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Björn Höcke nach seiner Rede auf der Landeswahlversammlung der AfD in Arnstadt in Thüringen.

© Candy Welz / Arifoto Ug/dpa-Zentralbild/dpa

Landesparteitag der AfD: Die halbe Reue des Björn Höcke

Thüringens AfD-Chef Höcke entschuldigt sich für den Ton seiner Dresdner Rede. Aber nicht für den Inhalt. Dann gibt er sich bei seinem Landesverband in Arnstadt wieder kämpferisch.

Für einen Moment wirken sie im Publikum überrascht. Sollen sie jetzt klatschen? „Ich habe ein großes Thema in einer Bierzeltrede vergeigt“, sagt Björn Höcke mit ernstem Gesicht. Kaum jemand applaudiert. „Ich habe mich von der Atmosphäre mitreißen lassen und bin in eine falsche Tonlage gefallen. Ich habe Interpretationsspielräume zugelassen. Das war ein Fehler.“ Kurze Pause. „Dafür möchte ich mich hier entschuldigen.“ Der Applaus kommt jetzt, zögerlich.

Dass sich Höcke, der Vorsitzende der Thüringer AfD, auf dem Landesparteitag in Arnstadt für seine Dresdner Rede entschuldigt, damit hat wohl kaum einer gerechnet. Doch schon die nächsten Worte fühlen sich für seine Zuhörer wieder vertrauter an: Das Parteiausschlussverfahren gegen ihn sei durch nichts gerechtfertigt, ruft Höcke. „Ich habe nicht vor, die AfD zu verlassen.“ Im Saal stehen sie auf, jubeln, skandieren „Höcke, Höcke“.

Es ist Höckes erste große Rede nach seinem umstrittenen Auftritt in Dresden. Er hatte eine „erinnerungspolitische Wende um 180 Grad gefordert“, war tagelang in den Schlagzeilen, der Bundesvorstand will ihn aus der Partei ausschließen. Umso wichtiger ist für Höcke dieser Auftritt in Arnstadt, den Rückhalt in seinem Landesverband braucht er dringender denn je. Denn obwohl kaum jemand mit einem Parteiausschluss rechnet: Mit seiner Dresdner Rede hat er seinen Gegnern in der Partei – allen voran Bundeschefin Frauke Petry – eine offene Flanke geboten. Auch über Höckes politische Zukunft war im Vorfeld spekuliert worden: Würde er – entgegen seiner Ankündigung – doch noch für den Bundestag kandidieren?

Zur Unterstützung Höckes sind gleich zwei einflussreiche Parteifreunde angereist: André Poggenburg und Alexander Gauland, die Fraktionsvorsitzenden der AfD in den Landtagen von Sachsen-Anhalt und Brandenburg. Poggenburg hält ein Plädoyer dafür, „dass ein Grundpfeiler der AfD, nämlich das freie Wort ohne Denk- und Sprechverbote, erhalten bleiben muss“. Höckes Rede – für ihn also bloß eine Meinungsäußerung? Er sagt: „Eine Volkspartei kann es nur mit einem breiten Spektrum und Randpositionen geben, die es auszuhalten gilt.“

Wer sich bei den AfD-Mitgliedern hier in Arnstadt umhört, merkt, wie weit die Unterstützung für Höcke geht. Der ehemalige Landesvorsitzende Matthias Wohlfarth, der Höcke auf Facebook in einem offenen Brief angegriffen hatte, wird später ausgebuht. Schließlich stellt sich einer ans Mikrofon, in seinen Augen spaltet Frauke Petry und nicht Höcke die Partei. Er spricht von einer „abgekupferten Merkel’schen Manier“. „Frau Petry, Sie verfolgen ganz offensichtlich nur Ihre Interessen. Sie wollen unsere Partei in eine zweite CDU umfunktionieren“, ruft er. Lauter Applaus brandet auf.

Er gibt sich zerknirscht

Bei so viel Sympathiebekundung: Wäre da Höckes Entschuldigung überhaupt nötig gewesen? Er selbst scheint es zu glauben. Auch in einem Gespräch am Rande des Parteitages gibt er sich zerknirscht. „Ich muss einen Gang zurückschalten – das habe ich begriffen“, sagt Höcke. Er habe sich von der Atmosphäre mitreißen lassen, manches, was er in Dresden gesagt habe, habe nicht in seinem Manuskript gestanden. Auch Parteifreunde kennen ihn als einen, der sich bei Reden von der Menge tragen lässt und am Ende übers Ziel hinausschießt. Dennoch wird deutlich: Höcke bereut allenfalls den Tonfall seiner Rede. Hinter dem Inhalt steht er immer noch.

Und auch an seiner Entscheidung vom Januar, nicht für den Bundestag zu kandidieren, hält er fest. Höcke will in Thüringen bleiben. Das heißt jedoch nicht, dass er die Zügel aus der Hand gibt. Höcke weiß genau, wen er gern in Berlin sehen will. Geht man nach den aktuellen Umfragewerten, werden wohl zwei Thüringer AfD-Kandidaten den Sprung in den Bundestag schaffen.

„Man erwartet von uns, dass wir wackere, unbeugsame Patrioten nach Berlin schicken, und das werden wir heute tun“, ruft Höcke. Er schlägt seinen Fraktionskollegen Stephan Brandner vor. Der wird schließlich auf den Listenplatz 1 gewählt. Auch Brander ist keiner, der sich gern zurückhält. Im vergangenen Jahr war er während einer Sitzung des Landtages wegen mehrfacher Beleidigung von Abgeordneten des Plenarsaals verwiesen worden.

Noch wichtiger für Höcke dürfte die Wahl seines Vertrauten Jürgen Pohl sein. Pohl ist Beisitzer im Landesvorstand und gleichzeitig Leiter von Höckes Wahlkreisbüro. Er ist ein Polterer und Mitglied im „Flügel“, einer rechtsgerichteten Vereinigung in der AfD, die Höcke gegründet hat. In seiner Bewerbungsrede für Listenplatz 2 spricht Pohl vom „Kampf um das Vaterland“ und endet mit einem angeblichen Zitat des Dichters Theodor Körner: „Noch sitzt ihr da oben, ihr feigen Gestalten. (...) Doch einst wird wieder Gerechtigkeit walten, dann richtet das Volk. Dann gnade euch Gott!“

Höcke kann nun Fraktions- und Parteivorsitzender in Thüringen bleiben und trotzdem in der neuen Bundestagsfraktion Einfluss nehmen. Er ist gestärkt aus diesem Parteitag hervorgegangen. Am Ende seiner Rede hebt er unter „Höcke, Höcke“-Rufen die Arme und verbeugt sich dann lang.

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