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Der Fraktionschef der Grünen, Jürgen Trittin (l), unterhält sich am 30.06.2011 im Deutschen Bundestag mit Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP).

© picture alliance / dpa

Jürgen Trittin über Guido Westerwelle: "Er hat lange dieses Land geprägt"

Jürgen Trittin, Politiker der Grünen, äußert sich zum Tod des FDP-Politikers Guido Westerwelle. Ein Gastbeitrag.

"Mit Guido Westerwelle ist ein Politiker gestorben, der lange dieses Land geprägt hat. Streitbar, oft auch polemisch war er immer ein aufrechter Liberaler.

Im Wahlkampf 1998 hatte er uns Grüne schon als seinen Lieblingsgegner entdeckt, weshalb der damalige Generalsekretär in Streitgesprächen mit dem damaligen Parteisprecher der Grünen streiten durfte. Dabei gelang es der ARD uns beide einmal so schlecht auszuleuchten, dass unsere eigenen Anhänger uns anschließend besorgt anriefen um sich zu erkundigen, ob wir Grippe hätten. Über das, worüber wir gestritten hatten – Ökosteuer und Atomausstieg -  war nichts hängen geblieben.

In der Episode stecken zwei Elemente. Guido Westerwelle hat sich aus Überzeugung an den Erben der 68er abgearbeitet, als die er uns Grüne ansah. Denn in seiner Verwurzelung im rheinischen Bürgertum fand er deren rebellische Attitüde abstoßend und anziehend zu gleich. Hatte doch diese Rebellion Räume eröffnet, die eine bürgerrechtliche Partei freuen musste.

So war der Weg zum ersten offen schwulen Außenminister Deutschlands am Ende von einer rot-grünen Koalition geebnet worden, der er selbstbewusst wurde.

In der Episode steckt aber auch die Frage nach der Form von Politik. Guido Westwelle hat früh begriffen, dass in einer medial geprägten Demokratie die Form vom Inhalt der Politik nicht einfach zu trennen ist. Er hat dies von der 18 unter den Schuhen, dem Auftritt bei Big Brother bis zum Guidomobil inszeniert. Er hat sich dabei nicht vor schlechten Geschmack gescheut – den er als kunstliebender Mensch nicht hatte. Aber diese Strategie hat die FDP erkennbar gemacht.

Der ehemalige Außenminister Guido Westerwelle (FDP).
Der ehemalige Außenminister Guido Westerwelle (FDP).

© dpa

Fall Libyen: "In der Sache hat er Recht behalten"

Einher ging damit eine inhaltliche Profilierung der FDP zu einer klar wirtschaftsliberalen Partei. Die Zuspitzung auf diesen Markenkern war überaus erfolgreich. In ihrer Hochzeit regierte die FDP in zahllosen Bundesländern mit und schaffte 2009 den Sprung in die Bundesregierung nach 11 Jahren Opposition. Die FDP war die Kraft, die die Mehrheiten rechts der Mitte sicherte.

Es ist ein Teil von Westerwelles und der FDP Tragik, dass der Höhepunkt ihrer Macht ein Jahr nach der globalen Finanzkrise stattfand. Nachdem alle kapitalistischen Staaten mit Steuergeldern ihre Banken retten mussten hörte sich Privat vor Staat falsch an. Und prompt wurde aus dem vormaligen Wahlschlager Steuersenkungen ein Kampagnenthema gegen die FDP. Guido Westerwelle stand für die Mövenpick Steuer und nicht für Entlastung der Bürger. Und in dieser Ecke ließ ihn Angela Merkel genüsslich stehen und untergehen.

Guido Westerwelle hat mal gesagt, dass es eine Lehre aus dem Segeln sei, gelegentlich eine Wende fahren zu müssen, um voran zu kommen. Das ist richtig – obwohl er eher ein Typ für Halsen war. Doch seine Wende vom neoliberalen Wahlkämpfer zum Außenminister brauchte sehr lange und fand eigentlich erst statt, nachdem seine Partei ihm gestürzt hatte. Dass seine Nachfolger es nicht besser konnten, musste die FDP 2013 erfahren.

Der Politiker von Bündnis 90/Die Grünen, Jürgen Trittin.
Der Politiker von Bündnis 90/Die Grünen, Jürgen Trittin.

© dpa

In diese Zeit fiel auch seine bekannteste außenpolitisch Entscheidung. Deutschland enthielt sich im Sicherheitsrat beim Mandat für eine Intervention in Libyen. Als Guido Westerwelle mir als Fraktionsvorsitzenden dieses Verhalten am Rande des Bundestagsplenums ankündigte, war noch offen, ob Deutschland sich enthielt oder dagegen stimmen solle. Für diese Entscheidung ist Westerwelle schwer kritisiert worden. Deutschland ist keine Vetomacht, bei der eine Enthaltung den Weg dennoch frei macht.

Doch so falsch, die Form war. In der Sache aber hat er Recht behalten. Die Intervention hat Libyen und seine Nachbarn komplett destabilisiert und zu einem zerfallenen Staat gemacht. Sie hat den Sicherheitsrat über Jahre blockiert, in Syrien handlungsfähig zu werden.

Jetzt ist Guido Westerwelle viel zu früh gestorben. Ich verabschiede mich von einem Demokraten und einem politischen Wettbewerber. Meine Anteilnahme gilt seinem Mann und seiner Familie."

Jürgen Trittin

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