerung sich vorwiegend zum Islam bekennt, hatte die Generalstaatsanwaltschaft in einem Offenen Brief sogar aufgefordert, gegen Aslanjan ein Verfahren wegen Anstiftung zu ethnischem Hass zu eröffnen.

Die Messerattacke gegen Aslanjan ist kein Einzelfall. Zwar ist die Statistik einschlägiger Verbrechen in den vergangenen zwei Jahren rückläufig. Doch Russland ist für Journalisten nach wie vor ein gefährliches Pflaster. Allein im Zeitraum zwischen 2000 und 2010 wurden in Russland mehr als 200 Journalisten getötet oder gelten als vermisst. Hunderte wurden überfallen und brutal zusammengeschlagen. Im Oktober 2006 machte der Mord an der Journalistin Anna Politkowskaja weltweit Schlagzeilen. Sie hatte für die kritische „Nowaja Gaseta“ gearbeitet und dort vor allem über Moskaus Tschetschenienkrieg berichtet. Trotz massiven Drucks durch Menschenrechtler und westliche Politiker wurde kaum einer der Morde bisher restlos aufgeklärt. Vor allem die Hintermänner bleiben meist im Dunklen. Elke Windisch

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