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Scharfe Bewachung: Bei der Verteidigung des Luftraums ist die türkische Armee nicht zimperlich.

© Emmanuel Dunand/AFP

Update

Krieg in Syrien: Türkei droht mit Abschuss russischer Jets

Ein russisches Kampfflugzeug ist in den türkischen Luftraum an der Grenze zu Syrien eingedrungen. Der Jet wurde abgefangen.

Nur zwei Minuten dauerte die gefährliche Begegnung – doch sie könnte Vorbote einer direkten Konfrontation zwischen dem NATO-Land Türkei und Russland im Rahmen des Syrien-Konflikts gewesen sein. Wie am Montag bekannt wurde, drang ein russischer Kampfjet am vergangenen Samstag während eines Einsatzes über Nordwest-Syrien in den türkischen Luftraum ein. Die türkische Luftwaffe schickte zwei ihrer eigenen Kampfflugzeuge, um den russischen Jet zu vertreiben. Beim nächsten Mal werde geschossen, erklärte Ankara anschließend.

Klare Warnung an Russland

„Unsere Einsatzregeln sind klar, egal um wen es sich handelt“, sagte Ministerpräsident Ahmet Davutoglu in einem Fernsehinterview. „Nicht einmal ein Vogel“ könne ungestraft den türkischen

Luftraum verletzen. Das Außenamt in Ankara bestellte den russischen Botschafter ein und las ihm die Leviten. Sollte sich ein ähnlicher Verstoß gegen die türkische Souveränität wiederholen, werde Russland allein für „ungewollte Zwischenfälle verantwortlich“ sein – eine klare Warnung, dass russische Jets demnächst unter türkischen Beschuss geraten könnten.

Die Türkei will sich nun eng mit der NATO abstimmen; auch das ist ein Hinweis darauf, dass Ankara in dieser Sache keinen Spaß versteht. Noch für Montag sei ein Treffen der Nato einberufen worden, verlautete aus dem türkischen Außenministerium. Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg bezeichnete die Verletzung des türkischen Luftraums als inakzeptabel und bestätigte das anberaumte Treffen.

Erst am Wochenende hatte der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan von einem „schweren Fehler“ der Russen in Syrien gesprochen. Während die Türkei den Sturz des syrischen Präsidenten Baschar al-Assad anstrebt, ist Russland Assads wichtigster Verbündeter. Der Syrien-Konflikt, der gerade eben mit der russischen Militärintervention zugunsten der Regierung in Damaskus eine neue Wendung erhielt, könnte in eine größere Auseinandersetzung zwischen dem Westen und Moskau umschlagen.

Regeln für Luftabwehr wurden 2012 verschärft

Das möchte wohl auch Wladimir Putin vermeiden: Moskau bemühte sich am Montag darum, die Lage nicht weiter eskalieren zu lassen. Es habe sich um einen Navigationsfehler gehandelt und werde nicht wieder vorkommen, sagten russische Regierungsvertreter dem türkischen Militärattaché in Moskau. Doch als reine Panne sieht die Türkei die Angelegenheit nicht. Schon am vergangenen Freitag war ein russisches Kampfflugzeug bei einem Einsatz über Syrien der türkischen Grenze sehr nahe gekommen. Am Sonntag richteten MIG-29-Jets im Norden Syriens ihren Radar auf zwei türkische Kampfflugzeuge, die an der Grenze unterwegs waren – die technische Vorstufe eines Beschusses. Die MIGs waren wahrscheinlich syrische Maschinen.

Die Lage ist brandgefährlich. Bereits mehrmals hat das türkische Militär syrische Kampfhubschrauber und Flugzeuge vom Himmel geholt, die bei Kampfeinsätzen gegen Rebellen in den türkischen Luftraum flogen. Die türkischen Einsatzregeln, von denen Davutoglu sprach, definieren jede Flugbewegung nahe der Grenze als potenzielle Bedrohung, die bekämpft werden kann. Die Regeln waren nach dem Abschuss eines türkischen Aufklärungsjets durch die syrische Luftabwehr im Jahr 2012 verschärft worden.

Das türkische Misstrauen gegenüber Russland wird verstärkt von der Tatsache, dass russische Jets bisher vor allem gemäßigte Rebelleneinheiten in Syrien angreifen, statt Stellungen des Islamischen Staates (IS) zu bombardieren. Davutoglu sagte, die russischen Angriffe richteten sich gegen die vom Westen unterstützte Freie Syrische Armee (FSA) und spielten damit dem IS in die Hände. Die syrische Gegend gegenüber der türkischen Grenzprovinz Hatay, wo sich die Luftraumverletzung vom Samstag abspielte, wird von islamistischen Gruppen beherrscht, die nicht zum IS gehören.

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