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Wolfgang Schäuble nimmt nach seiner Wahl den Platz des Parlamentspräsidenten ein.

© AFP

Konstituierung des neuen Bundestags: Was am ersten Tag geschah und warum

Der 19. Bundestag ist konstituiert. Bis er richtig arbeiten kann, wird noch Zeit vergehen. Was haben die Abgeordneten der ersten Sitzung beschlossen? Fragen und Antworten zum Thema.

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Der 19. Bundestag ist am Dienstag zu seiner konstituierenden Sitzung zusammengekommen. Der FDP-Politiker Hermann Otto Solms eröffnete die Sitzung, bei der die 709 Abgeordneten ihren Bundestagspräsidenten wählten. Voran ging eine Geschäftsordnungsdebatte.

Warum hat Hermann Otto Solms die konstituierende Sitzung eröffnet?

In der Vergangenheit hat traditionell der älteste Abgeordnete die konstituierende Sitzung des Bundestags eröffnet. Dieser leitet die Versammlung bis zu dem Moment, an dem die Parlamentarier ihren Bundestagspräsidenten gewählt haben. Angesichts des absehbaren Einzugs der rechtspopulistischen AfD wurde die Regelung in der vergangenen Wahlperiode modifiziert. Nun obliegt es dem dienstältesten Parlamentarier, die Sitzung zu eröffnen. Eine Mehrheit des Bundestags wollte so dafür sorgen, dass nicht einem AfD-Politiker und damit auch einem Parlamentsneuling die Bühne bei der konstituierenden Sitzung gehören würde. Eigentlich ist der CDU-Politiker Wolfgang Schäuble derjenige, der dem Parlament am längsten angehört. Da die Unionsfraktion ihn aber für das Amt des Bundestagspräsidenten vorgeschlagen hatte, durfte Solms als Zweit-Dienstältester die Eröffnung übernehmen.

Die Abgeordneten haben eine gute halbe Stunde lang über die Geschäftsordnung debattiert. Was regelt diese?

In der ersten Sitzung der Wahlperiode gibt sich der Bundestag eine Geschäftsordnung, an die sich die Abgeordneten halten müssen. Diese regelt den parlamentarischen Betrieb: Hier werden zum Beispiel die Redezeiten im Plenum festgelegt, aber auch, wann einem Abgeordneten das Wort entzogen werden kann. Die Geschäftsordnung sagt, welche Nebeneinkünfte Abgeordnete anzeigen müssen. Und es gibt konkrete Verabredungen, wann ein Mitglied der Bundesregierung zu einer Bundestagssitzung herbeigerufen werden kann oder wie eine Regierungsbefragung ablaufen soll. Eine Debatte über die Geschäftsordnung wurde deshalb für die konstituierende Sitzung vereinbart, weil SPD, Linke und AfD Änderungsanträge gestellt haben.

Was wollen SPD, Linke und AfD an der Geschäftsordnung ändern?

Die SPD-Bundestagsfraktion wirbt dafür, die bisherige Praxis der Regierungsbefragung und der Fragestunde zu ändern, um diese lebendiger zu machen. Der Antrag sieht unter anderem vor, dass die Bundeskanzlerin sich mindestens viermal im Jahr im Bundestag der Befragung durch die Abgeordneten stellen soll. Auch die Linksfraktion setzt sich für eine Reform der Regierungsbefragung ein. In einem weiteren Antrag hat sie außerdem gefordert, die Einsetzung von vier bestimmten Ausschüssen in der Geschäftsordnung vorzuschreiben, damit der Bundestag trotz der Sondierungsgespräche mit seiner Arbeit beginnen kann. Die AfD wiederum kritisiert in einem Antrag die Regelung zum Alterspräsidenten, die vom letzten Bundestag verabschiedet wurde: Dieses Amt hat nun nicht mehr der älteste Abgeordnete inne, sondern der Dienstälteste. Alle vier Anträge wurden nicht in der Sache behandelt, sondern mit den Stimmen von Union, FDP und Grünen an den Ältestenrat überwiesen.

Wird es denn in dieser Wahlperiode eine Reform der Regierungsbefragung geben?

Das ist gut möglich. Auch FDP und Grüne machten in der Sitzung deutlich, dass sie eine Veränderung der Debattenkultur wollen. Die Parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Bundestag, Britta Haßelmann, erinnerte an eine entsprechende Initiative ihrer Fraktion aus der vergangenen Wahlperiode, die von der großen Koalition damals abgelehnt wurde. Diese sei in Sachen Stärkung des Parlaments und Transparenz deutlich weitgehender gewesen als der Antrag, den die SPD nun vorgelegt habe. Im Vor-Ältestenrat hatte Haßelmann deshalb vorgeschlagen, dass alle Fraktionen ihre Vorstellungen zu einer Änderung der Geschäftsordnung vorlegen sollten und dann „sehr zeitnah“ darüber beraten werden solle. „Sie wollten uns einfach vorführen“, kritisiert die Grünen-Politikerin. Auch ihr FDP-Kollege Marco Buschmann kritisierte, es gehe SPD und Linkspartei nur um „Effekthascherei“.

Die Regierung ist vom Bundespräsidenten entlassen worden. Wer regiert nun das Land?

Anders als bei normalen Sitzungen des Bundestages blieben die Plätze der Bundesregierung bei der konstituierenden Sitzung am Dienstag leer. Der Grund dafür liegt im Grundgesetz, das im Artikel 69 vorsieht, dass die Amtszeit einer Bundesregierung spätestens 30 Tage nach der Bundestagswahl, also an dem Tag der konstituierenden Sitzung eines neu gewählten Bundestages, endet. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier empfing Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und ihre Minister der großen Koalition am Dienstagnachmittag und überreichte ihnen ihre Entlassungsurkunden.

Dabei lobte das Staatsoberhaupt Merkels Kabinett als eines, das „Großes bewegen musste“. Schließlich seien die zurückliegenden vier Jahre durch Krisen und Konflikte gekennzeichnet gewesen. Zugleich sei Deutschland „ins Zentrum der europäischen und internationalen Verantwortung gerückt“, der sich die Regierung Merkel „gestellt“ habe. Als innenpolitische Wegmarken nannte Steinmeier die „umfassende Neuorientierung in der Energiepolitik“, die Einführung eines flächendeckenden Mindestlohns und Reformen im Rentensystem und bei der Pflegeversicherung, Abbau von Diskriminierungen und Anstrengungen beim Wohnungsbau und in der Modernisierung der Verkehrsinfrastruktur. Zur Aufnahme von Flüchtlingen in Deutschland sagte Steinmeier ausdrücklich an Kanzlerin Merkel gerichtet, ihre Regierung habe „schnell und entschieden reagieren“ müssen: „Das hat sie getan.“

Ebenfalls nach Artikel 69 des Grundgesetzes hatte der Bundespräsident die Kanzlerin zuvor gebeten, die Geschäfte der deutschen Regierung mit ihrem Kabinett bis zur Ernennung einer neuen Bundesregierung weiterzuführen. Es ist dabei üblich, dass diese geschäftsführende Regierung ihre politischen Entscheidungen auf das Nötigste begrenzt, um der kommenden Regierung keine Vorgaben zu machen.

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