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Intelligenz vor allem vererbt? Forscher zu Sarrazin: Humbug.

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Wirbel um Aussagen: Lex Sarrazin gesucht

Während die zuständige Berliner SPD erneut über Möglichkeiten nachdenkt, Thilo Sarrazin aus der Partei zu werfen, kommen auch von außerhalb der Partei immer mehr Forderungen nach Rauswurf. Grüne und Union fordern Konsequenzen.

Berlin - Während die zuständige Berliner SPD erneut über Möglichkeiten nachdenkt, Thilo Sarrazin aus der Partei zu werfen, kommen auch von außerhalb der Partei immer mehr Forderungen nach Rauswurf. Als Vorstandsmitglied der Bundesbank ist er eine prominente Figur des öffentlichen Lebens. Das sollte er, wenn es nach Stimmen quer durch die politischen Lager geht, lieber nicht mehr sein. Der Chef des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, Ruprecht Polenz (CDU), forderte Sarrazins Dienstherrin am Donnerstag auf, etwas gegen „die islamfeindlichen und menschenverachtenden Tiraden“ zu unternehmen: „Ich frage mich, wie lange die Deutsche Bundesbank dem noch tatenlos zuschauen will“, sagte er. Sarrazin behauptet in seinem neuen Buch erneut, eine vor allem durch muslimische Migranten wachsende Unterschicht mache Deutschland dümmer und erklärt Muslime zur Bedrohung für Europas kulturelle Identität.

Die Kanzlerin müsse Konsequenzen ziehen, sagte Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. Sarrazin verhalte sich „systematisch, nachhaltig und dreist“ gegen den Verhaltenskodex der Bundesbank. Die Linken-Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen forderte die Abberufung Sarrazins. Sie sei „mehr als überfällig“, er selbst „untragbar für das Amt“.

Das wird allerdings nicht ohne Weiteres möglich sein. Schon nach dem Wirbel um Sarrazins Aussagen im „Lettre“-Interview vor einem Jahr konnte Bundesbankchef Axel Weber lediglich Sarrazins Zuständigkeiten beschneiden. Künast fordert deshalb von der Bundesregierung grundsätzlich „klare gesetzliche Regelungen“ für die Abberufung von Bundesbankvorständen. Deren Ernennung sei klar geregelt, nicht aber das Ende ihrer Dienstzeit.

Auch der neue Chef des Essener Zentrums für Türkeistudien und Integrationsforschung sieht durch Sarrazins Aussagen einen „Imageschaden für Deutschland“. Schließlich sei er „ein wichtiger Funktionsträger mit hohem Renommee“. Was er sage, sei „weder sozial noch demokratisch“, sagte Haci-Halil Uslucan dem Tagesspiegel. Es sei aber auch falsch. Die Bemerkung über die angeblich enorme Kinderzahl von Migranten etwa „hält keiner Überprüfung stand. Dass sie mehr Kinder haben, stimmte lange, es stimmt aber gegenwärtig nicht mehr.“ Sarrazins Argumente erinnerten an „alte rassistische Diskurse des 19. Jahrhunderts vom Primitiven, der von seinen Trieben beherrscht wird, und dem Europäer, der sie beherrscht“.

Auch die Aussage des Ex-Senators, Intelligenz werde zu 50 bis 80 Prozent vererbt, nannte Uslucan, bisher Professor für pädagogische Psychologie in Hamburg, „absoluten Humbug“. Intelligenz sei „eines der besterforschten Konstrukte in der Psychologie“. Man wisse heute, dass Erbanlagen und Umwelt dabei in einer Wechselwirkung stünden. Was Sarrazin sage, behaupte heute „kein Mensch mehr, der ernst genommen werden will“.

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