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Assad besucht seine Truppen. Besiegen lässt er sich derzeit nicht.

© dpa

Kriegseinsatz in Syrien: Erst den IS bekämpfen, dann Assad absetzen

Es gibt zwei mögliche Motive, um in Syrien zu intervenieren: Der so genannte "Islamische Staat" und die Zunahme an Flüchtlingen. Doch Syrien ist ein Sumpf. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Das Ziel des Militäreinsatzes in Syrien ist laut Bundestagsmandat, über das an diesem Freitag abgestimmt wird, die „Verhütung und Unterbindung terroristischer Handlungen“. Die Intervention gilt der Schwächung des „Islamischen Staates“ und wird von der Regierung als „weiterer Schritt“ zu einer politischen Lösung gewertet. Das klingt vage und nebulös. Wie soll man sich eine politische Lösung in einem ehemaligen Staatsgebilde vorstellen, in dem ein gutes Dutzend fremder Mächte intervenieren und unterschiedliche Interessen verfolgen? Soll Aktionismus das Fehlen eines Planes kaschieren?

Zersplitterte Gesellschaft: Mühsame Suche nach Verbündeten

Zu einer nüchternen Sicht auf die Lage gehört die Einsicht, dass es in Syrien derzeit keine politische und militärische Macht gibt, die in der Lage wäre, eine neue zivile legitime Herrschaft über das Land zu errichten. Dessen Fragmentierung in mehrere Einflusszonen – Kurden, Schiiten, Sunniten, Alawiten – wird man daher auf absehbare Zeit akzeptieren müssen.

Die Rebellengruppen sind in mehr als hundert Fraktionen zersplittert, zum Teil sind sie islamistisch beeinflusst, einige von ihnen sehen in Baschar al Assad das größere Übel, andere in den IS-Terrormilizen. Die wenigen moderaten, säkularen Oppositionskräfte sind zu schwach, um gegen die Soldaten Assads und die IS-Dschihadis bestehen zu können.

Da wiederholt sich ein Muster, das bereits in Libyen und Ägypten zu beobachten war. Die dominanten Elemente nach dem Sturz eines muslimischen Diktators sind entweder religiös radikal oder militaristisch-autokratisch (Tunesien bildet eine Ausnahme). Auch in Afghanistan und dem Irak hat der Westen bis heute große Mühe, natürliche Verbündete zu finden, mit denen er nicht nur einen Gegner teilt, sondern auch Werte.

Einzig realistisches Ziel: Expansion des IS aufhalten

Wenn aber in Syrien derzeit keine Gruppe existiert, auf die es sich lohnt, seine Hoffnungen zu setzen, kann das einzig realistische Ziel sowohl der militärischen Maßnahmen als auch des politischen Prozesses nur darin bestehen, die gegenwärtigen Einflusszonen einzufrieren. Dazu gehört vor allem, die Expansionsdynamik des „Islamischen Staates“ zu brechen. Dafür müssen die kurdischen und irakischen Verbände weiter aufgerüstet und ausgebildet werden.

Außerdem ist es notwendig, die finanzielle Infrastruktur der IS-Milizen zu zerstören – Öl-Anlagen, Antiquitätenhandel, Lösegelderpressungen durch Geiselnahmen. Eine islamistische Bewegung, die nur noch die Müllabfuhr von Rakka regelt, büßt ihre Attraktivität auf Sympathisanten in aller Welt rasch ein.

Und Assad? Leider gilt die Regel: Je vehementer deklamiert wird, dass eine politische Lösung nur ohne den Despoten möglich ist, desto höher sind die Hürden für eine solche Lösung. Je stärker der Fokus auf Assad gerichtet wird, desto wichtiger können sich er und seine Schutzmächte, Russland und Iran, nehmen. Ja, der Schlächter von Damaskus muss weg. Aber bis es so weit ist, wäre schon viel gewonnen, wenn es auf diplomatischem Wege gelänge, dessen Eskalationspotenziale zu beschneiden.

Syrien ist ein Sumpf. Wer zwei gute und akute Gründe hat, dennoch dort hineinzugehen – Terrorgefahr und Flüchtlinge –, darf keine Illusionen haben und seine eigenen Veränderungsmöglichkeiten nicht durch zu hohe moralische Maßstäbe blockieren. Dann kann es klappen.

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