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Ein deutscher Soldat blickt bei einer Nato-Manöverübung in Polen durch die Luke seines Marder-Schützenpanzers. Über das Wehrbudget der Nato-Mitgliedsstaaten wird seit Wochen gestritten.

© Kay Nietfeld/dpa/picture alliance

Kampfansage von Gabriel an Trump: Deutschland ist nur bedingt aufrüstungsbereit

Bundesaußenminister Sigmar Gabriel hat sich beim Nato-Außenministerrat überaus undiplomatisch gezeigt. Eine deutliche Steigerung des Wehretats - wie von den USA gefordert - lehnte er rundheraus ab.

Von Robert Birnbaum

Außenminister sind von Amts wegen Diplomaten, und spätestens seit Hans-Dietrich Genscher gehört hierzulande geschmeidige Uneindeutigkeit zum Handwerk. Doch am Freitag legt Sigmar Gabriel die filigrane Feile weg und greift zur Axt. „Ich halte es für völlig unrealistisch zu glauben, dass Deutschland einen Militärhaushalt von über 70 Milliarden Euro pro Jahr erreicht“, verkündet der Bundesaußenminister beim Nato-Außenministerrat in Brüssel. „Ich kenne keinen Politiker in Deutschland, der glaubt, dass das in unserem Land erreichbar oder auch nur wünschenswert wäre.“

Beide Sätze sind ohne Zweifel richtig. Sie sind nicht mal neu – fast wortgleich hatte Gabriel sie bei der Münchner Sicherheitskonferenz im Februar gesagt. Aber bei einem offiziellen Nato-Rat – Gabriels ersten im neuen Amt – klingen sie plötzlich nach Kampfansage.

Denn der Kollege aus Amerika, auch er zum ersten Mal dabei, sieht das anders. „Alliierte, die noch keinen konkreten Plan haben, wie sie bis 2014 zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung ausgeben wollen, müssen einen erstellen“, forderte Rex Tillerson in Brüssel ausweislich seines Redemanuskripts. Das ist auch nicht neu. Aber je näher der Nato-Gipfel Ende Mai rückt, desto dringlicher die Frage, ob das Bündnis sich auf ein gemeinsames Verständnis der magischen Zwei verständigen kann.

Die Zahl geistert seit 2002 durch Nato-Gipfelbeschlüsse. Als vages Ziel ohne Zeitvorgabe formuliert, war sie schon damals eine Beruhigungspille für die USA, die nicht mehr einsahen, dass die reichen Europäer weit weniger in die eigene Verteidigung investierten als die ferne Supermacht. Etwas präziser wurde 2014 der Nato-Gipfel in Wales. Russlands Überfall auf die Ukraine und die Krim hatte den Europäern die eigenen Schwächen vor Augen geführt. Die Partner legten sich nun auf einen Zeitplan bis 2024 fest.

Verteidigungsministerin kommt US-Druck zupass

Die genaue Formulierung im Abschlussdokument war freilich Diplomatie im besten Genscher-Stil: Man werde die eigenen Wehretats – erste Einschränkung – „im Rahmen des BIP-Wachstums“ erhöhen. Also nur ungefähr so weit, wie die eigene Volkswirtschaft wächst, und – entscheidende Einschränkung – „darauf abzielen, sich innerhalb von zehn Jahren auf den Richtwert von 2 Prozent zuzubewegen“. Richtwert, zubewegen – das ist also kaum mehr als eine unverbindliche Absichtserklärung.

Doch seit in Washington Donald Trump regiert, treibt die Europäer die Sorge um, dass der große Partner Zahl und Zeitplan plötzlich wörtlich nimmt. Schon Trumps Verteidigungsminister James Mattis forderte bei seinem Antrittsbesuch von den Europäern im Bündnis denn auch bis Jahresende 2017 konkrete Pläne für den Weg zum Ziel.

Kanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen fahren seither eine flexible Abwehrstrategie. Einerseits haben beide CDU-Politikerinnen die Bereitschaft erklärt, mehr zu leisten. Leyen kommt das amerikanische Drängen ja sogar zupass im Dauerkampf um mehr Geld für die Truppe.

Zwei-Prozent-Ziel taugt nur bedingt

Zugleich versuchen sie die Zahl zu entschärfen. Merkel hat zuletzt bei Trump selbst in Washington darauf bestanden, dass „Verteidigung“ nach deutschem Verständnis nicht nur Panzer und Kampfjets umfassen könne, sondern dass etwa auch Krisenbewältigung und -prävention dazu gehöre. Leyen hebt immer wieder hervor, dass wichtiger als eine abstrakte Zahl die realen Fähigkeiten seien.

Tatsächlich taugt das Zwei-Prozent-Ziel als Maß für Wehrhaftigkeit nur bedingt; Griechenland erfüllt es als eins von vier Nato-Ländern schlicht durch sein mickriges Bruttosozialprodukt. Deutschlands 1,2 Prozent sind umgekehrt auch Folge glänzender Wirtschaftsdaten. In Washington scheinen sie aber entschlossen, derlei zur Milchmädchenrechnung zu erklären. Trump twitterte der Besucherin Merkel hinterher, es sei nett gewesen, nur: „Deutschland schuldet der Nato riesige Summen!“ Im Wortsinn ist das Quatsch. Aber bei Trump auf Wortsinn zu bestehen könnte aussichtslos sein.

Nun also Gabriel im Klartext. „Ich weiß gar nicht, wo wir die ganzen Flugzeugträger hinstellen sollen, die wir kaufen müssten, um 70 Milliarden Euro pro Jahr in die Bundeswehr zu investieren“, poltert er. Wobei jetzt nur noch zu klären wäre, ob da wirklich der Bundesaußenminister sprach – oder eher der SPD-Wahlkämpfer. CDU-Frau Leyen tippt auf die zweite Variante. „Das klingt schon wieder sehr nach einem ,Deutschen Sonderweg’“, rügt sie prompt in Berlin. „Die anderen strengen sich an, wir halten uns zurück – so funktioniert die Allianz nicht!“ Es gehe um „vernünftige, stufenweise Steigerung des Haushalts“. Nicht um 70 Milliarden und nicht um Flugzeugträger.

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