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Klimapolitik: Es fehlt der Wille zu Europa

Das Klimapaket erspart Deutschland eine internationale Blamage, aber es ist auch eine Kapitulation: vor Europa. Deutschland sollte mit Polen zusammenarbeiten, anstatt das Land zum Klimarumpelstilzchen zu stempeln.

Die Bundesregierung ist mit ihrem Klimaaktionsprogramm knapp am klimapolitischen Offenbarungseid vorbeigeschrammt. Die Chancen, das 2007 von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und Sigmar Gabriel (SPD) damals als Umweltminister in der vorhergehenden großen Koalition versprochene Klimaziel bis 2020 zu erreichen, sind mit dem am Mittwoch im Kabinett verabschiedeten Programm gestiegen. Ob Deutschland 2020 tatsächlich 40 Prozent weniger Treibhausgase ausstoßen wird als 1990, muss sich zeigen. Aber zumindest hat die Bundesregierung erkannt, dass sie eine internationale Blamage in der ersten Woche des 20. Weltklimagipfels in Lima nicht gebrauchen kann.

Trotzdem ist das Klimaaktionsprogramm ein Rückschritt. Die Renationalisierung der Klimapolitik ist in vollem Gang. In Großbritannien gelten inzwischen Mindestpreise für Kohlendioxid-Zertifikate im europäischen Emissionshandel, weil dieser mit Verschmutzungsberechtigungen überschwemmt ist, so dass der Preis pro Tonne CO2 konstant unter zehn Euro liegt. Weil in der Europäischen Union der politische Wille und die Kraft gefehlt haben, die Klimapolitik als wirtschaftliches Modernisierungsprogramm zu nutzen, stagniert sie auf EU-Ebene. Das mühsam ausgehandelte Klimaziel bis 2030, wonach die Europäische Union bis dahin 40 Prozent weniger Treibhausgase emittieren soll als 1990, ist kein Ausweis einer ehrgeizigen Klimapolitik. Dass mehr nicht ging, ist nicht nur die Schuld einer glücklosen EU-Kommission, sondern auch einer fahrlässig passiven deutschen Bundesregierung, die in Brüssel jahrelang vor allem durch Enthaltungen bei klimapolitischen Entscheidungen aufgefallen war, weil Union und FDP sich in Berlin nicht einigen konnten.

Polen gefällt sich als Klima-Watschenmann

Und es ist sogar noch schlimmer: Die Bundesregierung und vor allem die Wirtschaftsverbände haben mit Vehemenz einen Schuldigen außerhalb des Landes instrumentalisiert, nämlich Polen. Dass die ersten Reparaturversuche am Emissionshandel in Brüssel gescheitert sind, war die Schuld der deutschen Bundesregierung. Die große Koalition hat das dann zwar korrigiert, aber der Schaden war bereits angerichtet. Die Investoren im Emissionshandel sind der festen Überzeugung, dass Brüssel zu einer Reparatur nicht fähig ist. Deshalb ist das zentrale europäische Klimainstrument derzeit nichts anderes als eine Zockerbude für Spekulanten.

Die Schuld für dieses Reformversagen beim Emissionshandel haben deutsche Politiker gerne den Polen in die Schuhe geschoben, die sich dafür allerdings auch geradezu ideal anboten. In Brüssel heißt es nur noch: Die polnische Delegation ist nicht einverstanden. Warschau gibt in Brüssel seit Jahren mit Wonne das klimapolitische Rumpelstilzchen. Doch anstatt diese Konfrontation aufzubrechen, haben deutsche politische Interessenvertreter sich gerne auf der Position ausgeruht, dass die Polen schuld seien, und sie leider klimapolitisch nicht weiter gehen könnten. Kein anderes Land hätte bessere Chancen, das zu ändern, als Deutschland. Mit konkreten Energieeffizienzprojekten oder gemeinsamen Investitionen in erneuerbare Energien könnten Deutsche und Polen Vertrauen gewinnen – und gemeinsam Politik entwickeln. Dass das bis auf zwei konkrete Projekte in den vergangenen 20 Jahren nicht längst passiert ist, ist ein klimapolitisches Armutszeugnis – für Deutschland.

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