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Syrische Flüchtlinge in einem Camp an der Grenze zur Türkei. Im August hat die Zahl der Menschen, die aus Syrien fliehen, einen neuen Höchststand erreicht. Viele suchen Zuflucht in der Türkei.

© Reuters

Lager dient angeblich als Befehlszentrum der Assad-Gegner: Ankara erlaubt Rebellen-Camp auf türkischem Boden

Angeblich dürfen die syrischen Rebellen ungehindert die Grenze zur Türkei passieren; ein Lager nahe der Grenze auf türkischem Boden soll ihr Stützpunkt sein. Der Konflikt könnte damit eine völlig neue Dimension erreichen.

Die türkische Regierung unterstützt die Rebellen in Syrien nach Angaben der Opposition weit aktiver, als Ankara das offiziell zugeben will. Die Freie Syrische Armee (FSA) habe in der Grenzprovinz Hatay einen „illegalen Militärstützpunkt“ auf türkischem Boden einrichten dürfen, sagte der Oppositionspolitiker Mehmet Ali Ediboglu am Dienstag dem Tagesspiegel in Istanbul.

In Hatay wimmele es auch vor bewaffneten islamistischen Kämpfern. Die türkische Regierung weist alle Vorwürfe von sich. Doch die FSA-Führung macht keinen Hehl aus ihrer Anwesenheit in der Türkei, und FSA-Mitglieder sprechen sogar öffentlich von ihren Ausbildungslagern. Sollten sich die Vorwürfe der Regierungskritiker bewahrheiten, wäre dies eine neue Eskalationsstufe in einem Konflikt, der immer mehr die ganze Region erfasst.

Eine Delegation des türkischen Parlaments nahm am Dienstag das streng abgeschirmte Lager Apaydin unter die Lupe, in dem syrische Armee-Deserteure in Hatay untergebracht sind und das als Hauptquartier der FSA gilt. Nur das Staatsfernsehen TRT und die offizielle Nachrichtenagentur Anadolu durften die Abgeordneten begleiten.

Anschließend sagte Delegationsleiter Sefer Üstün, ein Politiker der Regierungspartei AKP von Ministerpräsident Recep Tayyip Erdogan, es gebe keinerlei Hinweise auf eine militärische Nutzung des Lagers. Kein Wunder, kommentierte der Oppositionspolitiker Ediboglu von der Partei CHP: Vor dem Besuch der Abgeordneten seien alle Waffen aus dem Lager weggeschafft worden.

Die CHP, die vor zehn Tagen keine Genehmigung für einen unangemeldeten Kontrollbesuch erhielt, boykottierte den Besuch von Üstüns Delegation deshalb.

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In Apaydin sind rund 300 syrische Deserteure, darunter 30 Ex-Generäle und der FSA-Chef Riad al-Asaad, zusammen mit knapp 2500 Familienangehörigen untergebracht. Anders als die anderen Auffanglager für die insgesamt etwa 80.000 syrischen Flüchtlinge in der Türkei ist das nur zwei Kilometer von der syrischen Grenze entfernte Apaydin für die Medien gesperrt – als Vorsichtsmaßnahme wegen möglicher Repressalien gegen die Sicherheit der Insassen und deren Familienagehörigen in Syrien, sagt Ankara.

Die Opposition ist sicher, dass das nicht der einzige Grund ist. Die FSA verfüge über Waffen und Ausbildungseinrichtungen in Apaydin und einem halben Dutzend anderer Orte in Hatay, sagte der Oppositionsabgeordnete Ediboglu, die Hatay für die CHP im Parlament von Ankara vertritt. „Das nehmen wir nicht nur an, das wissen wir.“

Auch mehrere hundert islamische Kämpfer aus Afghanistan, Algerien und anderen Ländern benutzten Hatay als Sprungbrett für Kampfeinsätze in Syrien und würden von den Behörden geduldet.

Ediboglu und andere Kritiker verweisen darauf, dass die FSA die Provionz Hatay lange Zeit als ihren „Hauptstützpunkt“ bezeichnete. Erst kürzlich änderten die Rebellen eine entsprechende Beschreibung auf ihrer Website – jetzt wird die syrische Hauptstadt Damaskus als Hauptbasis genannt. Nach wie vor betreibt die FSA aber von Apaydin aber ihre Pressearbeit, Kommandant Asaad gibt regelmäßig Telefoninterviews aus dem Lager heraus.

Zudem berichten FSA-Mitglieder stolz davon, was sie alles so unternehmen in Apaydin. Ein Rebellensoldat sagte kürzlich im türkischen Fernsehen, er und seine Leute könnten nach Belieben über die Grenze nach Syrien gehen und wieder in die Türkei zurückkehren.

Auf der syrischen Seite des Grenzzauns liege eine FSA-Einheit, die aus der Türkei heraus versorgt werde. „Die Türkische Republik hat uns lediglich gebeten, tagsüber keine Waffen zu tragen“, sagte der FSA-Offizier, der seinen Namen nicht nennen wollte.

Die Assad-Gegner in Syrien haben inzwischen alle Grenzübergänge in die Türkei unter ihre Kontrolle gebracht. Die syrische Armee hat sich aus dem Grenzgebiet zurückgezogen, seit Ankara nach dem Abschuss eines türkischen Kampfjets Ende Juni mit Militärschlägen gegen syrische Truppeneinheiten in Grenznähe drohte. Das gibt der FSA die Möglichkeit, in einem schmalen Streifen jenseits der türkischen Grenze ihren Nachschub zu organisieren

Mit der Duldung der FSA-Aktivitäten stärkt Ankara den Widerstand gegen die Assad-Regierung im Nachbarland, setzt sich aber auch dem Vorwurf aus, den Konflikt weiter zu internationalisieren.

Zusammen mit den USA feilt die Türkei bereits an Plänen für eine mögliche Intervention in Syrien; diesen Vorbereitungen könnte ein überraschender Besuch von CIA-Chef David Petraeus in der Türkei in den vergangenen Tagen gedient haben. Apaydin ist nicht der einzige Ort in der Türkei, an dem derzeit möglicherweise geheime Pläne geschmiedet werden.

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