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Teilnehmer der "Nuit debout"-Kundgebung verfolgen auf dem Pariser Platz der Republik das TV-Interview von Präsident Hollande.

© dpa

Jugendprotest in Frankreich: Wenn es Nacht wird für Hollande

Seit gut zwei Wochen gibt es auf öffentlichen Plätzen in französischen Städten abendliche Diskussionsrunden zur sozialen Lage im Lande. Bei den "Nuit debout"-Kundgebungen sind ganz unterschiedliche Teilnehmer dabei: Junge, Arbeitslose und klamme Staatsdiener.

300 Jugendliche sind am Donnerstagabend nach einem Fernsehinterview des französischen Präsidenten François Hollande randalierend durch Paris gezogen. Die Krawallmacher hatten zuvor den Platz der Republik verlassen, wo seit zwei Wochen jeden Abend hunderte Menschen gegen die von Hollande geplante Arbeitsmarktreform demonstrieren. Die Randalierer schrien, dass sie zum Elysée-Palast – dem Amtssitz Hollandes – ziehen wollten, worauf sie von einer Spezialeinheit der Polizei abgedrängt wurden. Anschließend zerstörten die Jugendlichen im Norden und Nordosten der Hauptstadt Schaufensterscheiben, Bushaltestellen und Autos.

Schon seit Tagen mischten sich Krawallmacher unter die Demonstranten

Vieles deutet darauf hin, dass die Randalierer schon länger auf einen Anlass zum Krawall gewartet haben. Bereits in den letzten Tagen hatten sich zunehmend gewaltbereite Jugendliche unter die Demonstranten auf dem Platz der Republik gemischt, die bis spät in die Nacht über die soziale Lage in Frankreich diskutieren. Als Hollande dann am Donnerstagabend bei seinem über eineinhalbstündigen Live-Interview im Sender „France 2“ erklärte, er werde an der Arbeitsmarktreform festhalten, kam es zur Eskalation.

Die abendlichen Diskussionsrunden auf dem Pariser Platz der Republik, die unter dem Motto „Nuit debout“ (Aufrecht durch die Nacht) stehen, finden seit dem 31. März statt. Damals entschlossen sich Demonstranten nach einem Protestmarsch gegen die Arbeitsmarktreform, die Kundgebung auf dem traditionsreichen Platz fortzusetzen, auf dem vor über einem Jahr nach dem Anschlag auf die Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ eine große Versammlung stattfand. Inzwischen gibt es „Nuit debout“-Demonstrationen auch in anderen Städten wie Straßburg, Lyon, Nantes, Toulouse und Rennes.

Es sind in erster Linie junge Menschen, die an den Kundgebungen in Frankreich teilnehmen – was angesichts der hohen Jugendarbeitslosigkeit im Nachbarland keine Überraschung darstellt. Die Arbeitslosenquote liegt bei jungen Leuten im Alter bis 25 Jahren bei knapp 25 Prozent und damit um fünf Prozentpunkte über dem EU-Durchschnitt. An den „Nuit debout“-Demonstrationen nehmen allerdings nicht nur junge Menschen teil, sondern auch Ältere – beispielsweise Gewerkschafter, arbeitslose Sozialarbeiter oder Staatsbedienstete, die zwar über einen Job verfügen, aber Probleme haben, ihre monatliche Miete zu bezahlen.

Geringere Teilnehmerzahlen als bei "Indignados" in Spanien

Als Vorbilder für ihren Protest verweisen die Demonstranten auf die „Occupy“-Besetzungen in New York und die Versammlungen der „Indignados“ in Madrid. Allerdings ist der Zulauf zu den „Nuit debout“-Demonstrationen in Frankreich bislang vergleichsweise gering, wenn man die Proteste der „Empörten“ in Madrid im Jahr 2011 zum Maßstab nimmt. Dort gingen auf dem Platz Puerta del Sol seinerzeit regelmäßig Zehntausende auf die Straße.

Die Moderatorin fragt den Präsidenten: "Soll das ein Scherz sein?"

Hollande zeigte im TV-Interview, in dem er sich den Fragen von zwei Moderatoren und einzelnen Bürgern stellte, seine Sympathie für den Protest der jungen Menschen. Deren Demonstrationen seien „legitim“, erklärte er. Allerdings machte er eine unglückliche Figur, als er auf die Gründe der hohen Jugendarbeitslosigkeit zu sprechen kam. Sinngemäß erklärte Hollande, der hohe Anteil der jungen Menschen ohne Job hänge damit zusammen, dass es in Frankreich nun einmal mehr Jugendliche gebe als bei den europäischen Nachbarn. Zudem bekam Hollande in dem TV-Interview ungewohnt harte Fragen gestellt. Als er erklärte, er sei sich mit der deutschen Kanzlerin Angela Merkel in der Flüchtlingspolitik absolut einig, hakte die Journalistin Léa Salamé nach: „Soll das ein Scherz sein?“

Nur 3,5 Millionen verfolgten den TV-Auftritt Hollandes

Allerdings verfolgten nur 3,5 Millionen Franzosen den TV-Auftritt des Präsidenten – eine vergleichsweise geringe Einschaltquote für einen Fernsehauftritt des Staatsoberhauptes. Noch im November 2014, also zweieinhalb Jahre nach seiner Wahl zum Präsidenten, hatte Hollande bei einem Interview im Sender TF1 7,9 Millionen Menschen in Frankreich vor den Bildschirm gelockt. Offenbar glauben immer weniger Bürger an seine Zusicherung, das Land sei auf dem Weg der Besserung. Auch am Donnerstag zählte er die positiven Anzeichen auf: mehr Wachstum, ein geringeres Defizit und eine geringere Steuerlast. Die entscheidende Frage, ob er bei der Präsidentschaftswahl im kommenden Jahr noch einmal antritt, ließ Hollande allerdings unbeantwortet. Dazu will sich der Staatschef erst am Ende dieses Jahres erklären.

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