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Martin Hyun.

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Deutsch-Koreaner Hyun: "Leistungsaufstieg pure Illusion"

Koreaner gelten als perfekte Migranten: bildungshungrig, fleißig, unauffällig. Stimmt das Klischee?

Koreaner gelten als perfekte Migranten: bildungshungrig, fleißig, unauffällig. Stimmt das Klischee?

An dem Klischee ist etwas dran, obwohl ich Probleme mit dem Wort „perfekt“ habe, wenn es um Menschen geht. Und natürlich gibt es auch Koreaner mit weniger Bildungshunger.

Sie sind selbst sehr erfolgreich, waren deutscher Eishockey-Nationalspieler, haben studiert. Reicht das zur Integration?

Definitiv nein! Zu allem Übel bin ich noch Bildungsausländer und habe meine Studienabschlüsse in den USA und Belgien absolviert.

Sie fühlen sich nicht integriert?

Vor einigen Jahren habe ich jedenfalls entsprechende Erfahrungen gemacht. Als ich mich für eine Repräsentationsstelle bei der UN bewarb – es ging um Sport und Entwicklung –, wurden im Auswärtigen Amt Zweifel an meiner Loyalität zu Deutschland geäußert, trotz meines deutschen Passes. Und im Deutschen Olympischen Sportbund hatten sie ähnliche Bedenken, mir eine Referentenstelle für Internationales zu geben, weil sich auch Pyeongchang neben München für die Olympischen Winterspiele beworben hatte.

Das heißt, Sie fühlten sich nicht als richtiger Deutscher akzeptiert?

In diesen Situationen ja. Die meisten Deutsch-Koreaner der zweiten Generation haben sich bis zur völligen Aufgabe der koreanischen Sprache und kulturellen Identität in Deutschland angepasst. Viele koreanische Eltern glaubten, ihre Kinder könnten durch Bildung aufsteigen, die Herkunft würde keine Rolle mehr spielen, einzig die Leistung. Doch das entpuppte sich – nicht nur für mich – als reine Illusion und Wunschdenken. Trotz hoher Bildung, Sprachkompetenz und deutscher Staatsbürgerschaft schaffen nur die allerwenigsten den Sprung in den deutschen Arbeitsmarkt. Diese Ablehnung führt dazu, dass viele in die Selbstständigkeit gedrängt werden, für in Deutschland ansässige koreanische Unternehmen arbeiten oder Deutschland ganz den Rücken kehren. Ich kenne viele Geschichten, die so hoffnungsvoll beginnen, mit erfolgreichen Universitätsabschlüssen aus Deutschland, die aber erst in Korea genutzt werden.

Die Integrationsdebatte dreht sich oft darum, wer mehr tun muss, die Migranten oder die Gesellschaft. Was meinen Sie?

Ich denke, dass jeder eine Bringschuld mit sich trägt – derjenige, der in Deutschland leben möchte, und diejenigen, die sie aufnehmen. Wenn Migranten aber alles daran setzen, sich zu integrieren, dann sollte man ihnen alle Möglichkeiten gewähren, die soziale Leiter hinaufzuklettern. Integration hat die unterschiedlichsten Bedeutungen. Die Mehrheitsgesellschaft fordert zu Recht Verfassungstreue und Sprachkompetenz. Aber der Kern der Integration ist für mich Chancengleichheit, Teilhabe und auch die Möglichkeit, in Führungspositionen aufzusteigen und auch als Migrant sein Land repräsentieren zu dürfen.

Gibt es prägende Erfahrungen als Sohn koreanischer Eltern in Deutschland?

Für mich wie viele andere Deutsche war das die deutsche Einheit. Aber am stärksten im Gedächtnis geblieben ist mir von damals der Brandanschlag auf ein vietnamesisches Asylantenheim 1992 in Rostock und diese plötzliche Welle von Hass und Gewalt, die ich selbst zu spüren bekam. Meine Heimat wurde zur Fremde. Rostock und die Tage danach veränderten meine Beziehung zum Land.

Das Gespräch führte Andrea Dernbach.

Martin Hyun (31) ist Politologe. Der Krefelder, Sohn koreanischer Eltern, war bis Mitte der 90er Jahre Eishockey-Profi und Mitglied im deutschen Jugend-Nationalteam.

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