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In den Trümmern eines Wohnhauses suchen Dumas Einwohner nach Verwertbarem. Der Ort bei Damaskus wird immer wieder von Regierungstruppen und deren Verbündeten angegriffen.

© Mohammed Badra/dpa

Konflitk zwischen der Türkei und Russland: Ankaras Piloten dürfen ohne Rücksprache Feuer eröffnen

Ein russischer Jet soll erneute türkischen Luftraum verletzt haben. Nun nehmen die Spannungen zwischen Ankara und Moskau wieder zu.

Nach dem erneuten Auftauchen eines russischen Kampfflugzeuges im türkischen Luftraum an der Grenze zu Syrien wachsen die Spannungen in der Region. Wie Medien meldeten, verlegte die türkische Luftwaffe zusätzliche Kampfflugzeuge ins Grenzgebiet. Außerdem erhielten die Piloten demnach freie Hand bei der Bekämpfung von Maschinen, die im türkischen Hoheitsgebiet operieren.
Bei dem jüngsten Vorfall, der sich nach türkischen Angaben am Freitag um die Mittagszeit abspielte, war ein russischer Jet des Typs SU-34 über die Grenze in den türkischen Luftraum geflogen. Der Pilot sei mehrmals auf Russisch und auf Englisch gewarnt worden. Das Außenamt in Ankara bestellte den russischen Botschafter ein und protestierte gegen den Vorfall, der von Moskau als Propaganda abgetan wurde. Die Nato und die US-Regierung kritisierten das russische Vorgehen.

Im November hatten türkische Kampfjets eine russische Maschine an der Grenze zu Syrien abgeschossen und damit eine schwere Krise in den Beziehungen zwischen Ankara und Moskau ausgelöst. Präsident Recep Tayyip Erdogan warnte nach dem erneuten Vorfall, Russland werde die Konsequenzen zu tragen haben, wenn es weitere Luftraumverletzungen geben sollte. Erdogan verwies ausdrücklich auf die Nato-Mitgliedschaft seines Landes und sagte, er wolle das Problem mit dem russischen Staatschef Wladimir Putin persönlich besprechen. Eine Antwort des Kremls stand am Sonntag allerdings noch aus.

Erhöhte Alarmbereitschaft

Mit der Verlegung der zusätzlichen Kampfflugzeuge nach Südostanatolien und dem Schießbefehl für die Piloten wächst das Risiko eines erneuten Zusammenstoßes zwischen der Türkei und Russland. Bisher mussten sich die Besatzungen der türkischen Jets bei der Militärführung rückversichern, bevor sie das Feuer auf mutmaßliche Gegner eröffneten. Diese Notwendigkeit entfalle jetzt, berichtete jetzt die regierungsnahe Zeitung „Yeni Safak“. Das Personal auf mehreren türkischen Luftwaffenstützpunkten wurde in erhöhte Alarmbereitschaft versetzt.

Russische und türkische Kampfflugzeuge kommen sich in die Quere, weil die russische Luftwaffe den Vormarsch syrischer Regierungstruppen in der Nähe der Grenze im Nordwesten Syriens unterstützt. Nach Regierungsangaben aus Ankara besteht das Ziel der Offensive darin, das Gebiet nordöstlich der syrischen Hafenstadt Latakia am Mittelmeer und die an die Türkei grenzende Provinz Idlib für das Regime zu sichern; Latakia ist eine Hochburg von Präsident Baschar al Assad. Laut der offiziellen türkischen Nachrichtenagentur Anadolu waren in den vergangenen Tagen bei russischen Luftangriffen in Idlib mindestens 18 Zivilisten ums Leben gekommen.

Die Gefechte in dem Gebiet treiben vermehrt Flüchtlinge über die Grenze in die Türkei. Ein Vertreter der syrischen Turkmenen, die enge Verbindungen mit der Türkei haben, sagte der Zeitung „Hürriyet“, ein Flüchtlingslager auf syrischem Boden sei aus der Luft angegriffen worden. Deshalb wollten die Turkmenen die Lager in der Gegend auflösen und die dort lebenden Menschen in die Türkei schicken. In dem Lager Yamadi halten sich demnach 20.000 Menschen auf. In Anspielung auf die russische Unterstützung bei den Angriffen auf die Turkmenen war in der „Hürriyet“ von „Putins Fluchtwelle“ die Rede.

Ankara will mehr Geld von der EU

Ankara warnt seit Monaten vor einem neuen Andrang von Flüchtlingen wegen eskalierender Gefechte im Norden Syriens, wo auch um die Großstadt Aleppo gekämpft wird. Der Kriegseintritt Russlands auf der Seite Assads könnte demnach bis zu eine Million zusätzliche Flüchtlinge in die Türkei treiben, wo nach Regierungsangaben bereits fast 2,6 Millionen Syrer leben. Ein neuer Ansturm auf die Türkei könnte auch die Zahl der Flüchtlinge in Europa weiter ansteigen lassen.

Im Rahmen ihrer Zusagen an die EU in der Flüchtlingsfrage und angesichts der hohen Zahl der Schutzsuchenden spricht Ankara inzwischen von der Notwendigkeit, die Neuankömmlinge in die türkische Gesellschaft zu integrieren; bisher gelten die Syrer in der Türkei als „Gäste“, von denen erwartet wird, dass sie irgendwann wieder gehen. Nun aber sagte Familienministerin Sema Ramazanoglu, 85 Prozent der Syrer im Land würden nicht mehr in ihre Heimat zurückkehren. Die Lösung liege deshalb in der Integration der Menschen. Ihr Ministerium plant sogenannte Familien-Zentren, in denen syrische Frauen Sprachkurse besuchen können. Die Regierung hatte kürzlich zudem die Erteilung von Arbeitsgenehmigungen an Syrer in Aussicht gestellt.

Für ihre Unterstützung soll die Türkei von der EU mit Fortschritten im Beitrittsprozess, Reiseerleichterungen und Milliardenhilfen belohnt werden. Laut der „Welt“ verlangt Ankara von Brüssel inzwischen fünf Milliarden Euro, weit mehr als die schon zugesagten drei Milliarden. Eine Stellungnahme Ankaras dazu lag zunächst nicht vor. Die türkische Regierung sagt aber seit Langem, dass die drei Milliarden nur ein Anfang sein können und nicht die benötige Gesamtsumme darstellen.

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