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Umstrittener Stoff: Verpackung eines Unkrautvernichtungsmittel, das den Wirkstoff Glyphosat enthält

© dpa/Patrick Pleul

Update

Kritik an Glyphosat-Zulassung: Grüne fordern Schmidts Entlassung nach Glyphosat-Alleingang

Das CSU-geführte Landwirtschaftsministerium stimmt für die Glyphosat-Zulassung. SPD und Grüne sind empört. Renate Künast fordert Aufklärung und Konsequenzen.

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Die Grünen fordern Aufklärung über das Zustandekommen des deutschen Votums für eine weitere Zulassung für das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat in der EU. Die frühere Ressortchefin Renate Künast nannte es einen „ungeheuren Vorgang“, dass Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) ungeachtet der üblichen Ressortabstimmung in der Regierung zugestimmt habe. „Ich möchte wissen, ob das mit Wissen von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) passiert ist.“ Ansonsten müsse sie den Minister entlassen, sagte Künast der Deutschen Presse-Agentur. Diese Forderung birgt einigen Zündstoff. Ungeachtet der Verhandlungen um eine erneute große Koalition zwischen Union und SPD steht auch weiterhin eine Minderheitenkoalition mit den Grünen im Raum.

Schmidts Votum für die weitere Zulassung belastet aber auch die Diskussion um die erneute Bildung einer GroKo. Die Entscheidung kam am Montag in Brüssel mit der entscheidenden Stimme Deutschlands zustande. Diese Zustimmung war in der geschäftsführenden Bundesregierung aber offensichtlich nicht abgesprochen.

Ich würde sagen, Rücktritt von Christian Schmidt oder keine Große Koalition. Ein Minister darf nicht alleine gegen die Stimmen von so vielen Bürgern und der möglichen Koalitionsparteien handeln.

schreibt NutzerIn amaranta

Schmidt bekräftigte, bei seinem Ja auf eigene Faust gehandelt zu haben. „Ich habe eine Entscheidung für mich getroffen und in meiner Ressortverantwortung“, antwortete der CSU-Politiker am Dienstagmorgen im ARD-„Morgenmagazin“ auf die Frage, ob er vor seinem Ja vom Montag die Bundeskanzlerin informiert habe. „Das sind Dinge, die man auf die Kappe nehmen muss. Dazu ist man da. Politiker, die nie entscheiden, ecken zwar nie an. Das sind aber auch nicht die, die das Land voranbringen“, sagte Schmidt zur Verteidigung seiner Entscheidung.

Umweltministerin Barbara Hendricks (SPD) kritisierte die deutsche Zustimmung als Vertrauensbruch. Sie habe noch am Montag Schmidt (CSU) erklärt, sie sei „mit einer Verlängerung der Zulassung von Glyphosat weiterhin nicht einverstanden. Es war daher klar, dass Deutschland sich auch in der Sitzung des Berufungsausschusses enthalten musste.“ Dennoch habe der Vertreter des Landwirtschaftsministeriums in Brüssel für eine Verlängerung gestimmt – wer an „Vertrauensbildung zwischen Gesprächspartnern interessiert“ sei, könne sich so nicht verhalten, sagte Hendricks.

Frage, "ob die Mäuse auf dem Tisch tanzen"

SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles richtete eine scharfe Warnung in Richtung Union: Schmidts nicht abgestimmte "einsame Entscheidung" sei ein "schwerer Vertrauensbruch" in der geschäftsführenden Bundesregierung. Mit Blick auf eine großen Koalition hoffe sie, "dass dieser Crashkurs jetzt nicht fortgeführt wird". Es stelle sich die Frage, ob die Bundeskanzlerin ihre eigenen Leute noch "im Griff" habe oder "ob da die Mäuse auf dem Tisch tanzen", sagte Nahles: "Wir empfinden das wirklich als schwere Belastung."

SPD-Vize Ralf Stegner sagte in den ARD-"Tagesthemen", Schmidts Votum sei „ein glatter Vertrauensbruch“ und widerspreche auch der Geschäftsordnung der Bundesregierung. Da die SPD vorher Nein zu einer Verlängerung der Zulassung gesagt habe, hätte Schmidt sich enthalten müssen.

Die SPD frage sich, ob die Bundeskanzlerin davon gewusst habe, sagte Stegner. Er sprach von einem „ordentlichen Schlag ins Kontor“. Dies diene nicht den laufenden Gesprächen, die jetzt auf Wunsch des Bundespräsidenten zwischen den Parteien geführt werden, um eine Regierungsbildung zu ermöglichen.

Schmidt beruft sich auf Biodiversität und Tierschutz

„Mit unserer heutigen Zustimmung zur weiteren Zulassung von Glyphosat für fünf Jahre konnten wir wichtige Bedingungen durchsetzen“, teilte hingegen Agrarminister Schmidt mit. Er nannte etwa eine „Stärkung der Rolle von Biodiversität und Tierschutz“. Die EU-Kommission hätte sich ohnehin für die Verlängerung der Zulassung von Glyphosat entschieden, so Schmidt. „Die Kommission hätte damit den Wirkstoff ohne diese Bedingungen verlängert. Meine Position war immer: Wenn eine wissenschaftliche Grundlage vorhanden ist, gibt es einen Anspruch auf die weitere Nutzung von Glyphosat. Nach wie vor liegen keine wissenschaftlichen Gründe dafür vor, die weitere Nutzung von Glyphosat zu untersagen.“ Schmidt kündigte an, „zusätzliche Maßnahmen im Sinne restriktiverer Anwendungen“ von Glyphosat auf nationaler Ebene ergreifen zu wollen.

Lauterbach: CSU mach sich zum „Knecht der Agrarindustrie“

Auch die stellvertretende SPD-Fraktionschefin Ute Vogt stellte einen Zusammenhang zu den Gesprächen mit der Union über eine Regierungsbildung her. „Das ist ein klarer Verstoß gegen die Vereinbarung. So wird Vertrauen zerstört und nicht gebildet“, sagte sie dem Tagesspiegel. Schmidt werde „damit zum Problem für Merkel und Seehofer. Insbesondere bei den weiteren Gesprächen mit dem Bundespräsidenten und unserem SPD- Vorsitzenden über eine eventuelle Regierungsbildung.“ Der Gesundheitsexperte der SPD, Karl Lauterbach, warf dem Minister vor, eigenmächtig gehandelt zu haben. Er sprach von einem „einmaligen Vertrauensbruch“. Die CSU mache sich damit zum „Knecht der Agrarindustrie“.

Glyphosat wird seit 40 Jahren eingesetzt, ist aber umstritten. Eine Studie der Weltgesundheitsorganisation (WHO) stuft die Chemikalie als „wahrscheinlich krebserregend“ ein. Untersuchungen von europäischen Lebensmittelsicherheits- und Chemiebehörden sowie aus Kanada, Japan und den USA bestätigen diesen Verdacht nicht. Die Verlängerung ist auch bedeutend für den deutschen Chemieriesen Bayer, der den Glyphosat-Erfinder Monsanto übernehmen will.

Renate Künast (Grüne): "Schwarzer Tag"

Künast sagte zu der Entscheidung: „Das ist ein schwarzer Tag für Gesundheit und Natur, aber auch für die politische Kultur in Deutschland. Minister Schmidt hat Pestizide und Profite statt Menschen und Gesundheit zum Schutzobjekt erkoren. Das hat er offenbar schon vor Wochen mit seinem Brief an die Kommission begonnen. Jetzt tritt er auch noch demokratische Prinzipien eines ordentlichen Regierungshandelns mit Füßen.
Bleibt nur noch die Frage, ob das mit Merkels Einverständnis geschah. Das werden spannende Verhandlungen zwischen Union und SPD.“ (mit dpa, AFP)

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