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Guido Westerwelle zu Besuch in Moskau.

© dpa

Konflikt in Syrien: Westliches Wunschdenken

Kurz vor dem nächsten Treffen der „Freunde Syriens“ in Paris ruht die Hoffnung auf einem Einlenken Russlands – vergeblich.

Der syrische Staatschef Baschar al Assad sieht seine Herrschaft nach eigenen Worten nicht gefährdet. Selbst Kritiker seiner Regierung unterstützten ihn im Kampf gegen die vom Ausland gelenkte Gewalt in seinem Land, sagte Assad am Donnerstag in einer Fortsetzung seines Interviews mit der türkischen Zeitung „Cumhuriyet“. Alle Erwartungen eines raschen Sturzes seiner Regierung hätten sich als falsch erwiesen. In dem Interview gestand Assad Fehler ein, weil bei der Bekämpfung der Opposition auch Unschuldige ums Leben gekommen seien. Aber im Vergleich mit dem Leid, das durch die Einmischung des Auslands angerichtet worden sei, seien diese Fehler gering.

Assad kündigte an, er werde den „Terror“ in seinem Land weiter bekämpfen und am Ende besiegen. Nachbarländern wie der Türkei warf er eine feindselige Haltung vor. Das war auch eine Botschaft an das für diesen Freitag vorgesehene dritte Treffen der „Freunde Syriens“, einer Gruppe westlicher und nahöstlicher Staaten, die auf Assads Sturz hinarbeiten. Bei dem Treffen in Paris dürften erneut Forderungen nach einer stärkeren Bewaffnung der Opposition zur Sprache kommen, da politischer Druck und Sanktionen das Regime in Damaskus offenbar nicht entscheidend schwächen können.

Auch die bisher vergeblichen Bemühungen, die syrischen Regimegegner zu mehr Einigkeit zu bewegen, dürften diskutiert werden. Russland und China wollen dem Treffen fernbleiben, was Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) laut der Nachrichtenagentur AFP ausdrücklich bedauerte. „Wenn zwei Mächte nicht an solchen Konferenzen teilnehmen, ist das kein gutes Zeichen“, sagte sie.

Außenminister Guido Westerwelle (FDP) traf derweil in Russland seinen Amtskollegen Sergei Lawrow, um über die Lage in Syrien zu sprechen. Westerwelle sagte nach dem Treffen, er sei nicht mit der Erwartung hergekommen, dass „wir heute in der Syrien-Frage einen gemeinsamen Durchbruch erzielen“. Für ihn sei wichtig gewesen, erneut den Handlungsspielraum auszuloten. Die beste Möglichkeit, den Krieg zu beenden, sieht Deutschland noch immer in der Umsetzung des Plans des UN-Sondergesandten Kofi Annan, der eine nichtmilitärische Lösung vorsieht.

Russische Medien hatten die Bemühungen des deutschen Chefdiplomaten, Russland zum Einlenken bewegen zu wollen, schon vor dessen Besuch für unmöglich erklärt. Durch die Worte Lawrows sahen sie sich, trotz seines verbindlichen Tons gegenüber „Freund Guido“, nur bestätigt. Russland lehnt Forderungen nach einem Rücktritt Assads kategorisch ab.

Kommende Woche reist eine Delegation der syrischen Opposition nach Moskau. Bei den Verhandlungen, hieß es gerüchteweise, werde es auch um Asyl für Assad und dessen Familie in Russland oder in Weißrussland gehen. Mit Vehemenz dementierte Lawrow: Russland habe schon bei den deutsch-russischen Regierungskonsultationen im Juni einen entsprechenden Vorschlag von Bundeskanzlerin Merkel als Scherz aufgefasst. „Unsere Delegation sah darin einen Witz und antwortete dann auch mit einem: Warum nehmt ihr Deutschen Herrn Assad nicht, wenn er irgendwo hin will?“, sagte Lawrow.

Moskau geht es nach eigener Darstellung weniger um Assad als ums Prinzip. Um das Völkerrecht, das den Sturz einer legitimen Macht – und das ist Assad aus russischer Sicht – als unzulässige Einmischung in innere Angelegenheiten verbietet. Einzige Ausnahme: Gewalt mit vielen Opfern. Doch anders als der Westen lastet Moskau das Blutvergießen nicht nur Assad, sondern auch den Rebellen an. Zudem liegen nicht nur zwischen russischem und westlichem Politikverständnis Welten; auch die Sicht auf das derzeitige internationale Kräfteverhältnis ist gänzlich unterschiedlich.

Deutschland ist zwar Moskaus Traumpartner für die wirtschaftliche Modernisierung, wird politisch jedoch als Mittelmacht wahrgenommen – wie die EU, die zur Freude Moskaus noch meilenweit entfernt ist von einer politischen Union. Russland muss daher weder mit Berlin noch mit Brüssel auf Augenhöhe verhandeln wie mit den USA und China. Bei einem Machtwechsel in Damaskus ginge Russland außerdem sein letzter loyaler Partner im Nahen Osten verloren.

In Syrien desertierten weitere Soldaten der Regierungstruppen. Nach Angaben der türkischen Behörden kamen ein General mit einigen Offizieren und einfachen Soldaten sowie deren Familien über die Grenze. Damit sind bereits 15 syrische Generäle in die Türkei geflohen. Auf der syrischen Seite der Grenze zur Türkei brachen Waldbrände aus, die teilweise auf türkisches Gebiet übergriffen. Zur Brandursache war zunächst nichts bekannt; türkische Dorfbewohner in der Gegend hatten in den vergangenen Wochen berichtet, syrische Soldaten hätten Feuer gelegt, um Flüchtlingen den Grenzübertritt in die Türkei zu erschweren.

Das Internetportal Wikileaks begann mit der Veröffentlichung von rund 2,4 Millionen E-Mails von syrischen Regierungsvertretern und Staatsbetrieben von 2006 bis zum März dieses Jahres. Die Mails seien peinlich für das Regime, aber auch für die Gegner Syriens, erklärte Wikileaks-Gründer Julian Assange. Teilweise gehe es um „intime Korrespondenz“ syrischer Führungsmitglieder und um Beziehungen zwischen der syrischen Regierung und westlichen Firmen. Die erste Enthüllung betraf die italienische High-Tech-Firma Finmeccanica, deren Produkte der Regierung in Damaskus bei der Unterdrückung der Opposition geholfen haben sollen.

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