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Teilnehmer der Vollversammlung des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) haben sich am 24.05.2016 in der Kongresshalle in Leipzig (Sachsen) versammelt.

© dpa

Katholikentag und AfD: Mehr Toleranz wagen

Die Katholiken wollen auch mit Menschen ins Gespräch kommen, die ihnen fremd sind. Doch die AfD haben sie von den Podien ausgeschlossen. Das ist falsch. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Claudia Keller

Am Montag endete ein Treffen des Zentralrats der Muslime mit der AfD im Eklat: Die Parteivorsitzende Frauke Petry brach das Gespräch ab. Vor Journalisten präsentierte sie sich danach als Opfer – mit dem Zentralrat könne man nicht reden, der nehme die AfD nicht ernst, sei arrogant – und wiederholte ihre islamfeindlichen Diffamierungen. War das ein Punktsieg für die AfD?, fragten sich die Kommentatoren. Oder doch für den Zentralrat, der die AfD zu dem Treffen eingeladen hatte? Wer hat wen gestellt? Vorgeführt? Entlarvt?
Das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) hat schon vor Monaten klar gemacht, dass es sich solchen Fragen gar nicht erst aussetzen will. Auf dem Katholikentag, der bis Sonntag in Leipzig stattfindet, sind Vertreter der AfD kategorisch von den Podien ausgeschlossen. Man wolle ihnen kein Forum bieten, Schaukämpfe und möglichst schrille und kontroverse Diskussionen seien nichts für den Katholikentag, rechtfertigte der ZdK-Vorsitzende Thomas Sternberg die Entscheidung. Außerdem könnten sich die katholischen Ehrenamtlichen, die sich für die Flüchtlinge engagieren, von den Parolen der AfD „düpiert“ fühlen.
Die Kirchen ringen wie die Parteien und andere zivilgesellschaftliche Organisationen um den richtigen Umgang mit den neuen Populisten. Alle sind sich einig, dass man die Partei ernst nehmen müsse und sich ganz stark für ihre Wähler interessieren sollte. Auf keinen Fall dürfe man die von der Politik Enttäuschten „verloren geben“, betonte auch Thomas Sternberg diese Woche.

Wie will man mit Menschen ins Gespräch kommen, die man für nicht gesprächsfähig hält?

Einig ist man sich auch darin, dass die AfD zwar demokratisch in einige Landtage gewählt wurde, aber dass sich Teile der Partei und der Anhängerschaft jenseits des demokratischen Konsens bewegen und damit jenseits des Diskurses. Doch wie will man mit Politikern und Wählern ins Gespräch kommen, die man von vornherein für nicht gesprächsfähig hält? Viele der über tausend Veranstaltungen des Katholikentags drehen sich um die Flüchtlinge, um Europa und um Identitätsfragen. Der Rechtspopulismus – das große aktuelle Problem, das Politik, Gesellschaft und auch Kirchengemeinden umtreibt – steht wie ein Elefant dazwischen. Er ist präsent, es wird viel über ihn gesprochen, es wird vor ihm gewarnt und gemahnt und doch nicht mit seinen Vertretern und Sympathisanten selbst diskutiert.

Die Debatte mit der AfD ist unangenehm

Es ist unangenehm und schwierig, mit der AfD und ihren Anhängern zu argumentieren. Erst recht, sie zu „stellen“ und zu „entlarven“. Denn die Partei legt es darauf an, den gesellschaftlichen Konsens zu zerstören, um den eigenen Modus der permanenten Empörung aufrecht zu erhalten. Trotzdem muss man es versuchen. Aber der Anspruch, man könne mit den neuen Rechtspopulisten öffentlich nur sprechen, wenn man sie zugleich „entlarvt“, ist falsch. Menschenfeindlicher Hetze, kruden Verschwörungstheorien und pauschalen Diffamierungen muss energisch widersprochen werden. Doch zu einem offenen Gespräch gehört dazu, dass man riskiert, auch mal Meinungen zu hören, die man nicht hören will. Echtes Interesse an anderen und echte Toleranz beginnen erst dort, wo auch die unerträglichen Meinungen zu Wort kommen – mit offenem Ausgang.

Toleranz heißt, auch unerträgliche Meinungen zu Wort kommen zu lassen

Dieses Risiko möchte man von vornherein vermeiden und sicherstellen, dass die eigenen Argumente am Ende siegen. Alles andere wird als „scheitern“ gewertet. Dieser Perfektionismus ist fehl am Platz. Er verkrampft die Debatte, bevor sie begonnen hat, er verstärkt das Schwarz-weiß-Denken und befördert schlimmstenfalls die Radikalisierung der Ausgegrenzten – also das, was man ja eigentlich gerade verhindern möchte. Katholikentage wollen erklärtermaßen Raum bieten, um mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Auch mit denen, die vielen Katholiken fremd sind. Diese Ansagen sind unglaubwürdig, wenn die Gastgeber zugleich definieren, wer wie fremd sein darf, um in diesen Raum vorgelassen zu werden.

Katholikentage sollten mehr sein als Wärmstuben für die eigenen Leute

So entsteht der Eindruck, die Christentreffen seien vor allem Wärmestuben für die eigenen Leute. Das ist sicher auch eine wichtige Funktion. Wenn es aber nur noch darum geht, marginalisieren sich die Katholiken selbst und ihr viertägiges Fest mit dazu. Dann sollte man Katholikentage künftig nur noch in Regensburg, Passau oder Paderborn veranstalten, wo man unbehelligt unter sich bleiben kann. Den Ausflug nach Leipzig, wo es vier Prozent Katholiken gibt, kann man sich dann sparen.

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