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Finanzpolitik: Länderfinanzausgleich: Unseliges Geben

Die Zahlerländer rüsten mal wieder gegen den Finanzausgleich – ob es zu einer neuen Verfassungsklage kommt, ist aber noch offen.

Berlin - Die Situation ist recht einseitig: drei gegen dreizehn. Nur Bayern, Baden-Württemberg und Hessen zahlen noch nennenswerte Summen in den Länderfinanzausgleich ein, 2009 zusammen 6,8 Milliarden Euro, davon die Hälfte Geld der bayerischen Steuerzahler. 2008 waren es sogar noch 7,9 Milliarden. Genau genommen gibt es noch zwei Länder, die ebenfalls belastet werden, aber es sind eher „Zahlerchen“: die wohlhabende Hansestadt Hamburg ist mit knapp 50 Millionen Euro dabei, und das einstige Hauptzahlerland Nordrhein-Westfalen mit 60 Millionen; 2008 war NRW sogar Nehmerland. Der Rest nimmt – seit Jahren und Jahrzehnten, allen voran die Geld fressende Hauptstadt Berlin: Im letzten Jahr fast 2,9 Milliarden Euro, so viel wie alle anderen ostdeutschen Länder zusammen.

Den süddeutschen Ländern gefällt das seit langem nicht. Zwar haben sie mit ihrer letzten Klage in Karlsruhe 1999 eine deutliche Verbesserung erzielen können, die seit 2005 umgesetzt ist. Dennoch ändert sich an der finanziellen Schieflage zwischen den Ländern wenig. Dabei war der Finanzausgleich einst erfunden worden, um die Ungleichgewichte zwischen den Ländern nicht zu zementieren, sondern abzubauen. Aber das hat sich schon in der alten Bundesrepublik als Trugschluss erwiesen. Nur Bayern schaffte den Umstieg vom Nehmer zum Zahler.

Die Änderung von 2005 sei nur der Anfang zum Umbau des ganzen Systems gewesen, sagt Peter Hauk, CDU-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag. Der baden-württembergische Ministerpräsident Stefan Mappus (CDU) und sein bayerischer Kollege Horst Seehofer (CSU) machen sich für Änderungen zugunsten der Zahler stark. Auch die schwarz-gelbe Regierung in Hessen ist dabei. Die Kabinette der Hauptzahlerländer und die FDP- Landtagsfraktionen dort haben jetzt Gutachten in Auftrag gegeben, um Klagemöglichkeiten oder zumindest Unstimmigkeiten in der Gesetzeslage zu klären. Und zwar bei zwei Juristen, die einst Mitarbeiter des Verfassungsrichters Paul Kirchhof waren, der als „Mastermind“ des Finanzausgleichsurteils von 1999 gilt, das – kurz gesagt – eine Generalüberholung des Systems verlangte und vor allem ein Gesetz, das dauerhaft die Maßstäbe setzen sollte, nach denen der Finanzausgleich funktioniert. Das ist auch geschehen, doch gibt es Zweifel, ob das Gesetz dem Auftrag der Karlsruher Richter voll entspricht.

Der Tübinger Rechtsprofessor Christian Seiler will sich noch nicht festlegen. Es gehe vorerst um „die Prüfung, ob der geltende Länderfinanzausgleich der Verfassungsrechtslage entspricht“. Sein Mainzer Kollege Hanno Kube sieht jedoch „erhebliche verfassungsrechtliche Probleme“ und glaubt, dass eine Klage gegen den geltenden Finanzausgleich aussichtsreich wäre. „Das Maßstäbegesetz ist inhaltlich eine Enttäuschung. Wenn man die Lage an der Verfassung misst, dann ist das Ergebnis betrüblich.“ Will heißen: Die Zahlerländer zahlen immer noch zu viel. „Die Politik hat die Vorgaben des Verfassungsgerichts nicht erfüllt“, sagt Kube.

Ob die Zahlerländer am Ende wirklich noch einmal klagen, ist aber ungewiss. Die Gutachten könnten auch als „Munition“ dienen für die Neuverhandlung des föderalen Geldverteilungssystem, die wohl spätestens 2013 beginnt. Denn 2019 läuft die derzeitige Regelung aus, Solidarpakt eingeschlossen, und um genügend Planungsvorlauf zu haben, müssen die Ergebnisse 2016 vorliegen. Da können aus süddeutscher Sicht die Pflöcke gar nicht früh genug eingeschlagen werden. Zumal die Zahlungsbereitschaft neuerdings auch zurückgeht, weil es den starken Ländern in der Finanzkrise ebenfalls die Etats verhagelt hat – im Falle Baden-Württembergs und vor allem Bayerns auch wegen der hausgemachten Probleme mit den Landesbanken. Die Milliarden, die man nun gern einsetzen würde, um schnell dem Bankenschlamassel zu entkommen, fließen aber nach Berlin, Schwerin oder Dresden. Wo man dank Finanzausgleich, Solidarpakt, Sonderzahlungen des Bundes und (im Fall der Stadtstaaten) der Einwohnerhöherwertung oft mehr Geld pro Einwohner zur Verfügung hat als in den Zahlerländern.

Das Problem des gegenwärtigen Finanzausgleichs ist, dass er sich allein an den Steuereinnahmen orientiert und weder die Ausgaben- noch die Verschuldungspolitik eines Landes in den Blick nimmt. Zudem hat er eine fast schon absurd anmutende Systematik: Höhere Steuereinnahmen eines Zahlerlandes fließen zum Großteil in den Ausgleich, höhere Steuereinnahmen eines Nehmerlandes reduzieren dessen Einnahmen aus dem Ausgleich. Es gibt also für beide Seiten wenig Anreize, die Steuereinnahmen zu erhöhen, etwa durch schärfere Betriebsprüfungen oder ein weniger laxes Vorgehen bei Steuerstundungen.

In der Politik- und Wirtschaftswissenschaft ist diese Form des Finanzausgleichs längst in die Kritik geraten. Zu den Skeptikern zählt auch der Grünen-Fraktionschef im Stuttgarter Landtag, Winfried Kretschmann. Er glaubt, dass die Korrekturmöglichkeiten im gegenwärtigen System ausgereizt seien, und plädiert für einen gründlichen Umbau. Der Ausgleich zwischen den Ländern sollte abgeschafft werden und nur noch zwischen dem Bund und den Nehmerländern erfolgen. Der Bund könnte nach diesem Modell dann auch stärker Einfluss nehmen auf die Verwendung der Zahlungen. Allerdings hat der Fall Bremen gezeigt, dass Auflagen, die mit Bundeszahlungen einhergehen, Schall und Rauch sind, wenn ein Land sich nicht daran halten will oder kann. Und bisher haben sich auch die Zahlerländer dagegen gesträubt, den Finanzausgleichs zu einem reinen Bund-Länder-Ausgleich zu machen Die damit verbundene Stärkung des Bundes, so glaubten sie bislang, könnte auch ihnen schaden.

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