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Früher wurden Drohnen nur zur Aufklärung eingesetzt. Mittlerweile tragen sie Waffen.

© dpa

Waffentechnologie: Keiner geht hin – und trotzdem ist Krieg

Kanonenkugeln waren das prägende Mittel der mechanischen Kriegsführung, Flächenbombardements das der industriellen. In Zukunft werden Kämpfe von bewaffneten Maschinen bestimmt sein.

Von Michael Schmidt

Der technische Fortschritt verändert das Bild vom Krieg. Kanonenkugeln waren das prägende Mittel der mechanischen Kriegsführung, Flächenbombardements das der industriellen. Inzwischen spielen unbemannte Drohnen und Cybertechnologie Schlüsselrollen. Maschinen ersetzen Soldaten. Das wirklich Revolutionäre am digitalen Upgrade ist: Frühere Neuerungen in der Militärtechnik, ob das Schießpulver, das Maschinengewehr oder die Atombombe, haben die Art und Weise verändert, wie Krieg geführt wird – jetzt aber geht es vielmehr darum, wer Krieg führt.

Das wirft neue Fragen auf. Nicht immer gibt es darauf auch Antworten, wie eine Veranstaltung der Bundesakademie für Sicherheitspolitik jüngst deutlich machte. Unter dem Titel „Auf dem Weg zur Automatisierung und Digitalisierung des Krieges?“ diskutierten Experten über die militärstrategischen, völkerrechtlichen und ethischen Folgen des weltweiten Trends zu unbemannter Technik.

Die Vorteile des technischen Wandels lägen auf der Hand, führte Niklas Schörnig von der Hessischen Stiftung für Friedens- und Konfliktforschung aus. In allererster Linie verspreche sich die Politik neben möglichen Einsparungen, technologischen Vorsprungserwartungen und einer Steigerung der militärischen Effektivität, eine „Minimierung eigener und fremder Opfer“. Denn Krieg ist am Beginn des 21. Jahrhunderts zumindest in der Öffentlichkeit der industrialisierten Gesellschaften des Westens unpopulär. Der Wunsch, er möge „sauber“ sein, ist riesengroß – und die Bereitschaft, Tote und Verletzte hinzunehmen, gering. Dem scheint die neue Technik entgegenzukommen.

Drohnen gehören inzwischen zum bevorzugten Mittel bei der Terroristenjagd der Amerikaner im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. Auch die Bundeswehr nutzt unbemannte Luftfahrzeuge. Bisher ausschließlich zur Aufklärung, doch die Zukunft, so die allgemeine Erwartung der Experten, wird von bewaffneten Maschinen bestimmt werden. Und zwar solchen, die zunehmend voll autonom, eigenständig, vom Menschen kaum mehr beeinflusst agieren. Maschinen, die keine Müdigkeit kennen, die keine Rente erwarten und bei denen man keine Mütter kontaktieren muss, wenn sie zerstört werden – Maschinen aber auch, die kein Gewissen haben, keine Zweifel, keinen Sinn für Gnade. „Köpfe und Herzen“ der Bevölkerung seien mit solche Waffen nicht zu gewinnen, sagte Schörnig.

Der Jurist Thilo Marauhn gab zu bedenken, dass Drohnen womöglich zwischen Kombattanten und Zivilisten nicht unterscheiden könnten. Es sei auch rechtlich unklar, wer im Falle eines Fehlers verantwortlich sei und hafte: Der Programmierer? Der den Einsatz befehlende Kommandeur? Das System selbst? Elizabeth Quintana vom Royal United Services Institute for Defence and Security in London warf die Frage auf, ob die Aussicht darauf, eigene Opfer weitgehend vermeiden zu können, nicht womöglich die Hemmschwelle senke und die Bereitschaft zur Kriegsführung eher erhöhe. Und wie sich der Gefahr begegnen lasse, dass eine solche Waffe in die Hände der Gegner falle und ihnen damit modernste Technologie an die Hand gibt, die sich dann gegen die eigenen Leute richte.

Ihr Fazit – „alles hat zwei Seiten, entscheidend ist nicht die Technik, sondern ihre Nutzung“ – erinnerte an die Sentenz vom Messer, das in der Hand des Chirurgen Leben retten und in der Hand des Mörders Leben vernichten kann. Gemeint war es als Appell an den Gesetzgeber, den Rahmen für die richtige Nutzung zu schaffen. Die Aussichten, den drohenden Rüstungswettlauf kontrollieren zu können, schätzte Experte Schörnig jedoch gering, ja gegen Null tendierend ein. Zu groß sei das Interesse der Staaten an der neuen Technik.

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