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Diplomatische Verwicklungen. Horst Seehofer hatte die „Südschiene“ Bayerns mit Baden-Württemberg wegen des Siegs von Winfried Kretschmanns Grünen aufgekündigt. Jetzt finden beide Ministerpräsidenten beim Atomausstieg wieder zusammen.

© dpa

Schwarz-Grün: Kretschmanns Thesen sind nicht konsensfähig

Winfried Kretschmanns Aussagen zum Atomausstieg und zu Schwarz-Grün sind der eigenen Partei lästig. Doch nicht nur bei den Grünen stößt der Ministerpräsident auf Widerstand.

Von Hans Monath

Selten hat ein Ministerpräsident mit einem einzigen Interview sowohl beim politischen Gegner als auch im eigenen Lager so schnell Widerspruch provoziert wie Winfried Kretschmann am Wochenende mit Aussagen zum Atomausstieg und zu den neuen Chancen einer schwarz-grünen Koalition im Bund. Zehn Tage vor dem Sonderparteitag der Grünen zum Atomausstieg wandten sich sowohl Realpolitiker wie Vertreter des linken Flügels der Ökopartei dagegen, das Urteil über den Atomausstieg mit Koalitionsdebatten zu verknüpfen. Unionspolitiker wiesen das Werben des ersten grünen Landesvaters um schwarz-grüne Bündnisse am Dienstag zurück.

Kretschmann hatte seine Partei davor gewarnt, durch ein Nein zu Merkels Atomausstieg Entwicklungsmöglichkeiten zu verschenken. Er sei für die Grünen „ohne Frage ein epochaler Sieg“, sagte er dem Tagesspiegel. Mit dem Kursschwenk von Kanzlerin Angela Merkel sei eine wesentliche Hürde für ein Bündnis mit der Union gefallen und Gräben „wieder eingeebnet“ worden. Eine Koalition mit der Union werde dadurch nach der Wahl 2013 aber nicht zur zwingenden Option.

Die Grünen-Führung im Bund zeigte sich wenig begeistert über die Aufladung der Debatte zum Atomausstieg durch Bündnispläne. „Koalitionsdebatten helfen bei der Bewertung der schwarz-gelben Gesetzentwürfe zum Atomausstieg im Moment nicht weiter“, sagte Bundesgeschäftsführerin Steffi Lemke dem Tagesspiegel. Gemeinsame Aufgabe der Grünen bleibe es, „in den Ländern grüne Inhalte in Regierungshandeln umzusetzen und 2013 Schwarz-Gelb im Bund abzulösen“. Für diese beiden strategischen Prioritäten müssten die Grünen streiten, sagte die Vertreterin der Parteilinken.

Auch grüne Realpolitiker, die vor dem Parteitag offen für eine Zustimmung zum Ausstiegsbeschluss werben, gingen auf Distanz zu Kretschmanns Vorstoß. „Ich halte gar nichts davon, die Debatte über den Atomausstieg mit koalitionsstrategischen Fragen zu verknüpfen“, sagte die niedersächsische Bundestagsabgeordnete Brigitte Pothmer. Die Koordinatorin der Realpolitiker in der Partei sagte, sie hoffe, „dass wir einen gesellschaftlichen Konsens zum Atomausstieg umsetzen können, wenn die Ausstiegsgesetze die grüne Prüfung bestehen“.

Hintergrund der Warnung ist die Befürchtung, dass schwarz-grüne Signale das erwünschte klare Ergebnis des Parteitags gefährden, weil der linke Parteiflügel solche Bündnisse generell sehr skeptisch sieht. Die Union würde nach Meinung der Grünen-Spitze ein uneindeutiges Parteitagsvotum als Beweis der Regierungsunfähigkeit der Ökopartei anprangern.

Tatsächlich bewerten Vertreter des linken Parteiflügels den Atomausstieg nicht nur nach sachlichen Kriterien, sondern sehen darin auch ein Öffnungssignal der CDU hin zur Ökopartei. „Angela Merkel will mit ihrem Atomausstieg nach der SPD und der FDP nun auch noch die Grünen kaputt machen“, sagte der Basis-Grüne Robert Zion dem Tagesspiegel. Er warne deshalb den Parteitag davor, ihrem Atomausstieg ein grünes Gütesiegel zu geben und ihr den Weg für schwarz-grüne Koalitionen freizumachen.

Bayerische Grünen-Politiker halten nach der Atomwende selbst ein Bündnis mit der CSU nach der Landtagswahl 2013 für möglich. Allerdings werde sich die CSU auf vielen Feldern bewegen müssen, sagte Fraktionschef Martin Runge den „Nürnberger Nachrichten“.

Die CDU reagierte ablehnend auf Kretschmanns These. Sie sei ein „vergiftetes Angebot“, sagte CDU-Bundesvorstandsmitglied Philipp Mißfelder. Kretschmann versuche Streit in die Reihen der CDU und in die schwarz-gelbe Koalition zu bringen. Es sei „völliger Unfug“, zwei Jahre vor der nächsten Bundestagswahl über die Koalition zu diskutieren. „Ich sehe das sehr kritisch. Schwarz-Grün passt nicht zusammen“, sagte der Chef der Jungen Union.

Die Sozialdemokraten dagegen zeigten sich angesichts von Kretschmanns schwarz-grünen Überlegungen demonstrativ unaufgeregt. „Angesichts der Schwäche der Union im Bund kann die SPD solche Gedankenspiele sehr gelassen sehen“, sagte der Chef der SPD-Landesgruppe Baden-Württemberg im Bundestag, Christian Lange. Für diese Koalition werde es keine Mehrheit geben. Die Grünen sollten zudem „die CDU erst einmal auf mehr Demokratie polen, zum Beispiel im Umgang mit dem Bauprojekt Stuttgart 21, bevor sie laut über eine Juniorpartnerschaft mit der Union nachdenken“, empfahl der SPD-Politiker. mit dpa

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