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Kinder ab dem zweiten Lebensjahr haben seit August 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz.

© Patrick Pleul/dpa

Kita-Urteil: Herber Rückschlag für Eltern

Bei einem fehlenden Betreuungsplatz für das Kind muss die Stadt Eltern doch keinen Verdienstausfall bezahlen, urteilt das Oberlandesgericht Dresden.

Eltern erhalten keinen Schadenersatz für ihren Verdienstausfall, wenn sie für ihr einjähriges Kind keinen Kita-Platz erhalten. Dieses Urteil hat das Oberlandesgericht (OLG) Dresden am Mittwoch in einem Musterprozess verkündet. Drei Mütter machten geltend, dass sie länger zu Hause bleiben mussten, weil ihnen die Stadt Leipzig keinen Platz für ihr Kind anbieten konnte. Sie wollten für ihren Verdienstausfall insgesamt 15.000 Euro Schadenersatz plus Zinsen. Den bekommen sie nun aber nicht. Allerdings ist das Urteil noch nicht rechtskräftig. Die Revision zum Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe wurde zugelassen. Seit 1. August 2013 haben Kinder nach ihrem ersten Geburtstag einen gesetzlichen Anspruch auf einen Betreuungsplatz. Leipzig konnte aber, wie auch viele andere Städte, nicht genügend Plätze anbieten. Die Kinder der drei klagenden Mütter gingen leer aus. Das Bundesverwaltungsgericht hat bereits entschieden, dass in solchen Fällen Eltern eine private Betreuung in Anspruch nehmen können, die meist teurer ist. Die Mehrkosten muss dann grundsätzlich die zuständige Stadt übernehmen. Das Bundesverwaltungsgericht hatte im September 2013 die Stadt Mainz zu 2200 Euro Schadenersatz verurteilt. Die Mutter musste ihre Tochter damals monatelang in einer privat organisierten Elterninitiative unterbringen, obwohl sie ihre Tochter rechtzeitig für einen Kita-Platz angemeldet hatte.

Die Mütter wurden zunächst Schadenersatz zugesprochen

In dem jetzigen Fall klagten Eltern aber erstmals auf Verdienstausfall. Die drei Familien hatten nämlich keinen privaten Betreuungsplatz in Anspruch genommen, nachdem ihre Kinder leer ausgegangen waren. Vielmehr waren die Mütter länger zu Hause geblieben. Für diesen Verdienstausfall wollten sie nun Schadenersatz von der Stadt Leipzig.
Vor dem Landgericht hatten die drei klagenden Mütter ihren Musterprozess noch gewonnen. Das Landgericht sprach ihnen im Frühjahr insgesamt 15.000 Euro plus Zinsen an Schadenersatz zu. Leipzig legte aber Berufung ein, sodass die nächsthöhere Gerichtsinstanz, also das OLG Dresden, den Fall entscheiden musste. Die Richter in Dresden bestätigten zwar, dass die Stadt Leipzig ihre Amtspflicht verletzt habe, weil sie nicht ausreichend für Kita-Plätze sorgte. Dem Argument der Stadt, bei den privaten Trägern habe es bauliche Verzögerungen gegeben, die die Stadt nicht zu verantworten habe, folgten die Richter nicht. Diese Amtspflichtverletzung führt aber nicht dazu, dass ein Elternteil seine Gehaltseinbußen einklagen kann, weil das Kind keinen Platz in der städtischen Betreuung bekam.

Nur das Kind hat einen Rechtsanspruch, nicht die Eltern

In der Begründung des Urteils heißt es, das Recht auf einen Kita-Platz nach Vollendung des ersten Lebensjahres stehe dem Kind zu. Dieses habe laut Gesetz einen Anspruch auf frühkindliche Förderung. Auf die Eltern könne dieses Recht nicht erweitert werden. Die Begründung wörtlich: „Den Klägerinnen selbst steht kein Anspruch auf einen Platz für ihr Kind in einer Kindertagesstätte zu. Anspruchsinhaber sei alleine das Kind.“ Die bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie für die Eltern sei nur eine Folge des Anspruchs des Kindes. „Mittelbare Schäden der Eltern, wie der Verdienstausfall, sind hier nicht inbegriffen“, so der 1. Zivilsenat in Dresden. (Aktenzeichen: OLG Dresden 1 U 319/15, 1 U 320/15, 1 U 321/15)
Allerdings hat das OLG Dresden die Revision zugelassen. Damit wird der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe das letzte Wort haben. Für Fälle der Amtshaftung, und um solch einen handelt es sich hier, ist der 3. Zivilsenat am BGH zuständig. Erfahrungsgemäß dauert es gut ein Jahr, bis es zur Verhandlung vor dem BGH kommt.

Betreuungsgeld gibt es auch nicht mehr

Für die Eltern ist das Urteil doppelt bitter. Nicht nur, dass sie nun erst einmal keinen Anspruch auf Verdienstausfall haben. Auch das Betreuungsgeld ist vom Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt worden. Zunächst bekamen Eltern, die keinen staatlichen Betreuungsplatz in Anspruch nehmen, 150 Euro im Monat Betreuungsgeld. Das Bundesverfassungsgericht erklärte das Bundesgesetz aber im Juli für verfassungswidrig, weil der Bund hierfür keine Regelungskompetenz habe.
Neue Anträge können seither nicht mehr gestellt werden. Nur wenn ein Bundesland Betreuungsgeld anbietet, gibt es noch einen kleinen finanziellen Ersatz. Bislang hat aber nur Bayern angekündigt, das Betreuungsgeld in eigener Regie fortzuführen. Die allermeisten Eltern werden also auf eine privat organisierte Betreuung zurückgreifen, wenn die Stadt trotz rechtzeitiger Anmeldung keinen Platz für das Kleinkind hat.

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