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US-Präsident Barack Obama (rechts) traf sich am Montag mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

© AFP

Update

Konflikt um die Krim: Obama: Russland auf „falscher Seite der Geschichte“

Spitzendiplomaten versuchen weltweit, einen neuen Ost-West-Konflikt abzuwenden. Ungerührt baut Moskau auf der ukrainischen Halbinsel Krim seine Position aus. Kiew protestiert, die Lage wird täglich explosiver. Die USA bereiten Sanktionen gegen Russland vor.

Russland befindet sich laut US-Präsident Barack Obama im Ukraine-Konflikt „auf der falschen Seite der Geschichte“. Moskau dürfe nicht einfach internationales Recht brechen, sagte Obama am Montag bei einem Treffen mit Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu vor Reportern im Weißen Haus in Washington. „Russland kann nicht straffrei seine Soldaten einsetzen und die Grundprinzipien verletzen, die rund um die Welt anerkannt werden“, sagte der US-Präsident.

Wenn Russland weiter den Weg der Militärintervention beschreite, könne dies für das Land kostspielig werden, sagte Obama. Die USA dächten über eine ganze Reihe von Maßnahmen als Reaktion nach, um Moskau zu isolieren und ökonomisch zu schaden.

Eine Sprecherin des Außenministeriums hatte zuvor gesagt, die USA bereiteten Sanktionen gegen Russland vor. Es sei wahrscheinlich, dass sie erlassen würden, wenn sich die Lage in der Ukraine weiter so entwickle wie bisher. Ein mögliches russisches Ultimatum an die ukrainischen Streitkräfte auf der Krim bezeichnete die Sprecherin als „gefährliche Eskalation“. Es gebe aber bislang keine unabhängigen Informationen darüber, ob entsprechende Medienberichte über eine Fristsetzung durch die Russen richtig seien. Obama bezeichnete die Situation auf der Krim als „zutiefst beunruhigend“. Es müsse möglich sein, die Lage auf diplomatische Weise zu entschärfen. „Wir sollten in der Lage sein, internationale Beobachter einzusetzen“, sagte er.

EU droht Russland mit Konsequenzen

Die Lage im Konflikt um die ukrainische Schwarzmeer-Halbinsel Krim wird immer kritischer. Die EU droht Russland mit Konsequenzen für die gegenseitigen Beziehungen, wenn die Regierung in Moskau keine Schritte zur Entspannung im Ukraine-Konflikt unternimmt. „Wenn es zu keinen schnellen und glaubwürdigen Beiträgen zur Deeskalation Russlands kommt, dann werden Entscheidungen getroffen werden müssen, die das bilaterale Verhältnis EU-Russland berühren“, sagte Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) nach Krisenberatungen der EU-Außenminister zur Ukraine-Krise am Montag in Brüssel. Ein Beschluss der EU-Staaten nenne „die Verhandlungen zur Visa-Erleichterung und die Verhandlungen zum Folgeabkommen EU-Russland“.

Die EU-Außenminister berieten am Montag in der zweiten Sondersitzung innerhalb weniger Tage über die Krise in der Ukraine.

Die USA bereiten Sanktionen gegen Russland vor. Es sei wahrscheinlich, dass sie erlassen würden, wenn sich die Lage in der Ukraine weiter entwickle wie bisher, sagte die Sprecherin des Außenministerium in Washington, Jennifer Psaki, am Montag. Ein mögliches russisches Ultimatum an die ukrainischen Streitkräfte auf der Krim bezeichnete sie als „gefährliche Eskalation“. Die Vereinigten Staaten hätten aber bislang keine unabhängigen Informationen darüber, ob entsprechende Medienberichte über eine Fristsetzung durch die Russen richtig seien.

Russland hat nach dem Umsturz in Kiew nach offiziellen ukrainischen Angaben tausende Soldaten auf die Krim verlegt. Präsident Wladimir Putin ließ sich am Wochenende vom Parlament grünes Licht für eine militärische Intervention geben. Im Westen sorgt das Vorgehen Moskaus für große Beunruhigung und scharfe Kritik.

Aufmarsch gepanzerter Fahrzeuge

An der russischen Küste nahe der Halbinsel Krim kam es am Mittag nach Angaben ukrainischer Grenztruppen zu einem Aufmarsch gepanzerter Fahrzeuge. Diese bezögen Stellung bei einem Fährhafen auf der russischen Seite eines nur wenige Kilometer breiten Kanals, der die Krim von Russland trennt, sagte ein Sprecher der Grenztruppen am Montag. Russische Schiffe hätten zudem mit Manövern im Schwarzen Meer vor Sewastopol begonnen. Die russische Schwarzmeerflotte ist in der Hafenstadt auf der Krim stationiert.

Außerdem seien russische Kampfflugzeuge in der Nacht zu Montag zweimal in den ukrainischen Luftraum über dem Schwarzen Meer eingedrungen. Ukrainische Abfangjäger seien aufgestiegen und hätten Provokationen verhindert. Auf der Krim werde den Angaben der Ukraine zu Folge auch das Mobilfunknetz teilweise durch Russland blockiert.

Pro-russische Aktivisten demonstrieren vor der Regionalverwaltung in Donezk.
Pro-russische Aktivisten demonstrieren vor der Regionalverwaltung in Donezk.

© AFP

Bei Protesten in der ostukrainischen Stadt Donezk haben Hunderte prorussische Demonstranten die Regionalverwaltung teilweise besetzt. Nach einer Kundgebung gegen die neue Führung in Kiew hätten die Teilnehmer das Gebäude gestürmt, berichteten örtliche Fernsehsender am Montag. Die Demonstranten schwenkten russische Flaggen. Medien in Kiew äußerten Zweifel, ob es sich tatsächlich um Einheimische oder nicht doch um Provokateure handelt. Die Polizei griff zunächst nicht ein. Donezk gilt als Hochburg des entmachteten Präsidenten Viktor Janukowitsch.

Merkel telefonierte mehrfach mit Putin

Deutschland bemüht sich nach eigenen Angaben um eine politische Lösung des Konflikts. Mehrfach hat Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) nach Angaben von Regierungssprecher Steffen Seibert, am Wochenende mit Russlands Präsident Wladimir Putin gesprochen. Auch habe sie Telefonate zum Teil mehrfach mit dem ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk sowie Vertretern der westlichen Partner geführt. "Es ist noch nicht zu spät, die Krise friedlich zu lösen", sagte Seibert am Montag. Man habe es mit einem inakzeptablen russischen Vorgehen auf der Krim zu tun. Die militärische Intervention Russlands auf der Krim stehe im Widerspruch zu den Werten und Prinzipien der Vereinten Nationen und des Forums der sieben führenden Industrienationen der Welt (G7), die mit Russland im Juni in Sotschi zu einem G8-Gipfel zusammenkommen wollten. Die Vorbereitungen auf das Treffen wurden vorerst ausgesetzt. Seibert sprach von einer "Denkpause". In dieser Woche hätten sich die außenpolitischen Unterhändler der G-8 getroffen. Gleichzeitig forderte Merkel die Ukraine auf, russische Belange zu wahren. So sei es wichtig, dass Russisch als regionale Amtssprache weiterhin zulässig sei und russisch-orthodoxe Kirchen geachtet und gesichert würden.

Putin habe die Vorschläge, eine "Fact Finding Mission" für eine objektive Analyse der Situation ins Leben zu rufen und eine internationale Kontaktgruppe einzurichten, aufgegriffen. Wie genau diese "Fact Finding Mission" aussehen könne, wollte Seibert nicht sagen. Er betonte aber, dass die Bundesregierung nicht in "militärischen Kategorien" denke bei der Lösung des Konflikts.

Jazenjuk: Werde Krim niemals aufgeben

Der ukrainische Ministerpräsident Arseni Jazenjuk bekräftigte am Montag den Anspruch seines Landes auf die Krim. Die Ukraine werde die Halbinsel niemals aufgeben, sagt er der Nachrichtenagentur Interfax.

Russland hat am Wochenende faktisch die Kontrolle über die Krim übernommen, das Parlament in Moskau genehmigte einen Militäreinsatz in der Ukraine. Seither wächst die Angst vor militärischen Zusammenstößen. Russland wird nach Angaben von Finanzminister Anton Siluanow noch am Montag über Finanzhilfen für die ukrainische Halbinsel entscheiden.

Der russische Konzern Gazprom prüft nach Angaben seines Finanzvorstands eine Preiserhöhung für Gaslieferungen an die Ukraine nach dem ersten Quartal. Erst im Dezember hatte Russland den Gaspreis für die Ukraine gesenkt. Das Abkommen kann jedoch quartalsweise gekündigt werden. Offenbar in Erwartung höherer Preise nimmt die Ukraine nach Angaben von Uktransgas derzeit doppelt so viel Gas von Russland ab wie vor einem Jahr.

G7 bieten Ukraine finanzielle Unterstützung an

Truppenbewegung: Militärfahrzeuge außerhalb von Simferopol auf der Halbinsel Krim.
Truppenbewegung: Militärfahrzeuge außerhalb von Simferopol auf der Halbinsel Krim.

© Reuters

Die sieben führenden westlichen Industrieländer haben der Ukraine „starken finanziellen Rückhalt“ angeboten. Zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds (IWF) sollten die unmittelbaren wirtschaftlichen Herausforderungen bewältigt werden, erklärten die G7-Finanzminister am Montag. „Wir verfolgen aufmerksam die Situation in der Ukraine“, heißt es in der vom Bundesfinanzministerium in Berlin veröffentlichen Erklärung. Die G7-Länder seien sich einig, dass der IWF die am besten geeignete Einrichtung sei zur Hilfe durch politische Beratung und Finanzierung, die an notwendige Reformen gebunden sei. Zur G7 gehören die USA, Japan, Deutschland, Frankreich, Großbritannien, Kanada und Italien.

Die russische Notenbank hat derweil den Leitzins überraschend angehoben. Der Leitzins steige um 1,5 Prozentpunkte auf 7,0 Prozent, teilte die Zentralbank am Montagmorgen mit. Es war der erste Zinsschritt seit 17 Monaten. Experten sehen hierin eine Reaktion der Währungshüter zur Stärkung des russischen Rubel. Die Landeswährung war mit der Sorge vor einer Eskalation der Lage in der Ukraine zum US-Dollar auf ein neues Rekordtief abgerutscht. Auch zum Euro fällt der Rubel weiter ab. Zeitweise wurde am Montag für einen US-Dollar bis zu 36,90 Rubel bezahlt. Für einen Euro stieg der Kurs auf bis zu 50,21 Rubel. Seit Jahresbeginn ist die russische Währung auf Talfahrt. „Der Zinsschritt ist eindeutig eine Maßnahme zur Stabilisierung der russischen Währung“, sagte ein Experte der Bank of America. Die Notenbank werde durch geopolitische Faktoren unter starken Handlungsdruck gesetzt.

Ölpreise steigen

Die Ölpreise sind wegen der Sorge vor einer weiteren Verschärfung der Lage in der Ukraine kräftig gestiegen. Ein Barrel (159 Liter) der Nordseesorte Brent zur Lieferung im April kostete im frühen Handel 110,67 US-Dollar. Das waren 1,60 Dollar mehr als am Freitag. Der Preis für ein Fass der amerikanischen Ölsorte WTI stieg um 1,19 Dollar auf 103,78 Dollar. Die Unsicherheit in der Ukraine treibe die Ölpreise, sagte Rohstoffexperte Ric Spooner von CMC Markets.

Auch die Börse in Tokio hat am Montag nachgegeben. Der Nikkei-Index für 225 führende Werte notierte zum Handelsende einen Abschlag von 188,84 Punkten oder 1,27 Prozent bei 14 652,23 Punkten. Der breit gefasste Topix büßte 14,90 Punkte oder 1,23 Prozent auf 1196,76 Zähler ein.

OSZE berät über Entsendung einer Beobachtergruppe

Die EU will nach Worten von Kommissionspräsident Jose Manuel Barroso auf die Ukraine-Krise gemeinsam und “stark“ reagieren. Sie habe bereits ihre Sorge zum Ausdruck gebracht und arbeite mit dem Internationalen Währungsfonds an Hilfen für das Land, sagt er in Berlin.

Die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) berät in Wien über die Entsendung einer Beobachtergruppe in die Ukraine. Die Diplomaten sollen nach Angaben des Schweizer Außenministers und OSZE-Vorsitzenden Didier Burkhalter vor allem den Schutz der Minderheiten überprüfen. Auch soll auf der Sitzung über die Zusammensetzung einer internationalen Kontaktgruppe zur Lösung des Konflikts zwischen der Ukraine und Russland beraten werden.

Medwedew: Janukowitsch ist legitimer Präsident der Ukraine

Die russische Regierung hat derweil dem entmachteten ukrainischen Staatschef Viktor Janukowitsch den Rücken gestärkt und erkennt die Übergangsregierung nicht an. Auch wenn Janukowitsch seine Autorität nahezu eingebüßt habe, sei er „laut der Verfassung noch immer der legitime Staatschef“, erklärte der russische Ministerpräsident Dmitri Medwedew am Montag im sozialen Netzwerk Facebook. Russland hatte dem gestürzten Präsidenten nach dem Machtwechsel in Kiew Zuflucht gewährt. Die Absetzung Janukowitschs nannte Medwedew „willkürlich“. Medwedew betonte, Moskau sei bereit, eine „respektvolle Beziehung“ zum Nachbarland zu unterhalten, eine Zusammenarbeit mit der Übergangsregierung in Kiew schloss er aber aus. Diese sei für das Blutvergießen in der Ukraine verantwortlich und „hat die Macht ergriffen, indem sie die Verfassung und andere Gesetze brach“, sagte Medwedew. Die neue Ordnung in der Ukraine sei daher sehr instabil. „Es wird mit einer neuen Machtergreifung enden, mit neuem Blutvergießen“, sagte der Ministerpräsident. „Russland braucht eine starke und stabile Ukraine. Einen verlässlichen und wirtschaftlich starken Partner“, fügte er hinzu.

Auch Russlands Außenminister Sergej Lawrow verteidigte das Vorgehen seines Landes im Ukraine-Konflikt. Für Moskau gehe es dabei um die „Frage der Verteidigung unserer Bürger und Landsleute und der Sicherung ihrer Menschenrechte, insbesondere des Rechts auf Leben“, sagte Lawrow am Montag in Genf.

Jene Kräfte, die jetzt von einer Aggression sprächen und Russland mit Sanktionen und Boykott drohten, hätten zuvor einen echten politischen Dialog über die Lösung der Probleme in Kiew verweigert, sagte Lawrow vor dem UN-Menschenrechtsrat. Sie hätten damit „die ukrainische Gesellschaft polarisiert“. Lawrow warf der Übergangsregierung in Kiew vor, grundlegende Menschenrechte der Russen in der Ukraine zu missachten. Zudem habe sie Provokationen gegen die russische Schwarzmeerflotte auf der Krim vorbereitet. All dies habe bei Millionen von Russen, die auf der Krim und in den östlichen Landesteilen lebten, Empörung und Befürchtungen ausgelöst. Deshalb hätten sie Moskau um Hilfe und Schutz gebeten.

(Reuters/dpa/AFP)

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