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Der SPD-Bundestagsabgeordnete Christoph Strässer hat sich mit seinen kritischen Äußerungen zur Menschenrechtslage in Aserbaidschan bei der Regierung in Baku unbeliebt gemacht.

© dapd

Kritik unerwünscht: Aserbaidschan stellt deutschen Politiker an den Pranger

Wer Aserbaidschan kritisch in den Blick nimmt, gerät schnell unter Druck – wie der deutsche Abgeordnete Christoph Strässer.

Den Eurovision Song Contest wollte Aserbaidschan nutzen, um das Image des Landes aufzupolieren. Aber auch sonst versucht die aserbaidschanische Führung, sich mithilfe von Lobbyisten als modern und westlich orientiert darzustellen. Kritiker des autoritären Regierungsstils von Präsident Ilham Aliyev werden dagegen persönlich angegriffen, etwa im Europarat. Kann die aserbaidschanische Führung eine Entscheidung oder eine Aussage eines Europaratsmitgliedes zu ihren Gunsten verbuchen, verkauft sie dies der Bevölkerung als Unterstützung für ihre Politik.

Ein Beispiel ist die Aussage von vier westeuropäischen Politikern über ein Referendum 2009. Damals ließ die Regierung darüber abstimmen, ob ein Präsident nach zwei Amtszeiten wieder zur Wahl antreten darf – ein Freifahrtschein für Aliyev. Dem Referendum gingen zahlreiche Festnahmen voraus. Die Opposition boykottierte die Abstimmung. Die EU-Kommission nannte das Referendum einen schweren Rückschritt für die demokratische Entwicklung des Landes. Vier Abgeordnete der Parlamentarischen Versammlung des Europarates erklärten hingegen, das Resultat zeige den Willen des Volkes für mehr Stabilität, eine weitere Demokratisierung sowie bessere Machtverteilung, wenngleich weitere Reformen notwendig seien. Die Abstimmung sei transparent und gut organisiert gewesen.

Um die Meinungsfreiheit steht es schlecht in Aserbaidschan. Und sonst so? Eine Bestandsaufnahme in Bildern:

Die vier Abgeordneten waren der CSU- Bundestagsabgeordnete Eduard Lintner (CSU), der Parlamentarier Hakki Keskin von der Linkspartei sowie der Belgier Paul Wille und der Spanier Pedro Agramunt. Die beiden Deutschen sind inzwischen aus dem Europarat ausgeschieden. Lintner ist seither Geschäftsführer der Gesellschaft zur Förderung der deutsch-aserbaidschanischen Beziehungen, Keskin leitet die Türkisch-Aserbaidschanische Vereinigung in Deutschland. Beide Organisationen setzen sich für die Interessen Aserbaidschans ein.

Mit politischem Druck gegen kritische Stimmen - wie die Führung in Baku Einfluss auf deutsche Politiker nimmt.

Wer jedoch das Land kritisch in den Blick nimmt, kann erheblich unter Druck geraten. So erging es dem SPD-Bundestagsabgeordneten Christoph Strässer. Er ist als Mitglied der parlamentarischen Versammlung seit März 2009 Sonderberichterstatter für politische Gefangene in Aserbaidschan. Doch ihm wurde bislang nicht nur ein Visum verweigert. Der mit seinen Aussagen zurückhaltend auftretende und immer wieder zu Kompromissen bereite Strässer geriet selbst an den Pranger. Eine aserbaidschanische Oppositionszeitung hatte Aussagen Strässers zur Menschenrechtssituation aus einer geschlossenen Veranstaltung ohne dessen Einwilligung und mit Fehlern als Interview veröffentlicht. Die Führung in Baku unterstellte Strässer daraufhin Voreingenommenheit. Einen Höhepunkt erreichte die Kampagne gegen ihn in einer nichtöffentlichen Anhörung im Rechtsausschuss des Europarats im Januar. Der Vertreter Aserbaidschans stellte Strässers Eignung infrage. Auch der Spanier Agramunt kam wieder ins Spiel. Er bezeichnete seine eigene Arbeit in einem Monitoringausschuss zu Aserbaidschan als ausreichend und lehnte Strässers Arbeit ab.

Strässer wollte die Ereignisse in Straßburg oder weitere Versuche, seine Arbeit zu beeinflussen, nicht kommentieren. So schrieb der frühere Sozialdemokrat Keskin einen offenen Brief an SPD-Chef Sigmar Gabriel. Darin warf er Strässer einen privaten Feldzug gegen Aserbaidschan vor. Die Stimmen von Millionen türkischstämmigen Wählern in Deutschland stünden auf dem Spiel, warnte er.

Aus dem Bundestag erhält Strässer Rückendeckung. Der Menschenrechtsausschuss forderte die Führung in Baku auf, Strässer Zugang zu den Gefängnissen zu gewähren. Zwar lud Aserbaidschan Strässer danach ein. Da aber nur daüber gesprochen werden sollte, was politische Gefangene sind, lehnte Strässer ab.

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