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Etwas zu dick, aber fit.

© ZB-FUNKREGIO OST

Kiffen ja? Zucker und Hackfleisch nein?: Die gutmeinende Arroganz der Bildungsbürger

In den USA und anderswo geht der Trend in Richtung Haschisch-Freigabe. Gegen Zucker und Fett wird dagegen gekämpft - im Namen der Gesundheitsvorsorge. Denn die Bessergestellten haben verstanden, dass Kampagnen wie der Veggie-Day vor allem der sozialen Unterscheidung dienen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Ursula Weidenfeld

In den USA haben sich die Bürger des Staates Oregon und der Hauptstadt Washington für eine Legalisierung des Marihuana-Gebrauchs ausgesprochen. Gleichzeitig votierte die Mehrheit der Bevölkerung der Stadt Berkeley, Kalifornien, für eine Limonadensteuer. Zwischen beiden Initiativen gibt es einen Zusammenhang. Sie stehen für das Überlegenheitsgefühl der demokratietragenden bildungsbürgerlichen Mittelschicht gegenüber einer unmündigen, zumindest aber unvernünftigen Unterschicht. Nicht nur in den USA, auch bei uns wird in Volksbegehren, Gesetzesinitiativen und Online-Petitionen dafür geworben, mit den alten Tabus zu brechen – und neue zu errichten.

Der Tenor: Den Gebildeten und Arrivierten möge man die kleinen Sünden des Alltags doch bitte nachsehen. Den Ungebildeten und sozial Bedrängten, den Dicken, den Unsportlichen und den Trinkern aber begegnet man mit dem neuen Paternalismus der Besserwisser. Weil sie immer noch rauchen, zu viel Zucker und Hackfleisch essen und mehr Alkohol trinken, als ihnen guttut, soll der Staat mit Steuern und lenkenden Eingriffen wie einem Veggie-Day handeln. In der gutmeinenden Arroganz der Überlegenen sollen die eigenen Freiheitsräume ausgedehnt, diejenigen der vermeintlich Freiheitsuntüchtigen dagegen beschränkt werden.

Kiffen ja, Zucker nein? Zunächst einmal spricht nur wenig dagegen, Cannabis zu legalisieren. Man würde die illegalen Beschaffungswege schließen. Doch ist die Suchtgefahr tatsächlich zu vernachlässigen? Wollen die Befürworter wirklich, dass ihre Kinder lieber Hasch als Zigaretten rauchen? Ist das ungefährlicher?

Auch der Drogengebrauch folgt sozialen Zuordnungen

Um diese ernsthaften Fragen aber geht es den Verbotskritikern gar nicht. Sie nutzen die Tatsache, dass auch der Drogenge- und missbrauch inzwischen sozialen Zuordnungen folgt. Der in die Jahre gekommene Bildungsbürger raucht nicht mehr, ist wahrscheinlich nicht sehr übergewichtig, isst weniger Fleisch, trinkt trockene teure Weine und und zieht gelegentlich einen Joint durch. Ihn wird es nicht stören, wenn im Rahmen von Kampagnen gegen Übergewicht Zucker und Fleisch teurer würden. Im Gegenteil. Er würde darin einen Fortschritt auf dem Weg in eine bessere Welt sehen. In Wahrheit aber wäre es nur ein Schritt weiter in der subtilen Welt der sozialen Unterscheidung. In der die sozial Bessergestellten das Sagen haben, weil sie sich politisch laut artikulieren.

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